VwGH 94/05/0373

VwGH94/05/037324.3.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Gemeinde Leopoldsdorf, vertreten durch Dr. Peter Getreuer, Rechtsanwalt in Wien III, Landstraßer Hauptstraße 14, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. November 1994, Zl. R/1-V-90057/08, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Otto Krecht, 2. Ermelinde Krecht, beide in Leopoldsdorf, Jesserstraße 18), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §111 Abs1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9 Z4;
BauO NÖ 1976 §21 Abs4;
BauO NÖ 1976 §22 Abs1;
BauO NÖ 1976 §22 Abs2;
BauO NÖ 1976 §22 Abs6;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1;
BauRallg;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §111 Abs1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9 Z4;
BauO NÖ 1976 §21 Abs4;
BauO NÖ 1976 §22 Abs1;
BauO NÖ 1976 §22 Abs2;
BauO NÖ 1976 §22 Abs6;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. November 1992, Zlen. 92/05/0053, 0137, 0138, betraf die mit Bescheid vom 5. Juli 1977 erteilte Baubewilligung zur Errichtung eines Siedlungshauses, welches sowohl im Erdgeschoß als auch im Obergeschoß je eine Wohnung enthielt. Bauwerber waren die damaligen Grundstückseigentümer L. und J.K.; in weiterer Folge traten die Erwerber einer der beiden Wohnungen im Wohnungseigentum, Mag. H.U. und Mag. I.U., dem Verfahren bei (im folgenden werden sie insgesamt als Bewilligungswerber bezeichnet). Die von den hier mitbeteiligten (seitlichen) Nachbarn erhobene Vorstellung gegen die von der Berufungsbehörde bestätigte Baubewilligung führte zu einer Aufhebung der Baubewilligung durch die Aufsichtsbehörde. Allerdings hob der Verwaltungsgerichtshof den aufhebenden Vorstellungsbescheid mit dem genannten Erkenntnis über Beschwerde der auch nunmehr beschwerdeführenden Gemeinde auf. Eine Verletzung von Rechten der Nachbarn durch Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe sei nicht vorgelegen, weil nach der Schnittdarstellung im Bauplan eine Gebäudehöhe, berechnet von der Gehsteigoberkante, von 5,5 m kotiert ist und der Bebauungsplan die Bauklasse I, II, aber keine seitlichen Fluchtlinien vorsieht.

Entsprechend der Vorschrift des § 63 Abs. 1 VwGG wies die belangte Behörde mit Ersatzbescheid vom 25. Jänner 1993 die Vorstellung der Mitbeteiligten als unbegründet ab.

Hier gegenständlich ist das Verfahren zur Erteilung der Benützungsbewilligung und zur Genehmigung von Planabweichungen. Aufgrund des Ansuchens der Bewilligungswerber um Endbeschau vom 9. Juni 1987 wurde mit Bescheid vom 9. Juli 1987 gegenüber den Bewilligungswerbern festgestellt, daß das mit Bescheid vom 5. Juli 1977 bewilligte Vorhaben bewilligungsgemäß ausgeführt wurde; die in der Niederschrift als geringfügig angeführten Abweichungen wurden nachträglich genehmigt. Dabei handelte es sich, neben Veränderungen im Keller, um Veränderungen des Dachgeschosses entsprechend einem Ergänzungsplan, welcher von der Baubehörde schon am 28. April 1981 "zur Kenntnis genommen" worden war. Dieser Plan weist im Gegensatz zum bewilligten Bauplan einen Stiegenaufgang in das Dachgeschoß und insgesamt drei Fenster im Dachgeschoß auf. Es sind weiters drei Räume eingezeichnet, ohne daß dazu ein Verwendungszweck angegeben wäre. Hinsichtlich der Gebäudehöhe weist dieser Plan eine Veränderung insoferne aus, als die Deckenoberkante des Obergeschosses in Bezug auf die Gehsteigoberkante eine Erhöhung von 7 m auf 7,14 m aufweist. Die Firsthöhe wird mit 9,39 m statt 9 m angegeben.

