VwGH 96/20/0925

VwGH96/20/092519.2.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des M H in Wien, vertreten durch DDr. Peter Stern, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilerstätte 22, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. November 1996, Zl. 4.328.607/12-III/13/96, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1 impl;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1 impl;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bangladesch. Er reiste am 28. Oktober 1991 (unrechtmäßig) in das österreichische Bundesgebiet ein und beantragte am 31. Oktober 1991 die Gewährung von Asyl. Anläßlich seiner am 11. Februar 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark erfolgten niederschriftlichen Befragung gab er zu seinen Fluchtgründen an, er sei seit etwa 1987 aktives Mitglied der "Jatya-Partei" in Bangladesch. Seit Februar 1991 sei jedoch die BNP an der Regierungsmacht. Deshalb fänden dauernd Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern dieser Parteien statt. Im April 1991 sei er bei einer Wahlveranstaltung seiner Partei gewesen, die in Feni stattgefunden habe. Bei dieser Veranstaltung seien Mitglieder der BNP erschienen und hätten die Veranstaltung gestört, die in der Folge in Gewalttätigkeiten ausgeartet sei. Dabei habe er einen Gegner, den er persönlich kenne, mit einem Knüppel schwer verletzt. Danach sei er von der Polizei gesucht worden. Einige Male seien Polizisten bei ihm zu Hause gewesen. Er habe sich bis zu seiner Ausreise aus Bangladesch bei Verwandten in Dhakar versteckt. Da er schon einen Reisepaß besessen habe, habe er auch ohne Probleme das Land verlassen können. Er habe befürchtet, wegen Körperverletzung in Haft genommen zu werden, weil der Gegner, den er verletzt habe, stationär im Krankenhaus habe aufgenommen werden müssen. Vor dieser Zeit sei er nie verfolgt oder in Haft genommen worden. Einziger Fluchtgrund sei es gewesen, der drohenden Haft aus dem Wege zu gehen. In seiner (gegen eine nicht als Bescheid zu qualifizierende Erledigung des Bundesasylamtes vom 1. Juli 1992 gerichtete und aus diesem Grunde zurückgewiesenen) Berufung vom 9. Juli 1992 ergänzte der Beschwerdeführer dieses Vorbringen dahingehend, er sei seit 1987 aktives Mitglied der Jatya-Partei in Bangladesch, einer Partei, deren politische Tätigkeit von der derzeitigen Regierungspartei BNP nicht akzeptiert werde. Aus diesem Grund habe er auch ständige Probleme mit der Polizei gehabt, die ihn immer wieder verfolgt und gesucht habe. Dieser "Berufung" legte der Beschwerdeführer die Kopie und die englische Übersetzung einer Mitgliedsbestätigung der Jatya-Partei, eines Anmesty International-Berichtes über Bangladesch, Stand März 1992, sowie einer gerichtlichen Anklageschrift bei.

Mit Bescheid vom 1. August 1994 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien den Asylantrag des Beschwerdeführers unter Zugrundelegung der Rechtslage nach dem Asylgesetz 1991 im wesentlichen mit der Begründung ab, die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände rechtfertigten weder ihrer Intensität noch ihrer Qualität nach die Zuerkennung von Asyl, die von ihm befürchtete Bestrafung wegen einer von ihm begangenen Körperverletzung könne nicht unter die Fluchtgründe der Genfer Konvention subsumiert werden.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung vom 16. August 1994 ergänzte der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe - mit der Bescheidbegründung korrespondierend - dahingehend, er selbst habe - wie er schon bei seiner Ersteinvernahme dargelegt habe - sich bei den Ausschreitungen lediglich mit einem Knüppel verteidigt. Dennoch seien im Zuge der Ausschreitungen Leute schwer verletzt worden. Aus der der Behörde bereits übermittelten Anklageschrift sei aber zu entnehmen, daß er zur Verhaftung ausgeschrieben worden sei, nicht nur wegen schwerer Körperverletzung, sondern auch wegen weiterer Delikte, wobei ihm (zu Unrecht) vorgehalten werde, er habe "auch Panik am Ort der Ereignissse" geschaffen, indem "Sie Bomben zur Explosion brachten und Schüsse abfeuerten". Es handle sich dabei um für politische Verfolgung in seinem Heimatland typische Anschuldigungen. Unter den politischen Gegegebenheiten in seinem Heimatland sei es ihm nicht zumutbar, vor ein Gericht zu treten, da es keine ordentliche und unabhängige Gerichtsbarkeit gebe und er demnach automatisch im Sinne der Anklage schuldig gesprochen werden würde. Auch in diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auf die bereits vorgelegte Kopie des Amnesty International-Berichtes.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 2. September 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und ausgesprochen, Österreich gewähre ihm kein Asyl.

