VwGH 97/06/0094

VwGH97/06/009415.10.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde des P in C, vertreten durch D, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 27. Februar 1997, Zl. I-2-18/1996, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. D in B, vertreten durch H und F, Rechtsanwälte in B,

2. Landeshauptstadt Bregenz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 24. Mai 1996 suchte die erstmitbeteiligte Partei um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück 665/9, KG. B, beim Amt der Landeshauptstadt Bregenz an.

Am 26. Juni 1996 machte der Bürgermeister kund, dass über dieses Ansuchen am 25. Juli 1996, 15.00 Uhr, an Ort und Stelle die mündliche Verhandlung stattfinden werde. Diese Kundmachung wurde dem Beschwerdeführer laut, von diesem eigenhändig unterschriebenem, Rückschein am 4. Juli 1996 an seiner Adresse in C zugestellt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 1. August 1996 wurde der erstmitbeteiligten Partei gemäß § 31 und § 32 Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 39/1972, die Baubewilligung für die Errichtung des beantragten Einfamilienhauses nach Maßgabe des vorgelegten Projektes unter Auflagen erteilt. In der Begründung verwies der Bürgermeister unter anderem auf das anstandslose Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 1996.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 13. August 1996 zugestellt. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer mit Eingaben vom 13. August 1996, 18. August 1996 und 21. August 1996 Berufung ein und machte geltend, dass Bauten mit Grenzabständen von nur 4 m nicht möglich seien und des weiteren die Schräglage des geplanten Gebäudes im Kontrast zur Ausrichtung der Bauten in der Umgebung stehe.

Die Berufung wurde mit Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Bregenz vom 25. September 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Gemeindegesetz, LGBl. Nr. 40/1985, mit der Begründung abgewiesen, dass aufgrund der rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Zustellung der Kundmachung sowie der Ladung zur Bauverhandlung am 25. Juli 1996 und dem Nichtvorbringen von Einwendungen bis spätestens in dieser mündlichen Verhandlung durch den Beschwerdeführer die Einwendungen des Beschwerdeführers als präkludiert anzusehen seien.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 10. Oktober 1996 Vorstellung, die mit Schreiben vom 24. Oktober 1996 ergänzt wurde. Der Beschwerdeführer brachte im wesentlichen vor, dass er an einer krankheitshalber beschränkten Reaktionsfähigkeit und einer physischen und seelischen Behinderung leide und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die Kundmachung vom 26. Juni 1996 zur Kenntnis zu nehmen. Aufgrund seiner Krankheit habe er erst Ende August 1996 auf den Bescheid des Amtes der Landeshauptstadt Bregenz reagieren können.

In der Eingabe vom 24. Oktober 1996 brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, dass der Bau der erstmitbeteiligten Partei derart groß und massiv sei, dass er die gesamte Umgebung dominieren werde und nach Errichtung des geplanten Baues von dem Grundstück des Beschwerdeführers aus keinerlei Seesicht mehr möglich sein werde. Somit werde sein Grundstück entwertet und außerdem würde eine harmonische Gesamtüberbauung des übrig gebliebenen Areals unmöglich. Durch die Schräglage des Bauvorhabens würden sich auch keine Bewerber mehr für den Kauf des Grundstückes des Beschwerdeführers finden, welches sich dann "im Rücken" des Bauvorhabens befände.