Mit Schreiben vom 21. November 1989 ersuchten die Mitbeteiligten um Überprüfung, weil der Dachboden im Plan als unbenützbar und ohne Fenster dargestellt wurde, tatsächlich aber drei Fenster vorhanden seien und der Dachboden benützt werde. Bei der am 30. November 1989 durchgeführten Verhandlung wurde festgestellt, daß die Fenster dem der Benützungsbewilligung zugrundegelegten Bestandsplan entsprächen. Im Gegensatz zu diesem Plan sei ein großer Raum als Kinderzimmer ausgebaut worden, wobei eine Zwischenwand nicht ausgeführt wurde. Weiters sei ein Duschraum mit WC installiert worden. In der Dachschräge des Kinderzimmers sei ein Dachflächenfenster eingebaut worden.

Am 22. Dezember 1989 erließ der Bürgermeister einen Feststellungsbescheid, wonach die Bewilligung vom 28. April 1989 (handschriftlich korrigiert auf 1981; gemeint war offenbar die oben genannte Kenntnisnahme des Ergänzungsplanes) erloschen sei, weil die Errichtung eines Dachgeschoßausbaues gemäß § 22 BauO für NÖ nicht zulässig sei. Begründend wurde ausgeführt, daß der Dachgeschoßausbau eine wesentliche Abweichung vom bewilligten Plan darstelle und in der Bauklasse I bis II nicht zulässig sei, weil er zu den geltenden Verbauungsvorschriften im Widerspruch stehe. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bewilligungswerber Berufung. Auch die Nachbarn erhoben "Einspruch" und machten geltend, daß kein Bauverfahren mit Ladung der Nachbarn abgeführt worden sei. Der Gemeinderat gab der Berufung der Bewilligungswerber mit Bescheid vom 16. Februar 1990 teilweise Folge; es wurde festgestellt, daß der Dachgeschoßausbau gemäß § 22 Nö BauO nicht zulässig sei. Den Bewilligungswerbern wurde aber insoferne Recht gegeben, als die Worte "daß die Baubewilligung vom 28. April 1989, AZ 030/81-22/b erloschen ist, da" gestrichen wurden.

Mit Bescheid vom 8. März 1991 gab die belangte Behörde sowohl den Vorstellungen der Bewilligungswerber als auch der Vorstellung der Nachbarn Folge und behob den Bescheid des Gemeinderates vom 16. Februar 1990.

Der Verwaltungsgerichtshof gab einer dagegen vom Nachbarn erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis vom 15. Oktober 1991, Zl. 91/05/0084, keine Folge und bestätigte die Auffassung der Vorstellungsbehörde, daß die Baubehörden nicht berechtigt waren, einen Feststellungsbescheid über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer ausgeführten Baumaßnahme zu erlassen. Vielmehr hätte die Baubehörde, wenn sie einen Widerspruch zur Baubewilligung feststellt, mit der Erlassung eines entsprechenden baupolizeilichen Auftrages vorgehen müssen. Auch der Verwaltungsgerichtshof wies in diesem Erkenntnis darauf hin, daß den Nachbarn der Bescheid vom 9. Juli 1987 zuzustellen wäre und sie dann in einer Berufung die Möglichkeit hätten, ihre Rechte wahrzunehmen.

Tatsächlich war schon zuvor, nämlich am 27. März 1991, den Nachbarn der Benützungsbewilligungsbescheid vom 9. Juli 1987 zugestellt worden. In ihrer dagegen erstatteten Berufung rügten sie, daß entgegen dem Ergänzungsplan der Dachboden ausgebaut und ein Dachflächenfenster ausgeführt wurde. Sie rügten weiters alle Abweichungen von der Baubewilligung vom 5. Juli 1977, also insbesondere die Überschreitung des Bauwichs und der bewilligten Gebäudehöhe.

Nachdem das Verfahren über die Baubewilligung vom 5. Juli 1977 durch den eingangs genannten Ersatzbescheid der belangten Behörde vom 25. Jänner 1993 endgültig erledigt war, setzte der Gemeinderat das (zwischenzeitig ausgesetzte) Berufungsverfahren über die Benützungsbewilligung vom 9. Juli 1987 fort und wies die Berufung der Nachbarn mit Bescheid vom 1. März 1993 als unbegründet ab. Der Bauwich habe sich durch den Ergänzungsplan nicht geändert. Die Vergrößerung der Gebäudehöhe um 14 cm entspreche den Bestimmungen über die maximal zulässige Gebäudehöhe nach § 22 Abs. 1 und 6 in Zusammenhang mit § 5 Abs. 3 NÖ BauO.

