VwGH 97/07/0168

VwGH97/07/016826.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde der A GmbH in A, vertreten durch Dr. Konrad Ferner, Dr. Walter Wienerroither und Dr. Robert Krivanec, Rechtsanwälte in Salzburg, Hellbrunnerstraße 7a, gegen den Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie vom 26. Juni 1997, Zl. 31 3525/13-III/1/97-Eb, betreffend abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Stadt L, vertreten durch den Bürgermeister in L, H-Straße 1-5), zu Recht erkannt:

Normen

AktG §226 Abs4;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
GmbHG §96;
VwRallg;
AktG §226 Abs4;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
GmbHG §96;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.030,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 2. Juli 1993 erteilte der Landeshauptmann von Oberösterreich (LH) der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin über deren Antrag gemäß § 15 Abs. 1 AWG die Erlaubnis zum Sammeln und Behandeln von gefährlichen Abfällen und Altölen (Spruchpunkt I), und erteilte ihr weiters mit Spruchpunkt V desselben Bescheides die Erlaubnis zur thermischen Behandlung aller unter Spruchpunkt I angeführten gefährlichen Abfälle und Altöle mittels näher genannter mobiler Anlagen, wobei er als Rechtsgrundlage dieses Abspruches die Bestimmung des § 15 Abs. 4 AWG anführte.

Mit Anbringen vom 24. September 1993 stellte die dem zur Erlassung des Bescheides des LH vom 2. Juli 1993 führenden Verfahren nicht beigezogene mitbeteiligte Partei des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (MP) den Antrag, ihr den Bescheid des LH vom 2. Juli 1993 zuzustellen.

Diesem Zustellantrag gab der LH mit Bescheid vom 29. September 1993 mit der Begründung keine Folge, daß der MP im betroffenen Verfahren Parteistellung nicht zukomme. Eine von der MP gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. Februar 1994 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die MP Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, welcher mit seinem Erkenntnis vom 27. Mai 1997, 94/05/0092, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob. Die vom LH in Spruchpunkt V seines Bescheides vom 2. Juli 1993 erteilte Bewilligung habe eine solche zur Errichtung von Anlagen zum Inhalt gehabt, führte der Gerichtshof im genannten Erkenntnis aus. Wenn als Rechtsgrundlage im Bewilligungsbescheid § 15 Abs. 4 AWG anstelle des § 29 AWG angeführt worden sei, könne dies nur als im gegebenen Zusammenhang rechtlich unerhebliches Vergreifen im Ausdruck qualifiziert werden. Ausgehend von einer erteilten Anlagenbewilligung hätten die Behörden nicht ohne nähere Prüfung, ob die Voraussetzungen nach § 29 Abs. 5 Z. 3 und 5 AWG (nunmehr Z. 4 und 6 des § 29 Abs. 5 AWG in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 155/1994) auf Seiten der MP gegeben seien, über deren Antrag auf Bescheidzustellung entscheiden dürfen.

Mit dem nunmehr angefochtenen, als "(Ersatz-)Bescheid" überschriebenen Bescheid traf die belangte Behörde folgenden Abspruch:

"(Die belangte Behörde) gibt der Berufung (der MP) vom 24. September 1993 statt.

Der Spruchpunkt V des Bescheides des (LH) vom 2. Juli 1993 wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG zur Gänze behoben."

Begründet wurde der angefochtene Bescheid ausschließlich mit der Wiedergabe der wesentlichen Ausführungen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1997, 94/05/0092.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung begehrt, sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf als verletzt anzusehen, daß eine bescheidmäßig erteilte Bewilligung nicht ohne Vorliegen der gesetzmäßigen Voraussetzungen aufgehoben wird.

Die belangte Behörde hat die Akten ihres Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift, ebenso wie die MP, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin hat im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bekanntgegeben, daß ihre Rechtsvorgängerin, welche noch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hatte, mit ihr als übernehmender Gesellschafterin verschmolzen worden sei, und hiezu einen Auszug aus dem Firmenbuch des Landesgerichtes Klagenfurt vorgelegt, aus welchem sich der von der Beschwerdeführerin dargestellte Verschmelzungsvorgang und dessen Eintragung im Firmenbuch des Landesgerichtes Klagenfurt am 15. November 1997 ergibt. Die Beschwerdeführerin hat im Zusammenhang damit ergänzend vorgetragen, daß die Entscheidung des Gerichtshofes über die Wirkung der Verschmelzung der Gesellschaften auf den dem Verfahren zugrundeliegenden Bescheid des LH vom 2. Juli 1993 auch Aussagekraft darüber haben müsse, ob dem betroffenen Bescheid des LH dingliche Wirkung zukomme, was im Ergebnis bedeuten würde, daß es ein von den Regelungen des § 29 AWG unabhängiges Verfahren zur Genehmigung "mobiler Anlagen" gebe, womit den Bedürfnissen der Praxis entgegengekommen würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Rücksicht auf das zuletzt dargestellte Vorbringen der Beschwerdeführerin ist zunächst folgendes klarzustellen:

