VwGH 95/08/0282

VwGH95/08/028223.6.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde der Mag. EC in W, vertreten durch Czerwenka & Partner, Rechtsanwälte KEG in Wien I, Rudolfsplatz 12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 14. August 1995, Zl. 120.626/7-7/95, betreffend Beitragsnachforderung (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse, Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §863;
ASVG §4 Abs2;
HBG §2 Z1;
HBG §4 Abs1 Z2;
VwRallg;
ABGB §863;
ASVG §4 Abs2;
HBG §2 Z1;
HBG §4 Abs1 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 17. Oktober 1991 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin als Dienstgeber, "den Betrag von S 75.428,32 an die Tiroler Gebietskrankenkasse zu bezahlen". Begründend wurde ausgeführt, der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin habe der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge für die Dienstnehmerin T.W. nicht deren Anspruchslohn nach dem Hausbesorgergesetz zugrunde gelegt. Hieraus ergebe sich (für den Zeitraum vom 1. Juli 1986 bis zum 31. Juli 1991) der in den Beilagen des Bescheides aufgeschlüsselte Nachforderungsbetrag.

Dem vom Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin erhobenen Einspruch gegen diesen Bescheid gab die belangte Behörde - nach dem Übergang der Entscheidungspflicht auf sie gemäß § 73 Abs. 2 AVG - keine Folge. Sie bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid und stützte diese Entscheidung in bezug auf die strittige Frage, ob das zu beurteilende Beschäftigungsverhältnis dem Hausbesorgergesetz unterliege, auf folgende Feststellungen zum Sachverhalt:

"Frau W. hat in dem von der Familie (der Beschwerdeführerin) bewohnten Zweifamilienhaus Arbeiten aus dem Bereich der Beaufsichtigung (regelmäßige Kontrollgänge, Verständigung der Hauseigentümer von Schäden im Haus, Verständigung der Hauseigentümer vom Ölstand der Heizung), der Wartung (Veranlassung der Behebung von Schäden nach Rücksprache mit den Hauseigentümern, Betreuung der Grünanlagen) und der Reinigung (Reinigung des Vorraumes) zu verrichten.

Frau W. hat diese Arbeiten mit den Hauseigentümern mündlich vereinbart, dies zunächst nicht im Detail, sie hat die Arbeiten jedoch und über einen Zeitraum von neun Jahren hinweg mit dem Wissen und offensichtlichem Einverständnis der Hauseigentümer verrichtet. Frau W. konnte daher jedenfalls berechtigterweise davon ausgehen, daß sie mit der Durchführung dieser Arbeiten dem Auftrag des Hauseigentümers/der Hauseigentümerin entsprach. Frau W. hat die gegenständlichen Arbeiten gegen Entgelt verrichtet."

In der rechtlichen Auseinandersetzung mit diesem Sachverhalt gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sei zu Recht davon ausgegangen, das Beschäftigungsverhältnis unterliege dem Hausbesorgergesetz.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 2 Z. 1 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 16/1970 über den Dienstvertrag der Hausbesorger (HBG) sind Hausbesorger "Personen, die sowohl die Reinhaltung als auch die Wartung und Beaufsichtigung eines Hauses im Auftrag des Hauseigentümers gegen Entgelt zu verrichten haben".

Wortlaut und Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung lassen keinen Zweifel daran, daß es sich bei der Beaufsichtigung, Wartung und Reinhaltung des Hauses um kumulative Erfordernisse handelt. Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, daß auch nur eine dieser Dienstleistungspflichten in vollem Umfang besteht. Entscheidend ist, daß dem Dienstnehmer Dienstpflichten aus allen drei Bereichen übertragen wurden (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0175, mit weiteren Nachweisen; Tades, HBG4, 25 ff).

Was unter "Wartung des Hauses" zu verstehen ist, ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Z. 2 HBG. Danach obliegt dem Hausbesorger "die Sorge für die Beleuchtung des Hauses, soweit dies ohne besondere fachliche Kenntnisse und ohne besondere Gefahr möglich ist, die Wartung der Wasserleitung, das Zusperren und Öffnen des Haustores bei Eintritt und Ablauf der vorgeschriebenen Sperrzeit, sowie auf Verlangen das Öffnen des Haustores während dieser Zeit und die Verrichtung der für das Haus notwendigen Dienstgänge".

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die "Veranlassung der Behebung von Schäden nach Rücksprache mit den Hauseigentümern, Betreuung der Grünanlagen" als Übertragung von Pflichten zur "Wartung des Hauses" gewertet. Diese Ansicht ist rechtswidrig, weil die erwähnten Tätigkeiten sich nicht unter den Begriff einer "Wartung des Hauses" durch die Dienstnehmerin subsumieren lassen und nicht zu den Aufgaben gehören, mit denen § 4 Abs. 1 Z. 2 HBG den die Wartung des Hauses betreffenden Pflichtenkreis des Hausbesorgers umschreibt.

In ihren Rechtsausführungen meint die belangte Behörde, es sei auch "der Tiroler Gebietskrankenkasse unter Berücksichtigung der Erfahrungen des täglichen Lebens insoferne zu folgen, als Frau W., die unbestritten regelmäßige Kontrollgänge auszuführen hatte, im Sinne der ihr aufgetragenen Sorge für die Sicherheit und Unversehrtheit des Besitzes abgenützte Glühbirnen auszuwechseln hatte, was zusätzlich als Wartungspflicht im Sinne des HBG zu bewerten ist".

Insoweit es sich dabei um die Rechtsansicht handeln sollte, die (zumindest schlüssige) Vereinbarung einer Pflicht zu regelmäßigen Kontrollgängen müsse auch die Pflicht in sich schließen, "abgenützte" Glühbirnen auszuwechseln, wäre dem nicht zu folgen. Feststellungen darüber, daß eine derartige von der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren wiederholt bestrittene Tätigkeit der Dienstnehmerin jemals ausdrücklich vereinbart oder von der Dienstnehmerin (deren Einvernahme dies nicht ergab) tatsächlich ausgeübt worden wäre, woraus sich unter gewissen weiteren - insbesondere die Erkennbarkeit solcher Tätigkeiten für den Dienstgeber betreffenden - Voraussetzungen die Annahme ihrer konkludenten Vereinbarung ergeben könnte, hat die belangte Behörde nicht getroffen.

Der angefochtene Bescheid war schon aus diesen Gründen ohne Auseinandersetzung mit den übrigen Besonderheiten des Falles gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil es der Entrichtung von Stempelgebühren aufgrund der sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 ASVG) nicht bedurfte.

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