VwGH 96/13/0211

VwGH96/13/021130.9.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der T GmbH in W, vertreten durch Briem, Dullinger und Kustor, Rechtsanwälte in Wien I, Rotenturmstraße 17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IIIA, vom 6. November 1996, GZ. GA 11-95/2178/12, betreffend Nichtfestsetzung von Umsatzsteuer für die Jahre 1992 und 1993, zu Recht erkannt:

Normen

61994CJ0110 Inzo VORAB;
BAO §4 Abs1;
EURallg;
UStG 1972 §2 Abs1;
UStG 1972 §20;
61994CJ0110 Inzo VORAB;
BAO §4 Abs1;
EURallg;
UStG 1972 §2 Abs1;
UStG 1972 §20;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 2. Dezember 1992 gegründet. Nach Punkt Drittens des Gesellschaftsvertrages ist Gegenstand des Unternehmens die Sammlung, Aufbereitung, Bearbeitung sowie Verarbeitung von Speiseresten und sonstigen biogenen Wertstoffen, insbesondere durch Gewinnung und Vertrieb von Trockenfutter, weiters der Handel mit Waren aller Art, die Ausübung der Handelsagentur, die Beteiligung an anderen Gesellschaften und Unternehmen und die Übernahme der Geschäftsführung derselben, und schließlich die Ausführung von Hilfs- und Zusatzgeschäften, die der Erreichung des Gesellschaftszweckes dienlich sind.

Nach einem ebenfalls am 2. Dezember 1992 zwischen den beiden Gesellschaftern der Beschwerdeführerin, der Ö GmbH und der Z GmbH, abgeschlossenen Syndikatsvertrag war es vereinbartes Ziel, im Rahmen der gesellschaftsvertraglichen Festlegung in B eine Anlage zu errichten und zu betreiben, mittels welcher aus gekochten Speiseresten und gegebenenfalls sonstigen biogenen Wertstoffen hochwertiges Trockenfutter gewonnen werden sollte. Diesbezüglich habe die Ö GmbH ein Verfahren zur Herstellung von Trockenfutter entwickelt, welches auf dem Prinzip indirekter Kontakttrocknung homogenisierter Speisereste durch einen Walzentrockner beruhe. Die Ö GmbH räume der Beschwerdeführerin eine nicht exklusive und auf den Standort B beschränkte Werknutzungsbewilligung gegen ein einmaliges Entgelt von S 1,000.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer ein.

Die Beschwerdeführerin beantragte gemäß § 21 Abs. 8 UStG 1972 die Regelbesteuerung und machte in den Umsatzsteuererklärungen Vorsteuerbeträge von S 215.000,-- und 1993 von S 402.216,47 geltend. Nach den Feststellungen des Finanzamtes betrafen die für 1992 geltend gemachten Vorsteuerbeträge Anwaltskosten sowie die genannte Werknutzungsbewilligung; die Vorsteuern für 1993 stammten aus "Leistungsverrechnungen" für "in Bau befindliche Anlagen", "Kostenersätzen" für die von den Gesellschaftern gestellten Geschäftsführer sowie aus Rechts- und Beratungskosten.

Auf einen entsprechenden Vorhalt des Finanzamtes wurde in einem Schreiben vom 30. Juni 1994 mitgeteilt, daß "derzeit" die Errichtung einer Anlage zur Erzeugung von Tierfutter geplant werde. Weiters werde die Logistik der "Speiseresteabholung" von den verschiedenen öffentlichen Stellen der Gemeinde Wien bzw. den Krankenanstalten aufgebaut. Mit der Produktion sei voraussichtlich im Frühjahr 1995 zu rechnen.

Das Finanzamt erließ hierauf Bescheide, mit denen die Umsatzsteuer für die Streitjahre nicht festgesetzt wurde. Das Finanzamt verneinte im Hinblick darauf, daß bis zum Jahre 1994 keine Umsätze erzielt wurden, die Unternehmereigenschaft der Beschwerdeführerin.

In der Berufung gegen diese Bescheide wurde die Auffassung vertreten, die Unternehmereigenschaft beziehe sich nicht nur auf einen unmittelbaren Umsatz.

Nach Erlassung einer die Berufung abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt. In diesem Antrag wurde ausgeführt, die geltend gemachten Vorsteuern stammten aus Aufwendungen im Zusammenhang mit der Planung der Errichtung einer Anlage zur Erzeugung von Tierfutter sowie aus Kosten im Zusammenhang mit dem Aufbau der Logistik der Speiseresteabholung. Die Beschwerdeführerin habe in den Monaten Mai bis November 1994 eine umsatzsteuerpflichtige Leistung erbracht, über die mit Rechnung vom 15. Dezember 1994 abgerechnet worden sei. Daß in den Jahren 1992 und 1993 nur Vorbereitungshandlungen gesetzt worden seien, sei damit erklärbar, daß bei einem Unternehmen, das sich "innovativer Technologie zur Erbringung von Dienstleistungen im Entsorgungs- und Recyclingbereich" bediene, umfangreiche Planungsarbeiten notwendig seien. Insbesondere bedürfe es einer ausreichenden Sicherung des Rohstoffbezuges, wozu umfangreiche Vorverhandlungen zum Abschluß langfristiger Bezugsverträge unbedingt erforderlich seien.