Die gemäß § 96 GmbHG nach dem Regime der §§ 219 bis 233 des Aktiengesetzes 1965 zu beurteilende Verschmelzung jener Gesellschaft m.b.H., an die der hier angefochtene Bescheid ergangen ist und die gegen diesen Bescheid auch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hat, mit der nunmehr vom Gerichtshof als Beschwerdeführerin angesehenen Gesellschaft m. b.H. bewirkte gemäß § 226 Abs. 4 Aktiengesetz 1965 in Verbindung mit § 96 GmbHG die Universalsukzession mit dem - nach der Beschwerdeerhebung gelegenen - Tage der Eintragung der Fusion in das Firmenbuch. Weshalb die durch gesellschaftsrechtliche Vorschriften bewirkte Universalsukzession einer Gesellschaft nach der anderen Gesellschaft nicht auch nach Verwaltungsrecht verliehene Berechtigungen erfassen sollte, ist nicht zu erkennen. Der in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur entwickelte Grundsatz, daß bei "persönlichen" Verwaltungssachen eine Rechtsnachfolge im allgemeinen nicht, sondern nur in solchen Fällen in Betracht komme, in denen die zu erlassenden Bescheide "dingliche Wirkung" haben, läßt sich auf den Fall der gesellschaftsrechtlich bewirkten Universalsukzession nicht anwenden. Gesellschaftsrechtliche Universalsukzession erfaßt auch verwaltungsrechtlich verliehene Berechtigungen und führt zur Rechtsnachfolge der Nachfolgegesellschaft in die Parteistellung der Vorgängergesellschaft, ohne daß es auf eine mit Grund und Boden verknüpfte Dinglichkeit des in der betroffenen Verwaltungsangelegenheit zu erlassenden oder erlassenen Bescheides ankäme. Der Verwaltungsgerichtshof hat die ihm mitgeteilte und durch Vorlage des Firmenbuchauszuges unter Beweis gestellte Fusion der die Beschwerde erhebenden Gesellschaft m.b.H. mit der nunmehr als Beschwerdeführerin zu bezeichnenden Gesellschaft m.b.H. zur Kenntnis und gemäß § 8 AVG in Verbindung mit § 62 Abs. 1 VwGG die durch diese Fusion bewirkte Gesamtrechtsnachfolge der neuen Gesellschaft zum Anlaß genommen, sie als vor dem Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführende Partei zu benennen. Schlußfolgerungen auf eine Dinglichkeit der mit Spruchpunkt V des Bescheides des LH vom 2. Juli 1993 verliehenen Berechtigung lassen sich hieraus in keiner Weise ziehen.

In der Sache selbst liegt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides offen zu Tage. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, hatte der dem hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1997, 94/05/0092, im Sinne des § 63 Abs. 1 VwGG gerecht werdende Ersatzbescheid ausschließlich in der ersatzlosen Behebung des vor der belangten Behörde allein bekämpft gewesenen Bescheides des LH vom 29. Dezember 1993 zu bestehen, mit dem der LH dem von der MP mit ihrem Anbringen vom 24. September 1993 gestellten Antrag auf Zustellung des Bescheides des LH vom 2. Juli 1993 keine Folge gegeben hatte. Nur der LH konnte eine Zustellung des von ihm erlassenen Bescheides vom 2. Juli 1993 in Stattgebung des von der MP gestellten Antrages verfügen; in der dem LH obliegenden Entscheidung über den Zustellantrag der MP hatte der LH dabei die im Erkenntnis vom 27. Mai 1997, 94/05/0092, vom Verwaltungsgerichtshof ausgedrückte Rechtsanschauung zu beachten. Eine Entscheidung der belangten Behörde über Spruchpunkt V des Bescheides des LH vom 2. Juli 1993 konnte erst dann anstehen, wenn gegen diesen Abspruch des LH eine Berufung von der MP erhoben war.

Ob das Anbringen der MP vom 24. September 1993, das nach dem im mehrfach genannten Erkenntnis vom 27. Mai 1997, 94/05/0092, wiedergegebenen Sachverhalt lediglich die Zustellung des Bescheides vom 2. Juli 1993 bezweckt hatte, seiner inhaltlichen Gestaltung nach (auch) als Berufung gegen diesen Bescheid zu werten gewesen wäre, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht überprüfen, weil die belangte Behörde ihm die Akten des erstinstanzlichen Verfahrens nicht vorgelegt hat, was gemäß § 38 Abs. 2 VwGG von vornherein zu Lasten der belangten Behörde wirken muß. Selbst wenn das Anbringen der MP aber in ihrer Eingabe vom 24. September 1993 sich auch als Berufung gegen den Bescheid des LH vom 2. Juli 1993 hätte verstehen lassen, wäre die belangte Behörde angesichts des Gegenstandes des zur Erlassung des mit dem hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1997 aufgehobenen Bescheides vom 18. Februar 1994 führenden Verfahrens ohne vorherige Behebung des in diesem Verfahren allein bekämpften Bescheides des LH vom 29. Dezember 1993 nicht berechtigt gewesen, über eine solche Berufung der MP gegen Spruchpunkt V des Bescheides des LH vom 2. Juli 1993 eine Entscheidung zu treffen. Ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen zum Fehlen der Voraussetzungen des § 68 AVG erübrigt sich schon deshalb, weil die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auf § 66 Abs. 4 AVG und nicht auf § 68 leg. cit. gestützt hat; dieser Umstand steht auch der von der belangten Behörde in der Gegenschrift versuchten Umdeutung des angefochtenen Bescheides in einen solchen nach § 66 Abs. 2 AVG entgegen. Auch ein solcher wäre im übrigen bei der gegebenen Verfahrenslage nicht zu erlassen gewesen.

Durch die Entscheidung über eine vor der belangten Behörde gar nicht anhängige Berufung durch Behebung des Abspruches eines vor der belangten Behörde gar nicht bekämpften Bescheides hat die belangte Behörde eine Zuständigkeit wahrgenommen, die ihr nach dem Gesetz nicht zukam (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 4. November 1983, Slg. N.F. Nr. 11.210/A, und vom 25. April 1996, 95/07/0216).

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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