Mit Bescheid vom 27. Februar 1997 hat die belangte Behörde der Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und in der Begründung im wesentlichen ausgeführt, dass die Kundmachung der Baubehörde bezüglich der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 1996 dem Beschwerdeführer rechtswirksam zugestellt worden sei und daher gemäß § 42 Abs. 1 AVG die in der Berufung vorgebrachten Einwendungen des Beschwerdeführers keine Berücksichtigung mehr zu finden hätten und daher der Beschwerdeführer durch den Berufungsbescheid vom 25. September 1996 nicht in seinen Rechten verletzt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Ebenso haben auch die mitbeteiligten Parteien Gegenschriften erstattet und in diesen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung seines Rechtes auf Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen durch den Bauwerber (die erstmitbeteiligte Partei) geltend; diese Einwendungen seien nicht, wie die Berufungsbehörde und auch die belangte Behörde annähmen, präkludiert, da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Zustellung der Kundmachung und Ladung zur mündlichen Verhandlung über das Bauansuchen der erstmitbeteiligten Partei am 25. Juli 1996 aufgrund schwerer Depressionen nicht geschäftsfähig gewesen sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck bringt (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg.10.317/A, oder das hg. Erkenntnis vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0204), ist allen österreichischen Bauordnungen gemeinsam, dass die Rechtsstellung des Nachbarn im baubehördlichen Bewilligungsverfahren beschränkt ist; der Nachbar hat nur dort ein durchsetzbares Mitspracherecht, wo seine durch baurechtliche Vorschriften geschützte Rechtssphäre bei Verwirklichung des Bauvorhabens beeinträchtigt werden könnte (Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, 36). Die Folge dieser beschränkten Parteistellung ist auch, dass die prozessualen Rechte des Nachbarn nicht weiter gehen können als seine materiellen Rechte; Mängel des Verfahrens können also nur dann zu einer Rechtsverletzung führen, wenn bei Nichteinhaltung der Verfahrensvorschriften der Nachbar in seinem Recht verletzt sein könnte (Hauer, aaO 96).

Gemäß § 42 Abs. 1 Z. 3 lit. c VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, wenn die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Derselbe Maßstab, wie er sich für die Wahrnehmung von Verfahrensmängeln durch den Verwaltungsgerichtshof ergibt, wird nach der hg. Rechtsprechung auch für die Wahrnehmung von Verfahrensmängeln durch die Vorstellungsbehörde angewendet (vgl. Berchtold, Gemeindeaufsicht, in Fröhler/Oberndorfer, Handbuch des Österreichischen Gemeinderechts, 3.14., S. 47, mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung oder die hg. Erkenntnisse vom 8. März 1991, Zl. 90/17/0503, vom 9. Juni 1994, Zl. 93/06/0174, oder vom 23. November 1995, Zl. 95/06/0131). Bei der Entscheidung über die Vorstellung gemäß § 83 Abs. 7 Vorarlberger Gemeindegesetz, LGBl. Nr. 40/1985, demzufolge die Aufsichtsbehörde den Bescheid aufzuheben hat, wenn Rechte des Einschreiters verletzt werden, hatte die belangte Behörde daher nach diesen Grundsätzen vorzugehen.

Im Beschwerdefall bedeutet dies, dass der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Mangel hinsichtlich der Ladung zur mündlichen Verhandlung von der belangte Behörde zum Anlass der Aufhebung des bei ihr angefochtenen Gemeindebescheides genommen hätte werden müssen, wenn die Gemeindebehörde bei Vermeidung des allfälligen Verfahrensmangels (Nichtfeststellung der Geschäftsfähigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung) zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Dies ist jedoch im Hinblick auf die folgenden Überlegungen nicht der Fall.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung als Verletzung seiner subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte geltend gemacht, dass " auch in Österreich Bauten mit Grenzabständen von nur 4 m nicht möglich sind", führt jedoch dieses Vorbringen weder in der Berufung noch in der Beschwerde näher aus.

Gemäß § 6 Abs. 2 Vlbg. Baugesetz muß die vom Bauwerber einzuhaltende Abstandsfläche so tief sein, wie 6/10 des Abstandes zwischen der Außenwand und dem Schattenpunkt, der sich auf einer in Höhe des jeweiligen Fußpunktes der Außenwand gelegten Waagrechten ergibt, wenn über das Gebäude Licht unter einem Winkel von 45 Grad einfällt. Untergeordnete Bauteile, wie Kamine und dergleichen sowie die in § 7 genannten Vorsprünge und Vorbauten sind bis zu dem dort genannten Ausmaß bei der Ermittlung der Schattenpunkte nicht zu berücksichtigen. Bei einer Dachneigung bis 45 Grad und bei Dachvorsprüngen bis 1,30 m beträgt die Tiefe der Abstandsfläche 6/10 daher der Höhe der Fassade, gemessen vom Fußpunkt bis zum Schnittpunkt mit der Dachhaut.