Die dagegen von den Nachbarn erhobene Vorstellung richtet sich über weite Strecken gegen die seinerzeitige, 1977 erteilte Baubewilligung bzw. gegen den von der Benützungsbewilligung nicht erfaßten Ausbau des Dachbodens zu Wohnzwecken. Gerügt wird aber auch die mit dem Kollaudierungsbescheid genehmigte Gebäudehöhe; sie betrage auf der Seite der Beschwerdeführer 10,5 m, obwohl nur 7 m zulässig seien.

Die Vorstellungsbehörde führte unter Beiziehung eines Sachverständigen am 9. November 1993 eine Verhandlung an Ort und Stelle durch. Der Sachverständige ermittelte die Gebäudehöhe laut dem der Baubewilligung zugrundegelegten Plan mit 6,32 m, wobei er vom Abstand Gehsteigoberkante zur Deckenoberkante Obergeschoß (7 m) ausging und einen Mittelwert für das verglichene Gelände mit bzw. ohne (durch den Bauplan gedeckte) Anschüttung abzog. Bezüglich des hier gegenständlichen Ergänzungsplanes stellte er eine Erhöhung der Deckenoberkante des Obergeschosses um 19 cm, somit eine Gebäudehöhe von 6,51 m fest. Dadurch sei der Bauwich von 3,25 m (halbe Gebäudehöhe) ausreichend.

Weiters traf der Sachverständige Feststellungen über den aktuellen Bestand, der vor allem dadurch charakterisiert war, daß die bewilligte Anschüttung nicht ausgeführt wurde; er ermittelte eine Traufenhöhe von 7,33 m, eine Firsthöhe von 10,83 m und einen Mittelwert von 9,08 m.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung der Nachbarn Folge, hob den Berufungsbescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurück. In ihrer Begründung wies die belangte Behörde zunächst darauf hin, daß das Verfahren über die Baubewilligung vom 5. Juli 1977 abgeschlossen sei und verfahrensgegenständlich nur mehr die Frage sei, ob durch die mit der Benützungsbewilligung vom 9. Juli 1987 erteilte baubehördliche Bewilligung der Vergrößerung der Gebäudehöhe in Nachbarrechte eingegriffen wurde. Während anläßlich der Erteilung der Baubewilligung die Bestimmungen der NÖ BauO in der Stammfassung LGBl. 8200-0 Anwendung gefunden hätten, habe im Zeitpunkt der Benützungsbewilligung die NÖ BauO in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-1 gegolten. Nach § 22 Abs. 1 und 2 NÖ BauO in der Stammfassung sei die Deckenoberkante des Obergeschosses zur Ermittlung der Gebäudehöhe zu berücksichtigen gewesen, was nach dem Ergänzungsplan eine Gebäudehöhe von 6,51 m ergeben und dem durch den Ergänzungsplan nicht veränderten Bauwich von 3,25 m entsprochen habe. Die nach der Neufassung des Gesetzes erforderliche Beurteilung der Gebäudehöhe nach der mittleren Höhe der Gebäudefront über dem verglichenen Gelände bringe es mit sich, daß die Höhe der den Vorstellungswerbern zugekehrten Gebäudefront jedenfalls mehr als den gemäß § 21 Abs. 4 der Nö BauO 1976 erforderlichen doppelten Bauwich, in diesem Fall mehr als 6,50 m, betrage, da nunmehr bei der Beurteilung der Gebäudehöhe auch die gesamte Fläche des Giebels zu berücksichtigen sei und deshalb seit der Novelle LGBl. 8200-1 durch das gegenständliche Bauvorhaben unter Berücksichtigung des vorhandenen Bauwichs von 3,25 m die zulässige Gebäudehöhe überschritten werde. Da der Gemeinderat diese Rechtslage verkannt und bezüglich der Ermittlung der Gebäudehöhe eine unrichtige Rechtsansicht vertreten habe, habe der bei der Vorstellungsbehörde angefochtene Bescheid aufgehoben werden müssen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde der Gemeinde gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligten Parteien eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf die Ausführungen der Mitbeteiligten in ihrer Gegenschrift ist zunächst darauf zu verweisen, daß Prüfungsgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine der tragende Aufhebungsgrund des Vorstellungsbescheides ist, ob also die belangte Behörde zu Recht die Bewilligungsfähigkeit des durch den Ergänzungsplan umschriebenen Projektes wegen Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe verneint hat.

