VwGH 96/01/0502

VwGH96/01/050222.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des Zecir Selimi, geboren am 17. Oktober 1969, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. April 1996, Zl. 4.333.973/6-III/13/96, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §44 Abs2;
AsylG 1997 §44 Abs3;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 1997 §44 Abs2;
AsylG 1997 §44 Abs3;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 15. März 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 16. März 1992 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 18. März 1992 niederschriftlich einvernommen.

Er gab zu seinen Fluchtgründen an:

"Ich bin Angehöriger der albanischen Minderheit im Kosovo und seit 1991 einfaches Mitglied bei der demokratischen Partei von Kosovo. Weil ich nur einfaches Mitglied dieser Partei war, hatte ich keine Schwierigkeiten mit der Polizei oder den Serben. Als Angehöriger der albanischen Minderheit im Kosovo wurde man in der Hinsicht diskriminiert, daß man keinen Arbeitsplatz erhielt. Seit 1978 bekam ich keine Anstellung mehr. Seither lebte ich von der Landwirtschaft meiner Eltern. Am 15.1.1992 erhielt ich einen Einberufungsbefehl zur Bundesarmee, den ich jedoch nicht entgegennahm, weil ich nicht in den Krieg ziehen will. Ich will nicht für die Serben gegen Kroaten kämpfen. Weil mir klar war, daß ich zwangsweise von der Militärpolizei von zuhause abgeholt werden würde, flüchtete ich aus meinem Heimatland. Dies ist der Hauptgrund meiner Flucht. Natürlich auch meine Arbeitslosigkeit."

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark stellte mit Bescheid vom 13. Mai 1992 (dem Beschwerdeführer zugestellt am 26. Mai 1992) fest, daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht zutreffen.

In der dagegen erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen seine bei der Einvernahme geltend gemachten Fluchtgründe. Er sei vor der Mobilmachung geflüchtet, weil die serbische Regierung alle Reservisten an die Front gegen Kroatien und Bosnien und Herzegowina gesendet habe. Er habe den "ersten militärischen Ruf" abgelehnt und sein Haus verlassen. Eine Weile habe er bei Freunden und Familienangehörigen verbracht. Aus Angst vor der Polizei sei er nach Wien geflüchtet. Er habe später Nachrichten bekommen, daß seine Familie von der Armee malträtiert worden sei, weil der Beschwerdeführer sich dem Militärdienst entzogen habe.

Daraufhin erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 3. Februar 1994, welcher aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1994, Zl. 94/01/0590, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde. Der Verwaltungsgerichtshof sprach in diesem Erkenntnis aus, daß die belangte Behörde richtigerweise im Sinne der allgemeinen Bestimmung des § 27 Asylgesetz 1991 aufgrund des vor dem 1. Juni 1992 abgeschlossenen Verfahrens vor der Behörde erster Instanz das Asylgesetz 1991 angewendet habe. Sie habe aber den Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 angewendet, den Bescheid jedoch ohne Vorliegen von entsprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 15. April 1996 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers erneut ab. Nach dem Aufbau und der Diktion im angefochtenen Bescheid ist die belangte Behörde offensichtlich - ohne ausdrücklich auszuführen, welches Asylgesetz sie anwendet - von der Anwendbarkeit des Asylgesetzes (1968) ausgegangen ("Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist ein Fremder, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ... erfüllt ...").

Sie begründete den Bescheid damit, daß die Beweggründe des Beschwerdeführers, der von ihm geforderten Militärdienstleistung nicht nachzukommen, die Flüchtlingseigenschaft nicht indizieren und die Asylgewährung nicht rechtfertigen könnten, da sich hieraus keine Rückschlüsse über eine Verfolgungsmotivation seitens der staatlichen Institutionen seines Heimatlandes ziehen ließen. Es bestehe grundsätzlich allgemeine Wehrpflicht, es seien keine ethnischen Unterschiede vorgesehen, bei der Verwendung der einrückenden Wehrpflichtigen würden hinsichtlich der Volksgruppenzugehörigkeit grundsätzlich keine Unterschiede gemacht, auch in der Strafverfolgung und -bemessung mache das Gesetz keinen Unterschied hinsichtlich ethnischer Kriterien. Davon abgesehen hätten sich die Truppen der ehemaligen SFRJ, als deren Nachfolgestaat sich die Jugoslawische Föderation, bestehend aus Montenegro und Serbien (inkl. der ehemals autonomen Regionen Wojwodina und Kosovo) sehe, beginnend mit Ende April 1992 aus dem Gebiet des durch Sezession neu entstandenen Staates Bosnien-Herzegowina und zuvor aus Kroatien zurückgezogen, sodaß die Befürchtung eines Fronteinsatzes im Falle des Aufgreifens des Beschwerdeführers nicht mehr mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimme. Aus den vom Beschwerdeführer hinsichtlich des Arbeitsbereiches geltend gemachten Vorkommnissen könne die Behörde keine begründete Furcht vor Verfolgung erkennen. Die wirtschaftlichen Nachteile seien keine massive Bedrohung der Lebensgrundlage, zumal der Beschwerdeführer, wie er in seiner niederschriftlichen Einvernahme angegeben habe, von der Landwirtschaft seiner Eltern leben habe können. Auch die allgemeinen Nachteile stellten keine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention dar. Der Beschwerdeführer habe sich nach Erhalt des Einberufungsbefehles noch ca. zwei Monate in seiner Heimat aufgehalten, ohne für diesen Zeitraum Umstände glaubhaft zu machen, welche die Annahme rechtfertigten, daß seine behauptete Furcht vor Verfolgung bis zum Verlassen seines Heimatlandes angedauert habe. Der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in seinem Recht auf Gewährung von Asyl verletzt".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im gegenständlichen Fall hätte die belangte Behörde das Asylgesetz 1991 anzuwenden gehabt, wie auch im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1994, Zl. 94/01/0590, ausgeführt wurde. Durch die Anwendung des Asylgesetzes (1968) belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid zwar mit Rechtswidrigkeit, diese bedeutete aber nur dann eine Verletzung des subjektiv-öffentlichen Rechtes auf Gewährung von Asyl, wenn die belangte Behörde Vorschriften angewendet hätte, die im richtigerweise anzuwendenden Asylgesetz 1991 inhaltlich nicht enthalten wären oder dem Beschwerdeführer aufgrund der Übergangsvorschrift des § 44 Abs. 2 und 3 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, durch das Zurücktreten des Verfahrens in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides eine im Hinblick auf den geltend gemachten Beschwerdepunkt günstigere Rechtsstellung zukäme.

