VwGH 97/18/0647

VwGH97/18/064724.3.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des M in Zell am Moos, vertreten durch Dr. Erich Aichinger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, Stadtplatz 22, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 1. September 1997, Zl. St 200/97, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 1. September 1997 wurde gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei; die Abschiebung des Beschwerdeführers in diesen Staat sei somit zulässig.

Der vom Beschwerdeführer gestellte Asylantrag sei mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Mai 1996 rechtskräftig abgewiesen worden.

Vor dem Bundesasylamt habe der Beschwerdeführer im wesentlichen angegeben, daß am 30. September 1992 das erste Mal die Polizei zu ihm nach Hause gekommen wäre. Es wäre ihm vorgeworfen worden, Waffen zu besitzen, weshalb er auch auf die Polizeistation gebracht worden wäre. Nach 24 Stunden wäre er einem Gericht vorgeführt worden, von welchem er wegen Waffenbesitzes zu einer 12-monatigen Haftstrafe verurteilt worden wäre. Anläßlich dieser Verurteilung hätte er den Richter gebeten, ihm noch einige Tage "freizugeben", um seinen Vater ins Krankenhaus zu bringen. Der Richter hätte dem zugestimmt und angeordnet, daß der Beschwerdeführer anschließend zu Hause bleiben sollte, damit er verhaftet werden könnte. Auf den Vorhalt, daß es sich hiebei um eine gänzlich unglaubwürdige und widersprüchliche Version handle, habe der Beschwerdeführer ausgeführt, daß seine Aussage den Tatsachen entspräche. Nicht richtig wäre jedoch, daß er aufgefordert worden wäre, zu Hause seine Verhaftung abzuwarten.

In der im vorliegenden Verfahren erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer dann ausgeführt, daß sein Vater aufgrund des Vorwurfes des illegalen Waffenbesitzes mehrmals inhaftiert und gefoltert worden wäre. Dieser wäre dann auch an den Folgen der Folterungen gestorben. Auch der Beschwerdeführer selbst wäre zweimal je eine Woche inhaftiert und beim zweiten Mal auch gefoltert worden. Er wäre erst aufgrund seiner Verletzung entlassen worden.

Der Beschwerdeführer sei am 23. Juni 1997 niederschriftlich befragt worden, wobei er ausgeführt habe, daß sein Vater erstmals im Mai 1992 zur serbischen Miliz vorgeladen worden wäre. Dieser und weiteren Ladungen hätte er nicht Folge geleistet, weshalb er am 30. September 1992 festgenommen worden wäre. An diesem Tag wäre auch der Beschwerdeführer festgenommen worden. Sie wären zwei Tage verhört und gefoltert und schließlich wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer zwölfmonatigen Haftstrafe verurteilt worden. Nach diesen beiden Tagen wäre sein Vater aufgrund der bei den Folterungen erlittenen Verletzungen von der Polizei in das Spital gebracht worden. Davon hätte der Beschwerdeführer von einem im Spital tätigen Cousin erfahren und hätte sich sofort mit seiner Mutter ins Krankenhaus begeben. Der Vater wäre nach einem Monat aus dem Krankenhaus entlassen worden, hätte jedoch zwei Jahre an den Verletzungsfolgen laboriert und wäre schließlich daran gestorben. Etwa ein Jahr nach der Haftentlassung wäre der Beschwerdeführer aufgefordert worden, die Strafe anzutreten. Dieser Aufforderung wäre er aus Angst vor Folterungen nicht nachgekommen. Nachdem die Polizei am 15. Dezember 1995 nach ihm gesucht hätte, wäre er über Ungarn nach Österreich geflohen. Bei einer Abschiebung nach Jugoslawien würde er sicher festgenommen, gefoltert und wegen Republiksflucht zu "ein paar Jahren" Haft verurteilt werden.

