VwGH 97/05/0329

VwGH97/05/032920.1.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Mustafa Asik in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Erhard Buder und Dr. Gabriele Buder-Steinhoff, Rechtsanwälte in Wien VIII, Lerchenfelderstraße 94, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 14. Oktober 1997, Zl. MD-VfR - B XII - 8/97, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Berufungsfrist in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und dem ihr beigelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Dem Beschwerdeführer wurden mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37/12, vom 18. Oktober 1996 Bauaufträge gemäß § 129 Abs. 2, 4 und 10 der Bauordung für Wien hinsichtlich eines in seinem Eigentum stehenden Hauses erteilt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdevertreter am Freitag, dem 6. Dezember 1996 zugestellt. Nach dem Beschwerdevorbringen habe die Kanzlei des Beschwerdevertreters dieses Schriftstück mit dem Eingangsstempel versehen und mit 20. Dezember 1996 im Fristenbuch als letzten Tag der Berufungsfrist kalendiert. In der Folge sei dieses Schriftstück am Montag, dem 9. Dezember 1996, an die zuständige Sachbearbeiterin, Rechtsanwaltsanwärterin Mag. B. R-M, die generell für die Causen des Beschwerdeführers zuständig sei, zur Bearbeitung weitergeleitet worden. Grundsätzlich würden den zuständigen Sachbearbeitern alle in ihren Causen einlangenden Schriftstücke ohne Verzug am selben Tag vorgelegt, sodaß stets mit der Vorlage für den Sachbearbeiter zusätzlich - neben der Fristenbucheintragung und Eingangsstempelmarkierung - offensichtlich ein allfälliger Fristenlauf beginne.

Die Frist für die Einbringung der Berufung habe nach der Fristenbucheintragung am Freitag, dem 20. Dezember 1996, geendet. Der Akt sei unter Hinweis auf den Fristablauf am 20. Dezember 1996 zur Bearbeitung vorgelegt worden. Von der zuständigen Sachbearbeiterin sei die Erledigung zugesagt worden. Tatsächlich sei die Berufung aber erst am Montag, dem 23. Dezember 1996, abgefertigt worden, wobei anläßlich der Korrektur die Verspätung bemerkt worden und unverzüglich ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Verbindung mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in Verbindung mit der Berufung gegen den Bescheid vom 18. Oktober 1996 gestellt worden sei. Im Antrag auf Wiedereinsetzung sei geltend gemacht worden, daß der am 6. Dezember 1996 in der Rechtsanwaltskanzlei eingegangene Bescheid mit 20. Dezember 1996 als letzter Tag der Berufungsfrist kalendiert worden sei. Da Mag. R-M dieses Schriftstück aber erst am Montag, dem 9. Dezember 1996, direkt aus der Postmappe vorgelegt worden sei, sei diese davon ausgegangen, daß der Bescheid das Zustelldatum 9. Dezember 1996 habe und habe sie das Fristende auf den zwei Wochen später folgenden Montag, den 23. September 1996, festgesetzt. Darüber hinaus sei vorgebracht worden, daß die Rechtsanwaltsanwärterin bereits seit zumindest 18 Monaten als Konzipientin in der Kanzlei der Beschwerdevertreter als sehr verläßliche und gewissenhafte Mitarbeiterin arbeite.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37/12, vom 13. Mai 1997 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung und der gleichzeitig eingebrachte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 14. Oktober 1997 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Zunächst ist zu einem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen grundsätzlich auszuführen, daß bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist das Verschulden des Parteienvertreters die Partei trifft und das Versehen einer Kanzleiangestellten für einen Rechtsanwalt (und damit für die von ihm vertretene Partei) nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ist, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber der Kanzleiangestellten nachgekommen ist. Der Rechtsanwalt muß gegenüber seiner Kanzlei als seinem Hilfsapparat, dessen er sich bei Wahrnehmung der ihm durch Bevollmächtigungsvertrag übertragenen Aufgaben bedient, alle Vorsorgen treffen, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Ein Rechtsanwalt verstößt dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, S. 676, zu 37 und 38 zitierte hg. Judikatur). Daß er ein besonderes Kontrollsystem vorgesehen habe, das im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumungen auszuschließen geeignet sei und daß er auf das Vorliegen dieses Kontrollsystems im Verwaltungsverfahren hingewiesen hätte, hat der Beschwerdevertreter auch in der Beschwerde nicht behauptet (z.B. Kontrolle der Austragung im Fristenbuch). Wegen des Fehlens der Angaben hinsichtlich eines Kontrollsystemes war das Versehen der Sachbearbeiterin (Rechtsanwaltsanwärterin) dem Rechtsanwalt selbst (und damit der vertretenen Partei) zuzurechnen.

Wenn nun tatsächlich der Akt unter Hinweis auf den Fristenablauf am 20. Dezember 1996 am selben Tag zur Bearbeitung vorgelegt und von der zuständigen Sachbearbeiterin auch die Erledigung zugesagt wurde, so ist in dem Umstand, daß die Berufung dennoch erst am Montag, dem 23. Dezember 1997, aus dem Grund abgefertigt wurde, weil die Sachbearbeiterin von der ihr selbst vorgenommenen Fristberechnung ausgegangen ist, kein minderer Grad des Versehens zu erblicken, der als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen ist. Die Vorgangsweise, daß jemand trotz Hinweises auf den Fristablauf am 20. Dezember 1996 und trotz zugesagter Erledigung diese Erledigung dann erst am nächsten Montag aufgrund eines selbst vorgenommenen Fristvormerkes durchführte, ist vielmehr als auffallend sorglos zu qualifizieren; dies auch deshalb, weil offensichtlich auch nicht hinterfragt wurde, weshalb im Fristenbuch das Fristende mit 20. Dezember 1996 vorgemerkt wurde, obwohl auch das Schriftstück selbst nach dem Beschwerdevorbringen einen Eingangsstempel mit 6. Dezember 1996 aufwies. Es wurde damit ein Verhalten an den Tag gelegt, durch welches die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und dem Bearbeiter nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen wurde (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., S. 674, unter E 19 zitierte hg. Judikatur).

Da somit bereits aus dem Beschwerdevorbringen erkennbar ist, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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