Infolge der dagegen gerichteten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 28. November 1995, Zl. 94/20/0870-6, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, wobei ein Verweis auf die dortige Begründung im gegebenen Zusammmenhang ausreichend erscheint.

In weiteren, von der belangten Behörde angeordneten Vernehmungen durch Organe des Bundesasylamtes am 3. September 1996 und 21. Oktober 1996 ergänzte der Beschwerdeführer über diesbezügliche Vorhalte sein Vorbringen dahingehend, er befürchte auch im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland, daß die Polizei ihn auf Grund der erstatteten Anzeige als Angehörigen der Bangladesch Jatya Partei verhaften könnte. Daran ändere im wesentlichen auch nichts, daß seit den Wahlen im Juni 1996 nicht mehr die BNP, sondern die Awami-Liga die Regierung stelle, deren Führerin Sheikh Hasina mit Unterstützung der Jatya-Partei zur Ministerpräsidentin gewählt worden sei und daher davon ausgegangen werden müsse, daß Mitgliedern dieser Partei nunmehr dort keine Verfolgung mehr drohe und auch ausgeschlossen werden müsse, daß die Justiz ein Mitglied dieser Partei wegen seiner politischen Gesinnung verfolge und willkürlichen Anklagen Folge gebe, zumal auch der Justizminister von Sheikh Hasina bestellt worden sei. Der Beschwerdeführer betonte, die gegen ihn erhobene Anklage sei nach wie vor aufrecht. Dies wisse er, weil er ein paar Mal zu Hause angerufen habe und ihm dabei mitgeteilt worden sei, daß ihn die Polizei noch immer suche. Er habe seine Eltern zuletzt am 28. August 1996 angerufen. Dabei hätten seine Eltern ihm gesagt, daß die Polizei bei ihnen gewesen sei und ihnen mitgeteilt habe, daß sie selbst verhaftet werden würden, wenn man ihn (den Beschwerdeführer) nicht finden könne. Grund der Verhaftung sei (nach wie vor), daß er im Jahr 1991 bei einer Wahlveranstaltung einen Gegner mit einer Eisenstange verletzt habe. Über Vorhalt, daß eine drohende Inhaftierung wegen Körperverletzung keine Verfolgung nach dem AsylG darstelle, sondern die Suche nach ihm ausschließlich eine strafrechtliche Ursache habe, deretwegen er auch in Österreich verurteilt werden würde, gab der Beschwerdeführer zur Antwort:

"Ich hatte keine andere Wahl, ich mußte mich wehren, weil der Gegner mich bedroht hatte".

