VwGH 97/10/0251

VwGH97/10/025126.1.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der K-Ges.m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien VI, Mariahilferstraße 1d, gegen den Bescheid des Bundesministers für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz vom 6. November 1997, Zl. 31.900/70-VI/B/12/97, betreffend Auskunftserteilung in einer Angelegenheit der Vollziehung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Normen

AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;
AuskunftspflichtG 1987 §1;
AuskunftspflichtG 1987 §2;
B-VG Art20 Abs3;
B-VG Art20 Abs4;
DSG 1978 §1 Abs1;
LMG 1975 §36 Abs1;
LMG 1975 §36 Abs3;
LMG 1975 §36;
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;
AuskunftspflichtG 1987 §1;
AuskunftspflichtG 1987 §2;
B-VG Art20 Abs3;
B-VG Art20 Abs4;
DSG 1978 §1 Abs1;
LMG 1975 §36 Abs1;
LMG 1975 §36 Abs3;
LMG 1975 §36;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit Bescheid des Bundesministers für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz vom 6. November 1997 das Auskunftsbegehren der Beschwerdeführerin, ob und wann im ersten Halbjahr 1997 amtliche oder private Proben einer bestimmten Fleischware einer näher bezeichneten Firma zur Untersuchung durch eine näher bezeichnete Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung eingeliefert worden seien, abgewiesen. Hiezu wurde - nach Darstellung der Rechtslage - im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe - falls sie kontrolliert worden sein sollte, ihr Mitbewerber aber nicht - keinen Anspruch auf Kontrolle des Mitbewerbers. Sie erlange daher durch die Erteilung der begehrten Auskunft kein Instrument, um sich gegen einen die Bestimmungen des LMG 1975 möglicherweise nicht einhaltenden Konkurrenten zu wehren. Bei Vornahme einer Abwägung des Informations- und des Geheimhaltungsinteresses sei zu fragen, welches sachlich zu rechtfertigende überwiegende Interesse ein Unternehmen daran haben könne, daß die Ziehung von privaten oder amtlichen Proben seiner Waren geheimgehalten werde. Die Auskunft, ob ein Unternehmen kontrolliert worden sei oder nicht, sei anders zu sehen als die Auskunft darüber, ob ein Produkt z.B. angemeldet worden sei oder nicht. Wenn die Anmeldung nicht erfolgt sei, liege ein rechtswidriges Verhalten vor. Hingegen sage die Beprobung und Befassung einer Lebensmitteluntersuchungsanstalt des Bundes noch nichts über ein rechtswidriges Verhalten aus. Eine häufige Probenziehung (samt Befassung der einschlägigen Bundesanstalt) bei einem Unternehmen könnte jedoch einen Mitkonkurrenten zu "Vermutungen" veranlassen, die tatsächlich nicht begründet seien, aber bei "Bekanntwerden" zu einem wettbewerbsrechtlichen Nachteil durch Imageverlust führen könnten. Es gebe somit keine Gleichwertigkeit des Informations- und Gemeinhaltungsinteresses, sondern es überwiege im vorliegenden Fall das Geheimhaltungsinteresse; die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit stehe daher der begehrten Auskunft entgegen. Überdies würde die beantragte Auskunft zu einer "privaten", durch keine gesetzliche Anordnung gedeckte Kontrolle über die Kontrolltätigkeit der staatlichen Untersuchungsanstalten führen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 1 Abs. 1 Auskunftspflichtgesetz haben die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht. Als gesetzliche Verschwiegenheitspflicht kommt insbesondere die in Art. 20 Abs. 3 B-VG normierte Amtsverschwiegenheit in Betracht. Demnach sind alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist.

Die um Auskunft ersuchte Behörde hat zu beurteilen, ob und inwieweit dem Auskunftsbegehren die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit entgegensteht. Sie hat somit im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG die Interessen der Gebietskörperschaft und der Parteien zu beurteilen. Der Begriff "Parteien" in Art. 20 Abs. 3 B-VG ist im weitesten Sinn zu verstehen und umfaßt alle Personen, die aus irgendeinem Anlaß mit Behörden in Berührung kommen. Als Partei im Sinne der zitierten Verfassungsvorschrift, auf deren Interesse bei der vorzunehmenden Interessenabwägung Bedacht zu nehmen ist, ist somit auch ein vom Auskunftswerber verschiedener Dritter, der vom Auskunftsverlangen betroffen ist, anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1995, Zl. 93/10/0009, und die hier zitierte Vorjudikatur).