Die belangte Behörde sprach den Ausführungen des Beschwerdeführers insgesamt die Glaubwürdigkeit ab und führte dazu aus, daß sich in den Aussagen des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens nicht nur "eine gewaltige Steigerung", sondern auch erhebliche Widersprüche fänden. Bei seiner ersten Vernehmung habe der Beschwerdeführer mit keinem Wort erwähnt, daß er und sein Vater auch gefoltert worden wären. Zunächst habe er ausgesagt, nur 24 Stunden von der Polizei angehalten worden zu sein, während er in der Berufungsschrift davon gesprochen haben, zweimal je eine Woche inhaftiert und dabei gefoltert worden zu sein. Äußerst unglaubwürdig seien auch die Ausführungen, wonach dem Beschwerdeführer vom Richter nach Ausspruch des Urteiles "freigegeben" und er aufgefordert worden sei, sich zu Hause aufzuhalten. Demgegenüber entspreche es der Praxis, daß bereits anläßlich der Verurteilung ein Haftantrittstermin festgelegt werde. Ein Widerspruch in den Aussagen des Beschwerdeführers finde sich auch insofern, als er zunächst angegeben habe, seinen Vater selbst in das Spital gebracht zu haben, während er bei der niederschriftlichen Vernehmung ausgeführt habe, sein Vater wäre von der Polizei ins Spital gebracht worden. Im übrigen habe der Beschwerdeführer seine Angaben - trotz der Ankündigung, der Behörde die im September 1993 erhaltene Vorladung vorzulegen - durch keinerlei Urkunden belegt. Wenn man zudem noch bedenke, daß der Beschwerdeführer bei seiner Flucht die Hilfe von Schleppern in Anspruch genommen habe und es zu den Dienstleistungen derartiger Organisationen gehöre, "auch entsprechende Dokumente und Argumentationshilfen im Bedarfsfall nachzuliefern", schienen die Angaben des Beschwerdeführers noch unglaubwürdiger.

Selbst wenn man jedoch die Angaben des Beschwerdeführers über seine Verurteilung und die Mißhandlungen während des Gefängnisaufenthaltes für wahr hielte, könnte man nicht ohne weiteres davon sprechen, daß die Verurteilung in keinem rechtsstaatlichen Verfahren zustande gekommen sei und die Mißhandlungen nicht nur Einzelpersonen zuzurechenen seien.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. Oktober 1997, 97/18/0454).

2.1. Die belangte Behörde hat ihren Bescheid primär darauf gestützt, daß die Angaben des Beschwerdeführers aufgrund der aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten insgesamt nicht glaubwürdig seien.

Diese Beweiswürdigung begegnet im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) auch dann keinen Bedenken, wenn man das - einzig in der Beschwerde konkret bekämpfte - (Zusatz-) Argument, daß auch die Zuhilfenahme einer Schlepperorganisation für die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spreche, beiseite läßt.

Insbesondere ist es nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers zur Anzahl seiner Verhaftungen und Dauer der in Haft zugebrachten Zeit sowie zu den Folterungen während der Haft - allesamt besonders einschneidende Ereignisse, die nach der Lebenserfahrung nicht so schnell vergessen werden - dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers keinen Glauben geschenkt hat. Zu Recht hat die belangte Behörde auch darauf verwiesen, daß sich der Beschwerdeführer auch zur Frage, wer seinen Vater ins Spital gebracht habe, in Widersprüche verwickelte und er - trotz vorheriger Ankündigung - sein Vorbringen nicht durch Urkunden untermauerte.

2.2. Soweit der Beschwerdeführer die Widersprüche und Ungereimtheiten in seinen Aussagen auf Verständigungsschwierigkeiten und Zeitmangel zurückführt und in diesem Zusammenhang rügt, die belangte Behörde hätte "auf diese Erwägungen Bedacht nehmen müssen und gegebenenfalls auf diesen Problembereich gründlicher eingehen müssen", unterläßt er es auszuführen, was er bei Durchführung eines seiner Meinung nach ordnungsgemäßen Verfahrens ausgesagt hätte, und vermag daher die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht aufzuzeigen.

2.3. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es drohe ihm bereits aufgrund seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe im Hinblick auf die besondere Situation im Kosovo bei einer Rückkehr eine Verfolgung wegen Republikflucht, vermag er - bezogen auf den hier allein maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - keine ihn betreffende, konkrete Bedrohungssituation aufzuzeigen, zumal die bloße Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe im Kosovo nicht ausreicht, eine aktuelle Verfolgungssituation darzutun.

2.4. Die belangte Behörde kam daher zu Recht zu dem Ergebnis, es bestünden keine stichhältigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Jugoslawien im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG.

3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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