Im Zeitpunkt des Bauansuchens (3. Mai 1977) galt die Nö BauO 1976 in der Fassung LGBl. 8200-0. Sowohl die seit 1. Jänner 1982 geltende Novelle LGBl. 8200-1, durch die § 22 leg. cit. wesentlich geändert wurde, als auch die mit 1. Jänner 1989 in Kraft getretene Novelle LGBl. 8200-6 enthielten die Übergangsbestimmung, wonach anhängige Verfahren nach den neuen Vorschriften zu Ende zu führen waren. Die belangte Behörde mußte daher bei Beurteilung des bei ihr bekämpften Berufungsbescheides die BO in der letztgenannten Fassung (im folgenden: BO) anwenden.

Gemäß § 111 Abs. 1 BO hat in den Fällen des § 92 Abs. 1 Z. 1, 2, 4, 5 und 6 die Behörde die Benützungsbewilligung zu erteilen, wenn bei der Endbeschau festgestellt wurde, daß die Ausführung des Vorhabens der erteilten Bewilligung entspricht. Sie kann bei geringfügigen Abweichungen unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden, wenn die Abweichungen nicht den gesundheits-, feuer- oder baupolizeilichen Zustand betreffen. Erteilt die Baubehörde unter dem Titel der "Benützungsbewilligung" eine Bewilligung für Abweichungen vom Baukonsens oder erweitert sie diesen, so weist eine solche Benützungsbewilligung, und zwar ohne daß dies in ihrer Form zum Ausdruck kommen muß, Merkmale einer Baubewilligung auf. Wenn die Änderung des Bauvorhabens Umstände betrifft, durch welche in die sich aus dem Gesetz oder aus dem Baubewilligungsbescheid ergebenden Rechte des Nachbarn eingegriffen wird, kommt diesem auch im Benützungsbewilligungsverfahren die Parteistellung zu (hg. Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 95/05/0320, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 13. September 1983, Zl. 80/05/0203, BauSlg. Nr. 86).

Im vorliegenden Fall wurde ein Ergänzungsplan bewilligt, der zwar keine Veränderung beim Bauwich (3,25 m), aber eine Vergrößerung der Gebäudehöhe zum Inhalt hatte, sodaß Nachbarinteressen jedenfalls berührt sind (§ 118 Abs. 9 Z. 4 BO). Die die Gebäudehöhe regelnde Bestimmung des § 22 BO lautet auszugsweise:

"§ 22

Höhe der Baulichkeiten

(1) Die Gebäudehöhe ist nach der mittleren Höhe der Gebäudefront über dem verglichenen Gelände zu bemessen; bei zurückgesetzten Geschossen ist deren Deckenoberkante für die Gebäudehöhe maßgebend. Die Höhe anderer Baulichkeiten wird nach der Lage ihres obersten Punktes über dem verglichenen Gelände bemessen, wobei untergeordnete Bauteile außer Betracht bleiben.

(2) Als Geländehöhe gilt grundsätzlich das Niveau der angrenzenden Verkehrsfläche. Weicht das Niveau der Verkehrsfläche von dem des zur Bebauung vorgesehenen Teiles des Bauplatzes ab, so ist die verglichene Geländehöhe maßgebend.

...

(6) Bei den Bauklassen I bis VIII darf die Anzahl der Vollgeschosse nicht größer sein als die Nummer der jeweiligen Bauklasse. Die Gebäudehöhe darf die im Bebauungsplan festgelegte Bebauungshöhe bis zur Bauklasse VII jeweils um höchstens 1 m, bei Giebelfronten um höchstens 4 m, überschreiten. Nebengebäude oder untergeordnete Gebäudeteile dürfen abweichend von der Bebauungshöhe errichtet werden, wenn sie das Ortsbild nicht stören.

..."

Die belangte Behörde hat zur Ermittlung der Gebäudehöhe § 22 Abs. 1 BO herangezogen, ohne konkret festzustellen, von welcher Höhe sie ausgeht; die Höhe der dem Nachbarn zugewendeten Gebäudefront betrage "jedenfalls" mehr als den gemäß § 21 Abs. 4 BO erforderlichen doppelten Bauwich, also mehr als 6,5 m.