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid ausschließlich mit der Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers befaßt. Die zur Beurteilung hiefür maßgeblichen Tatbestandselemente leiten sowohl das Asylgesetz (1968), das Asylgesetz 1991 in dessen § 1 als auch das Asylgesetz 1997 in seinem § 3 Abs. 1 von den Bestimmungen des Art. 1 Abschnitt A (wovon nur Z. 2 inhaltlich für gegenständlichen Fall in Frage kommt) der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ab. Im Falle, daß der Beschwerdeführer die Tatbestandselemente der Genfer Flüchtlingskonvention, welche im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 inhaltlich übernommen sind bzw. die § 3 Abs. 1 AsylG durch Verweis auf Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention voraussetzt, nicht erfüllt und er demnach kein Flüchtling ist, kommt auch nach dem Asylgesetz 1991 bzw. dem Asylgesetz 1997 die Asylgewährung nicht in Frage. In diesem Fall ist der Beschwerdeführer nicht im Recht auf Gewährung von Asyl verletzt. Auch in verfahrensrechtlicher Sicht ist der Beschwerdeführer nicht schlechter gestellt, da sowohl das AsylG (1968) als auch das AsylG 1997 die im AsylG 1991 enthaltenen (§ 20 AsylG 1991), den Asylwerber benachteiligenden Abweichungen von den allgemeinen Regeln des AVG (§§ 37, 39 AVG) nicht kennen und daher alle Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren zu berücksichtigen sind.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist klar ersichtlich, daß sich der angefochtene Bescheid als Sachverhaltsgrundlage auf die - im erstinstanzlichen Verfahren geäußerten und in der Berufung im wesentlichen gleichlautend wiederholten - Angaben des Beschwerdeführers, die Rechtslage in der Jugoslawischen Föderation zur Wehrpflicht und den Rückzug der Truppen der Jugoslawischen Föderation aus Kriegsbeteiligungen stützt sowie darauf basierend die Rechtsfrage beurteilt hat.

Insoferne der Beschwerdeführer darauf hinweist, "daß die Entziehung vom Militärdienst zu einem Zeitpunkt geschah, als sich die Jugoslawische Föderation in einem von der internationalen Staatengemeinschaft geächteten Krieg befand", so übersieht er, daß es nicht auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Ausreise, sondern auf diejenige zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ankommt. Daß die Jugoslawische Föderation auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides sich im Kriegszustand befunden hätte und dem Beschwerdeführer der befürchtete Fronteinsatz noch immer drohe, behauptet der Beschwerdeführer nicht.

Damit ist hinsichtlich der Einberufung zur Militärdienstleistung dem Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz kein asylrechtlich-relevanter Sachverhalt zu entnehmen. Die belangte Behörde ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - sei es durch Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls, sei es durch Desertion - für sich allein grundsätzlich nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling rechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof geht von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung nur in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe erfolgt, in denen der Asylwerber damit rechnen müßte, daß er hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde oder in denen davon auszugehen ist, daß dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994. Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A). Der Beschwerdeführer hat aber nur vorgebracht, er wolle nicht in den Krieg ziehen, was aufgrund obiger Ausführungen zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides mangels Kriegseinsatzes der Truppen des Heimatstaates nicht mehr aktuell ist. Da der Beschwerdeführer nicht behauptet hat, daß Angehörige der albanischen Nationalität strenger bestraft würden als sonstige Staatsangehörige, unterliegt die diesbezügliche Behauptung in der Beschwerde dem Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Daß die belangte Behörde den vorgebrachten wirtschaftlichen Gründen die Eignung zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft abgesprochen hat, bleibt in der Beschwerde unbekämpft und kann auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig angesehen werden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die subjektive Furcht des Beschwerdeführers bis zur Ausreise andauerte oder nicht, da es nicht auf die subjektiv empfundene Furcht, sondern auf die nach objektiven Maßstäben zu beurteilende Furcht vor Verfolgung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ankommt und letztere im konkreten Fall nicht vorliegt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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