Über Vorhalt des Vernehmungsorgans, dies sei keine plausible Antwort auf die vorige Vorhaltung, erfolgte keine weitere Klarstellung, der Beschwerdeführer wiederholte lediglich, er könne immer nur wieder angeben, daß er sich habe schützen wollen. Über entsprechende Frage gab der Beschwerdeführer zudem bekannt, sein Reisepaß befinde sich zwecks Verlängerung derzeit bei der Botschaft von Bangladesch in Bonn. Er habe sich diesen Reisepaß im Jahr 1992 - genaueres Datum unbekannt - ausstellen lassen. Über Vorhalt seiner Behauptung anläßlich seiner Erstbefragung, er habe den Paß in Rumänien vernichtet, erklärte der Beschwerdeführer, sein Bruder habe ihm Kopien seines Reisepasses aus seiner Heimat schicken lassen. Er lebe in London und habe dies von dort aus veranlaßt. Mit diesen Kopien habe er dann in Bonn einen neuen Reisepaß beantragt und auch bekommen. Er habe diesen Reisepaß bis heute noch nicht zurückerhalten. Er habe ihn im Juli 1996 zwecks Verlängerung der Gültigkeitsdauer nach Bonn geschickt. Auf die Frage, warum er sich einen Reisepaß habe ausstellen lassen, antwortete der Beschwerdeführer, er habe das angeborene Recht auf Ausstellung eines Reisepasses (seines Heimatlandes, obwohl es in der Niederschrift über diese Befragung konsequent "bengalischer Reisepaß" lautet). Er habe diesen Reisepaß benötigt, "da die österreichischen Behörden immer einen Reisepaß verlangen. So zB bei der Post, um an mich geschicktes Geld abheben oder einen eingeschriebenen Brief ausgefolgt zu erhalten". Über Vorhalt, daß die Ausstellung bzw. Verlängerung eines nationalen Reisepasses ein Indiz für die sogenannte "Unterschutzstellung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention darstelle, antwortete der Beschwerdeführer, Bangladesch zähle 120 Millionen Einwohner. Das Zentralpaßausgabesystem sei nicht "computerisiert", daher lasse es sich nicht genau überprüfen, wenn ein Paßantragsteller mit dem Staat zu Hause Probleme habe. Es gebe Kommunikationsprobleme zwischen der Botschaft und dem Innenministerium zu Hause. Jedem "normalen Bürger" stehe ein Reisepaß zu. Dies habe mit seinen Problemen in der Heimat nichts zu tun, "weil ich kein Krimineller bin". Hätte er zu Hause ein Verbrechen begangen, hätte er keinen Anspruch auf einen Reisepaß. Er habe nur politische Probleme, die noch nicht entschieden seien. Solange diese Gerichtsentscheidung nicht gefallen sei, habe er einen Anspruch auf einen Reisepaß. Seine Staatsangehörigkeit lasse sich ja an Hand der Wahllisten überprüfen; außerdem habe er ja schon einen nationalen Reisepaß besessen. Der daran anschließenden Aufforderung des Vernehmungsorganes, den Unterschied zwischen rein strafrechtlicher Verfolgung und der vom Beschwerdeführer geltend gemachten politischen Verfolgung darzulegen, kam der Beschwerdeführer insoweit nach, als er (neuerlich) betonte, die Veranstaltung (anläßlich derer er eine Körperverletzung begangen haben soll), sei eine politische Veranstaltung gewesen, somit sei es auch eine politische (Verteidigungs)Handlung gewesen.

Die belangte Behörde wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. November 1996 die - im oben wiedergegebenen Sinne ergänzte - Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG (neuerlich) ab und sprach aus, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (gemeint: nach dem Asylgesetz BGBl. Nr. 126/1968, wie sich aus dem Zusammenhalt des Spruches mit dem Vorspruch ergibt). Nach Darstellung des Verfahrensganges und der von ihr in Anwendung gebrachten Rechtslage führte die belangte Behörde zunächst begründend folgendes aus:

"Seit den Wahlen im Juni 1996 stellt nicht mehr die BNP die Regierung sondern die Awami League. Deren Führerin Sheikh Hasina wurde mit Unterstützung der Jatya Party zur Ministerpräsidentin gewählt.

Es ist bei der nunmehrigen politischen Entwicklung in Ihrem Heimatstaat nicht davon auszugehen, daß einem Mitglied der Jatiya Party, die ja die Regierung unterstützt, Verfolgung droht. Insbesondere kann ausgeschlossen werden, daß die Justiz, - da auch der Justizminister von Sheikh Hasina bestellt wurde, die ihre Stellung mit der Jatiya Party verdankt - ein Mitglied dieser Partei wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt und willkürlichen Anklagen Folge gibt.

Es kann daher nicht mehr davon ausgegangen werden, daß Sie im Falle ihrer Rückkehr wegen Ihrer Parteizugehörigkeit einer im Sinne des Asylgesetzes 1991 relevanten Verfolgung ausgesetzt wären.

Diese notorische Tatsache wurde Ihnen am 03.09.1996 niederschriftlich zur Kenntnis gebracht und konnten Sie hiezu Stellung nehmen. Ihre Einwände vermochten aber nicht zu überzeugen und konnten die Annahme der erkennenden Behörde nicht entkräften.

Sie behaupten zwar, daß die damals gegen Sie erhobene Anzeige, einer telephonischen Mitteilung Ihrer Eltern zufolge, noch aufrecht sei, und die Polizei Sie noch immer suche, allerdings konnten Sie in Ihrer Stellungnahme keinerlei Anhaltspunkte dafür liefern, warum die seinerzeit geäußerten Befürchtungen - wie z.B. die automatische Verurteilung Ihrer Person aufgrund Ihrer Parteimitgliedschaft - noch immer Berechtigung haben sollten.

Denn daß, und gegebenenfalls warum Ihnen entgegen der Ansicht der Behörde auch unter den jetzigen politischen Gegebenheiten in Bangladesch kein faires und den rechtsstaatlichen Normen entsprechendes Gerichtsverfahren zuteil werden sollte, bzw. politische Motive ausschlaggebend für eine Verurteilung Ihrer Person sein könnten, haben Sie nicht dargetan.