Über Aufforderung des Finanzamtes legte die Beschwerdeführerin am 1. Juni 1995 die genannte Rechnung vom 15. Dezember 1994 vor, worin an eine "Arge Vererdung L.F." für die "Betreuung der Kompostieranlage L.F." als Pauschalbetrag für die Monate Mai bis November ein Betrag von brutto S 497.700,-- in Rechnung gestellt wurde. Weiters wurde ein sogenannter Statusbericht vom 29. Mai 1995 vorgelegt, in dem wörtlich ausgeführt wurde:

"1) Zielsetzung (Beschwerdeführerin)

Die (Beschwerdeführerin) wurde 1992 mit der Grundidee Speisereste zu verwerten, Trockenfutter herzustellen und ein Patent zur verfahrensmäßigen Abwicklung zu entwickeln gegründet.

2) Gesellschaftsumstrukturierung

Aufgrund der schleppenden Unternehmensentwicklung wurden 1993 die Anteile der Ö an der (Beschwerdeführerin) an die Firmen P und R verkauft.

3) Entwicklung des Patentes

Im Zuge der verfahrensmäßigen Planung wurde 1994 das Patent fertigentwickelt. Die eingereichte Patentzusage liegt bei.

4) Marktsituation

Die (Beschwerdeführerin) besitzt eine Bau- und Genehmigungsbewilligung am Standort E.

Im Zuge der Akquisitionstätigkeit kam die Geschäftsführung jedoch zur Ansicht, daß es derzeit zu riskant sei öS 20 Mio in eine Anlage zu investieren, da die Speisereste nicht um den Preis zu bekommen sind, der zu einer profitablen Unternehmensführung nötig ist.

5) Kompostierversuche Vererdung L.F.

Um eine 'alternative' Lösung zu finden wurden Kompostierversuche am Standort Vererdung L.F. durchgeführt.

Ziel dieser Versuche sollte sein, daß das Projekt 'Vererdung L.F.' selbständig Speisereste akquiriert und zu einem wesentlich günstigeren Preis als die (Beschwerdeführerin) verarbeitet. Das Kompostierungs-'Know-How' wurde bei einem sechsmonatigem Versuch an die Vererdung L.F. weitergegeben.

6) Planung 1996

Derzeit wird versucht Kleinanlagen für die Speiserestetrocknung zu entwickeln und diese am deutschen Markt zu verkaufen. Die Geschäftsführung glaubt zwar immer noch, daß in Zukunft die Speiseresteproblematik und 'Entsorgung' ein Geschäft wird, aber in Österreich erst dann, wenn die Gesetze ratifiziert werden.

Daher wird auch 1995 und 1996 von der (Beschwerdeführerin) in Österreich kein Trockenfutter erzeugt.

Die (Beschwerdeführerin) wird aber versuchen sich als Planungsgesellschaft zu etablieren."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß die Beschwerdeführerin Vorbereitungshandlungen gesetzt habe, die grundsätzlich auch die Unternehmereigenschaft begründet hätten. Es könne nicht bestritten werden, daß es der Beschwerdeführerin mit ihrer Absicht, eine Trockenfuttergewinnungsanlage zu errichten, ernst gewesen sei und daß diese Absicht auch nach außen genügend in Erscheinung getreten sei. Die Beschwerdeführerin sei aber zu der Ansicht gelangt, es sei nicht profitabel, diese Anlage zu errichten. Es stelle sich daher die Frage, ob "erfolglose Vorbereitungshandlungen" zum Vorsteuerabzug berechtigen. Nach Literaturhinweisen verwies die belangte Behörde hiezu insbesondere auf das Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes vom 6. Mai 1993, BStBL 1993 II 564, wonach die Festsetzung von Umsatzsteuer mangels Unternehmereigenschaft abzulehnen sei, wenn es nicht oder nicht nachhaltig zur Ausführung von Leistungen gegen Entgelt komme und mit der Ausführung solcher Leistungen auch nicht mehr zu rechnen sei. Auch im Urteil vom 16. Dezember 1993, UR 1994, 270, habe der Bundesfinanzhof an diesen Grundsätzen festgehalten. Die von der Beschwerdeführerin 1994 ausgeführte Leistung habe nicht den ursprünglich von ihr geplanten Unternehmensbereich der Herstellung einer Trockengewinnungsanlage betroffen. Auf Grund der Tatsache, daß das ursprüngliche Vorhaben nicht mehr zu realisieren sei, habe die Beschwerdeführerin einen anderen Unternehmensbereich, nämlich die Vornahme von Kompostierungsversuchen, gewählt. Die Vorsteuern der Jahre 1992 und 1993 könnten mangels Verbindung mit dem Umsatz des Jahres 1994 nicht gewährt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es zur Begründung der Unternehmereigenschaft iSd § 2 Abs. 1 UStG nicht erforderlich, daß bereits tatsächlich Umsätze bewirkt werden, es genügt vielmehr ein Tätigwerden zum Zwecke des späteren Bewirkens von Umsätzen. Auch auf die tatsächliche Erzielung von Einnahmen kommt es dabei nicht an. Die Beantwortung der Frage, ab welchem Zeitpunkt Unternehmereigenschaft angenommen werden kann, hängt entscheidend davon ab, wann der Unternehmer die ersten nach außen gerichteten Anstalten zur Einnahmenerzielung trifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1981, Zlen. 1817, 1818/79, Slg. Nr. 5541/F, m.w.H. sowie das Erkenntnis vom 23. Juni 1992, Zl. 92/14/0037).