Der der Grundstücksgrenze des Beschwerdeführers zugewandte Bauteil weist eine Giebelseite, die der Grundstücksgrenze zugekehrt ist, auf. Aus dem Schnitt C-C, enthalten in dem baubehördlich bewilligten Bauplan Nr. 05/100 vom 3. April 1996, ergibt sich für die im Eckpunkt des dem Beschwerdeführer zugewandten Gebäudeteiles relevante Höhe eine Höhe von 6,66 m und somit gemäß § 6 Abs. 2 Vorarlberger Baugesetz eine Mindestabstandsfläche von 3,99 m, wobei diese Höhen vom projektierten Fußboden des Gebäudes ausgehend berechnet sind, da es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Berechnung der Abstandsflächen vom projektierten Gelände auszugehen ist und der Fußboden an der hier interessierenden Stelle niveaugleich mit dem Gebäude geplant ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 1996, Zl. 96/06/0198, oder vom 20. Februar 1997, Zl. 93/06/0100; im Hinblick auf den Umstand, dass nach den mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Plänen (06/100 und 07/100) das vor der Bauführung gegebene Gelände, welches in Richtung des Grundstücks des Beschwerdeführers leicht ansteigt, höher verlief als das projektierte Gelände - im Plan ist das Niveau des Erdgeschoß-Fußbodens mit -0,39 angegeben, wobei nicht eindeutig ersichtlich ist, ob sich diese Angabe auf das an dieser Stelle ursprünglich gegebene Geländeniveau bezieht -, würde sich der erforderliche Seitenabstand im Beschwerdefall noch entsprechend verringern, würde die Höhe des Gebäudes vom ursprünglichen Gelände aus berechnet, da im Beschwerdefall im Gegensatz zu den in den genannten Vorerkenntnissen an der hier maßgeblichen Gebäudefront es sich nicht um eine Aufschüttung, sondern um eine Abgrabung gegenüber dem ursprünglichen Gelände handelt). Damit ergibt sich, dass der vom Beschwerdeführer gerügte Abstand mit dem Gesetz in Einklang steht. Dass die nach der erteilten Baubewilligung sich an der dem Beschwerdeführer zugekehrten Giebelseite des seinem Grundstück zunächstliegenden Gebäudeteiles ergebenden Abstände sonst nicht dem Gesetz entsprächen, hat auch der Beschwerdeführer nicht vorgebracht.

Das Beschwerdevorbringen ist daher nicht geeignet, die Wesentlichkeit eines allfälligen Verfahrensmangels aufzuzeigen.

Es kann somit entsprechend der obgenannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahingestellt bleiben, ob die vom Beschwerdeführer behauptete Geschäftsunfähigkeit seinerseits im Zeitpunkt der Zustellung der Kundmachung und Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 1996 und die daraus unter Umständen resultierende Verletzung von Verfahrensvorschriften wegen Nichtbeachtung der möglichen Geschäftsunfähigkeit des Beschwerdeführers im Ermittlungsverfahren der Berufungsbehörde und auch der belangte Behörde vorlag oder nicht. Es ist deshalb auch nicht näher auf das - an sich durch den im Akt erliegenden, vom Beschwerdeführer unterschriebenen Rückschein widerlegte - Beschwerdevorbringen hinsichtlich der angeblichen Übernahme der Ladung durch den Sohn des Beschwerdeführers einzugehen. Aufgrund der Tatsache, dass das Schreiben vom Beschwerdeführer übernommen wurde, ist auch die in der Beschwerde angesprochene Problematik, dass der Sohn des Beschwerdeführers nicht bevollmächtigt gewesen sei, nicht von Relevanz.

Der Beschwerdeführer zieht des weiteren die Gesetzmäßigkeit der Kundmachung vom 26. Juni 1996 über die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 1996 in Zweifel und bringt vor, dass diese vom Bürgermeister der zweitmitbeteiligen Partei nicht selbst unterfertigt worden sei und sich neben dem Vermerk "gez. Dipl. Vw. G eh." auch keine Beglaubigung der Kanzlei finde.

Dem ist entgegenzuhalten, dass auch insofern in der Beschwerde die Relevanz eines allfälligen Verstoßes gegen § 18 Abs. 4 AVG nicht dargetan wird. Auch dieser Verfahrensmangel könnte im Beschwerdefall nur im Hinblick auf eine Verletzung des Rechts auf Einhaltung des Seitenabstandes von Bedeutung sein. Da eine solche Verletzung, wie oben dargelegt, nicht vorliegt, ist auch insoweit schon die Voraussetzung, dass die Gemeindebehörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, nicht gegeben.

Da somit die belangte Behörde zu Recht die Vorstellung abgewiesen hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. Oktober 1998

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