Auch anläßlich Ihrer zweiten Einvernahme am 21.10.1996 gaben Sie lediglich an, daß Ihre politischen Probleme noch nicht entschieden seien bzw. noch keine Gerichtsentscheidung gefallen sei, daß eine allfällige Entscheidung (über Ihre zugegebenerweise tatsächlich begangene Tat) aus politischer Voreingenommenheit etwa zu Ihren Ungunsten fallen würde, haben Sie nicht behauptet. Sie haben somit dem Vorhalt der erkennenden Behörde, wonach eine politisch motivierte Verfolgung unter dem Aspekt der jetzigen politischen Verhältnisse in Ihrem Heimatland nicht mehr glaubhaft ist, nichts Relevantes entgegengesetzt."

Die hervorgekommene Ausstellung eines Reisepasses (bzw. dessen Gültigkeitsverlängerung) qualifizierte die belangte Behörde zunächst wie folgt:

"Daß offenbar auch die bangladeschischen Behörden Ihren Rechtsanspruch auf den Paß respektierten, zeigt die Ausstellung desselben und gestehen Sie somit durch Ihr Vorbringen ein, daß die Behörden Ihres Heimatlandes durchaus von einer auch in Ihrem Fall geltenden Unschuldsvermutung ausgingen, was natürlich ein weiteres Indiz dafür ist, daß man staatlicherseits keinerlei Willkür gegen Sie auszuüben beabsichtigt und Ihnen - wie bereits aufgrund der zuvor angesprochenen politischen Veränderungen anzunehmen ist - nach Ihrer Rückkehr in Ihr Heimatland ein rechtsstaatliches faires Verfahren gewährt würde, das nicht von politischen Interessen beeinflußt ist.

Aufgrund dieser Erwägungen ist davon auszugehen, daß Sie im Falle Ihrer Rückkehr Verfolgungen nicht aufgrund Ihrer Mitgliedschaft zur Jatiya-Party zu befürchten hätten und konnte Ihre Flüchtlingseigenschaft somit nicht festgestellt werden."

Die Tatsache der Ausstellung bzw. Gültigkeitsverlängerung des nationalen Reisepasses des Beschwerdeführers wertete die belangte Behörde darüber hinaus auch als Ausschlußgrund im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention mit dem Bemerken, an der eine Voraussetzung für die Heranziehung des Ausschlußtatbestandes bildenden Freiwilligkeit ändere auch die Behauptung nichts, die "österreichischen Behörden" hätten "immer einen Reisepaß" verlangt, und dem Hinweis, die Schwierigkeiten, die sich für den Beschwerdeführer aus dem Fehlen eines Ausweispapieres ergeben hätten, seien durch Umstände erwachsen, die er durch eigenes Handeln (nämlich durch Inanspruchnahme eines Schleppers) herbeigeführt hätte; im übrigen sei er ohnedies im Besitz einer Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird und über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Zur Frage des Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr:

Bereits in seinem den Beschwerdeführer betreffenden Vorerkenntnis vom 28. November 1995, Zl. 94/20/0870, hat der Verwaltungsgerichtshof in bezug auf den damals festgestellten Sachverhalt darauf hingewiesen, daß die Beurteilung der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Gefahr gegen ihn von seiten der staatlichen Behörden unternommener, ein mögliches Fehlverhalten im Zuge politischer Auseinandersetzungen in erhöhtem Maße kriminalisierender gerichtlicher Schritte nicht losgelöst von seiner politischen Gesinnung betrachtet und auch an das Verhalten staatlicher Behörden in Gebieten, in denen bürgerkriegsähnliche politische oder ethnisch-religiös bedingte Auseinandersetzungen im Gange seien, nicht ohne weiteres jener Maßstab angelegt werden könne, der für eine gefestigte, nicht durch innere Unruhen erschütterte Demokratie angebracht erscheine.