Gemäß § 21 Abs. 4 BO beträgt der Bauwich, wenn im Bebauungsplan nicht durch eine Baufluchtlinie ein größerer seitlicher oder hinterer Bauwich festgelegt ist und der hintere Bauwich nicht gemäß § 5 Abs. 7 aufgehoben ist, jeweils die Hälfte der Gebäudehöhe, mindestens aber 3 m. Wegen dieses vom Gesetz vorgegebenen Zusammenhanges zwischen Abstand und Höhe ist der Rechtsauffassung der belangten Behörde zuzustimmen, daß eine - allenfalls bebauungsplanmäßig zulässige Erhöhung eines Gebäudes - auch deswegen unzulässig sein kann, weil durch die Erhöhung der unverändert gebliebene Bauwich zu gering wird; durch eine solche Relation wird dem Schutzzweck des § 118 Abs. 9 Z. 4 BO, eine ausreichende Belichtung zu erzielen, entsprochen.

Die belangte Behörde ging nun davon aus, daß die "mittlere" Gebäudehöhe größer als 6,50 m sei. Sie folgte damit offenbar, ohne dies im Bescheid zu konkretisieren, der vom Sachverständigen in der Verhandlung am Istzustand vorgenommenen Berechnung des Mittels zwischen Traufen- und Firsthöhe. Der Auffassung, daß ein solcher Mittelwert heranzuziehen sei, daß also, wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt, die gesamte Fläche des Giebels zu berücksichtigen sei, weshalb "jedenfalls" eine Überschreitung vorliege, kann sich der Verwaltungsgerichtshof aber nicht anschließen.

Maßstab für die Gebäudehöhe war nach der Stammfassung und nach der hier anzuwendenden Fassung der Nö BauO die Gebäudefront; die nunmehr (seit LGBl. 8200-1) zu ermittelnde "mittlere" Höhe der Gebäudefront hat Höhenunterschiede in bezug auf das verglichene Gelände zu berücksichtigen. Dies hat der Sachverständige im vorliegenden Fall getan, indem er ein Mittel aus dem Erdgeschoßfußbodenniveau über dem Gehsteig (1,50 m) und der Höhendifferenz zwischen Erdgeschoßfußbodenniveau und Anschüttung (15 cm), somit 0,68 m heranzog. Daß sich durch die Einfügung des Attributes "mittlere" auch eine Veränderung der Berechnungsweise nach oben hin ergeben hat, kann schon aus dem unmittelbaren Gesetzeszusammenhang nicht entnommen werden, weil durch die Worte "mittlere Höhe der Gebäudefront über dem verglichenen Gelände" der Bezug zum Boden gegeben ist. Daß der Giebel bei der Berechnung der (gemittelten) Gebäudehöhe nicht einzubeziehen ist, ergibt sich weiters aus dem Abs. 6 des § 22 BO, wonach bei Giebelfronten die Gebäudehöhe die im Bebauungsplan festgelegte Bebauungshöhe bis zur Bauklasse VII um höchstens 4 m überschreiten darf.

Selbstverständlich können aufgrund der Gelände- oder Dachform an verschiedenen Fronten verschiedene Gebäudehöhen vorliegen; es kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß grundsätzlich jedes Gebäude, welches kein Flachdach aufweist, von vornherein immer zwei verschiedene Gebäudehöhen hat, auch wenn es sich im völlig ebenen Gelände befindet. Auch der Gesetzgeber, der hier nicht von "Gebäudehöhen", sondern von der "Gebäudehöhe" spricht, hat offenbar eine einheitliche Gebäudehöhe im Auge, soweit sich nicht durch den Geländeverlauf etwas anderes ergibt. Diese einheitliche Gebäudehöhe kann nur dadurch ermittelt werden, daß an der zum Dachfirst parallel verlaufenden Front die Schnittlinie zwischen Gebäudefront und Dachkonstruktion herangezogen wird (vgl. Hauer-Zaussinger, Nö BauO4, 154), während für Giebelfronten die Sonderbestimmung des § 22 Abs. 6 leg. cit. gilt.

Ausgehend von diesem Verständnis des § 22 Abs. 1 BO - die Regelung der Gebäudehöhe hat nunmehr im § 53 Nö BauO 1996 eine wesentliche Änderung erfahren - beträgt die Gebäudehöhe laut Ergänzungsplan, wie dies der Sachverständige ermittelt hat, 6,51 m; durch diese Gebäudehöhe wird auch die Bestimmung des § 21 Abs. 4 BO bei einem planmäßigen Bauwich von 3,25 m in relevanter Weise nicht verletzt.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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