Die Beschwerdeführerin wendet gegen die Beurteilung ihres Auskunftsinteresses durch die belangte Behörde ein, ihr Interesse sei zu Unrecht verneint worden. Nach dem von der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 1 LMG 1975 zu erlassenden Revisions- und Probenplan sei jedes Unternehmen jeder Branche jedenfalls einer bestimmten Anzahl amtlicher Proben zu unterziehen. Auf deren Vornahme bestehe ein verfassungsgesetzlich gewährleisteter und strafrechtlich sanktionierter Anspruch. Die in der gemäß § 36 Abs. 3 LMG 1975 eingerichteten Dokumentations- und Informationsstelle geführte Probenevidenz solle nach den Gesetzesmaterialien allen beteiligten Verkehrskreisen zur Verfügung stehen, soweit nicht berechtigte öffentliche oder schutzwürdige private Interessen entgegenstehen. Das Auskunftsinteresse der Beschwerdeführerin sei daher, wie sich aus dem Wort "Informationsstelle" ergebe, im Gesetz begründet.

Mit dieser Argumentation ist für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen. § 36 LMG 1975 normiert zwar in seinem Abs. 1 die Verpflichtung der belangten Behörde, unter dem Gesichtspunkt einer zweckmäßigen und wirksamen Kontrolle jeweils für das folgende Kalenderjahr Richtlinien über die Vollziehung der Überwachung des Verkehrs mit den durch dieses Bundesgesetz erfaßten Waren (Revisions- und Probenplan) zu erlassen und in seinem Abs. 3, zur Rationalisierung der Überwachung des Verkehrs mit den durch dieses Bundesgesetz erfaßten Waren eine Dokumentations- und Informationsstelle einzurichten, die unter anderem eine Probenevidenz zu führen hat. Diesen Bestimmungen ist allerdings weder ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Erfüllung des Revisions- und Probenplans durch die Behörde zu entnehmen, noch ein Anspruch auf Mitteilung der im Zusammenhang mit der in Rede stehenden Überwachung erfaßten Daten. Vielmehr gilt in diesem Zusammenhang - wie die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien selbst darlegt - die auch im allgemeinen bestehende Auskunftspflicht (Art. 20 Abs. 4 B-VG), die ihre Grenze an gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten findet.

Treffen die genannten Bestimmungen ihrem normativen Gehalt nach aber keine Regelung, die eine entsprechende Auskunft zur Voraussetzung hätte oder eine solche gebieten würde, so kann ihnen auch in Ansehung der Berechtigung des Interesses der Beschwerdeführerin an der Mitteilung der von ihr angefragten Daten nichts entnommen werden. Es ist daher die Auffassung der Beschwerdeführerin, ihr Interesse an der begehrten Auskunft sei in § 36 LMG 1975 begründet, unzutreffend.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, es könne an nicht rechtswidrigem Verhalten von vornherein kein Geheimhaltungsinteresse bestehen. Die bloße Befassung einer Lebensmitteluntersuchungsanstalt - Untersuchungsergebnisse seien vom Auskunftsbegehren ausdrücklich ausgenommen worden - könne denkunmöglich Anlaß zu irgendwelchen (berechtigten) "Vermutungen" geben. Das Geheimhaltungsinteresse sei an der Tatsache einer Auskunft zu messen und nicht an der Besorgnis deren allfälligen Mißbrauchs. Dem Auskunftsinteresse der Beschwerdeführerin stehe daher nicht nur kein überwiegendes, sondern überhaupt kein Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen gegenüber.

Dieser Auffassung der Beschwerdeführerin ist entgegenzuhalten, daß eine Mitteilung über die Häufigkeit amtlicher Untersuchungen eines bestimmten Produkts den Eindruck entstehen lassen kann, die Untersuchungen seien in der vorgenommenen Anzahl erforderlich (gewesen), um die ordnungsgemäße Beschaffenheit des Produkts zu gewährleisten. Eine derartige Mitteilung ist daher für sich geeignet, Zweifel an der ordnungsgemäßen Beschaffenheit des Produkts zu wecken, mögen diese in der Sache berechtigt sein oder nicht. Insoweit besteht ein auf die Verhinderung des Entstehens solcher Zweifel gerichtetes, somit im Sinne des § 1 Abs. 1 DSG schutzwürdiges Interesse des Betroffenen auf Geheimhaltung dieser Daten.

Dieses Geheimhaltungsinteresse hat die belangte Behörde zu Recht als "überwiegend" im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG bewertet, weil dem von der Beschwerdeführerin behaupteten Auskunftsinteresse - wie dargelegt - die Berechtigung mangelt. Ob auch die weiteren von der belangten Behörde zur Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogenen Argumente im Stande sind, die Verweigerung der begehrten Auskunft zu tragen, kann bei diesem Ergebnis freilich dahinstehen.

Soweit die Beschwerdeführerin aber unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften noch vorbringt, die belangte Behörde habe die Interessenabwägung ohne jedes Ermittlungsverfahren getroffen, hat sie es unterlassen, die Wesentlichkeit eines der belangten Behörde allenfalls unterlaufenen Verfahrensverstoßes im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG darzutun.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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