Die nunmehr festgestellte Änderung der Regierungszusammensetzung allein gibt darüber keine verläßliche Auskunft, was offensichtlich auch der belangten Behörde bereits klar war, verwendet sie doch selbst Formulierungen, die

gesicherte Feststellungen vermissen lassen ("... nicht davon auszugehen","...... kann ausgeschlossen werden ....."). Durch

die auch dem ergänzten Berufungsverfahren zu entnehmende, vom Beschwerdeführer aufrechterhaltene Behauptung, eine Verfolgung auf Grund der damaligen gewalttätigen Auseinandersetzungen sei nach wie vor zu befürchten, hat der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren Genüge getan. In diesem Punkt wird in der Beschwerde zu Recht geltend gemacht, der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt sei von seinem objektiven Gehalt her derart vereinfacht dargestellt, "daß er mit den tatsächlichen Gegebenheiten in Bangladesch, wie bereits oben gezeigt, nicht übereinstimmt; völlig zu Unrecht geht das Bundesasylamt und damit auch die belangte Behörde von geordneten demokratischen Verhältnissen in Bangladesch aus". Es wäre Sache der belangten Behörde gewesen, im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht Feststellungen über die tatsächlichen Verhältnisse im Heimatland des Beschwerdeführers zu treffen, so durch eine Anfrage an die österreichische Vertretungsbehörde im Heimatland des Beschwerdeführers darüber, ob dessen Vorbringen mit dem tatsächlichen Vorgehen der Behörden von Bangladesch übereinstimmen könne, insbesondere, ob die Justiz unter politischem Einfluß stehe, sodaß in politisch begründeten Fällen nicht mit einem fairen Verfahren zu rechnen sei, zumal der festgestellte Regierungswechsel erst wenige Monate vor Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgt ist und zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit Sicherheit gesagt werden konnte, daß dieser Regierungswechsel allein bereits ein faires Strafverfahren erwarten ließe. Weiters ist auch festzuhalten, daß sich die belangte Behörde mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden und den hiezu abgegebenen Erklärungen mit keinem Wort auseinandersetzt. Im übrigen erweist sich der Vorhalt der belangten Behörde (Seite 8 oben des angefochtenen Bescheides), er habe nicht behauptet, daß eine allfällige Gerichtsentscheidung über die von ihm begangene Körperverletzung aus politischer Voreingenommenheit zu seinen Ungunsten ausfallen würde, als aktenwidrig, hat er doch diese von ihm bereits im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung weder zurückgezogen, noch sonst in irgendeiner erkennbaren Weise relativiert.

Für die weitere tragende Annahme der belangten Behörde, mit der antragsgemäßen Ausstellung eines nationalen Reisepasses hätten die Behörden seines Heimatlandes zu erkennen gegeben, daß diesem in Bezug auf die Person des Beschwerdeführers eine Verfolgungsmotivation fehle, fehlt im Hinblick auf die Ergebnisse des ergänzten Berufungsverfahrens überhaupt jede Begründung. Es ist völlig unklar, warum ein (angeblich) bestehender und vom Heimatstaat anerkannter Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Passes - wie sie jedem Staatsangehörigen von Bangladesch nach Darstellung des Beschwerdeführers zusteht - ein Indiz auch für eine funktionsfähige, den rechtsstaatlichen Prinzipien verbundene Gerichtsbarkeit sein soll, weisen diese beiden Themenkreise doch keine zwingend erkennbaren Berührungspunkte auf. Geht die belangte Behörde in diesem Zusammenhang des weiteren davon aus, bei Ausstellung (bzw. Verlängerung) eines nationalen Reisepasses seien die Behörden des Heimatlandes des Beschwerdeführers von der "Unschuldsvermutung ausgegangen", so entbehrt eine derartige implizierte Feststellung einer aktenmäßigen Grundlage.

Insoweit die belangte Behörde den Ausschlußgrund des Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention als vorliegend erachtet, fehlt eine Auseinandersetzung mit der Behauptung des Beschwerdeführers, 1. die Verlängerung seines Reisepasses sei kein Indiz für eine Unterschutzstellung seinerseits bzw. das Aufhören der Verfolgungsmotivation durch den Verfolgerstaat und 2. die österreichischen Behörden hätten die Vorlage eines nationalen Reisepasses von ihm immer wieder verlangt, was seine Freiwilligkeit in Frage stelle (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/20/0628). In diesem Zusammenhang ist die belangte Behörde darauf hinzuweisen, daß eine Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung einem Identitätspapier nicht gleichzusetzen ist.

Aus den dargelegten Gründen leidet der angefochtene Bescheid an Feststellungs- und Begründungsmängeln, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer kann nicht zuerkannt werden, weil diese im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand bereits berücksichtigt ist. Barauslagen für Bundesstempelmarken gebühren nur in der gesetzlich erforderlichen Höhe (Beschwerde zweifach S 240,--; Bescheid einfach S 90,--).

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