Die belangte Behörde hat auf Grund des von den Abgabenbehörden festgestellten Sachverhaltes den Schluß gezogen, daß die Beschwerdeführerin ernstlich die Absicht gehabt habe, eine Trockenfuttergewinnungsanlage zu errichten, und daß diese Absicht nach außen genügend in Erscheinung getreten sei. Sie vertritt jedoch die Rechtsauffassung, daß es in Fällen, in denen es entgegen der erklärten Absicht, unternehmerisch tätig zu werden, später zu keinem oder nicht nachhaltigen (entgeltlichen) Leistungen komme, die Berechtigung zum Vorsteuerabzug mit Wirkung ex tunc entfalle. Die belangte Behörde stützte diese Auffassung insbesondere auf die Rechtsmeinung des deutschen Bundesfinanzhofes im Urteil vom 6. Mai 1993, V R 45/88, BStBl II 564, wonach für die Prüfung der für den Vorsteuerabzug vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse auch die Verhältnisse vor und nach dem jeweiligen Besteuerungszeitraum einzubeziehen seien. Komme es bei dem "Unternehmer" nicht oder nicht nachhaltig zur Ausführung von Leistungen gegen Entgelt und sei mit der Ausführung solcher Leistungen auch nicht mehr zu rechnen, so sei mangels Unternehmereigenschaft die Festsetzung der Umsatzsteuer abzulehnen.

Dieser Auffassung kann der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen. Aus den Bestimmungen des § 20 UStG 1972 (Veranlagungszeitraum) in Verbindung mit § 4 Abs. 1 BAO folgt, daß durch eine Rückbeziehung von Sachverhalten auf frühere Zeiträume das bereits eingetretene Steuerschuldverhältnis nicht berührt werden kann (in diesem Sinne Stoll, BAO-Kommentar, 70). Hat jemand im Veranlagungszeitraum - wovon die belangte Behörde im Beschwerdefall ausgegangen ist - tatsächlich Anstalten zur Einnahmenerzielung getroffen, so ist er als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG 1972 anzusehen. Der dem entgegenstehenden Auffassung des deutschen Bundesfinanzhofes, auf die sich die belangte Behörde gestützt hat, ist demgegenüber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes - die für den vor dem Beitritt Österreichs verwirklichten Fall der Beschwerdeführerin keine unmittelbar anzuwendende Rechtsquelle darstellt - jedenfalls die Grundlage entzogen worden. So kann nach dem Urteil des EuGH vom 29. Februar 1996, C-110/94 , "Inzo", die Eigenschaft als Mehrwertsteuerpflichtiger nicht aberkannt werden, wenn - nach Vorliegen einer Rentabilitätsstudie - beschlossen wurde, nicht in die werbende Phase einzutreten und die Gesellschaft zu liquidieren, sodaß die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit nicht zu steuerbaren Umsätzen führte.

Da somit schon die den angefochtenen Bescheid tragende Rechtsauffassung unzutreffend ist, erübrigte sich eine Prüfung der Frage, ob die Folgerung der belangten Behörde, daß es sich im Beschwerdefall um "erfolglose Vorbereitungshandlungen" gehandelt habe, überhaupt schlüssig ist, zumal auch die ab 1994 begonnene Tätigkeit - wie von Anfang an beabsichtigt - die Entsorgung und Verwertung von Speiseresten betraf.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Nach dieser Verordnung beträgt der Schriftsatzaufwand (einschließlich Mehrwertsteuer) S 12.500,--.

Wien, am 30. September 1998

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