VwGH 93/13/0082

VwGH93/13/008230.9.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien VI, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. April 1993, Zl. GA 7 - 934/93, betreffend Bescheidaufhebung gemäß § 299 Abs. 2 BAO (Bewilligung und Ablauf der Aussetzung der Einhebung sowie Aussetzungszinsen), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §212a;
BAO §289 Abs2;
BAO §289;
BAO §299;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs1;
BAO §212a;
BAO §289 Abs2;
BAO §289;
BAO §299;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 11. November 1992 beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung hinsichtlich Umsatzsteuer und Einkommensteuer für die Jahre 1980 bis 1986. Die Bescheide seien mit Berufung angefochten und ihre Aufhebung sei beantragt. Die Bescheide beruhten auf ebenfalls mit Berufung bekämpften Wiederaufnahmebescheiden. Würde den letztgenannten Berufungen stattgegeben, so würde die Rechtsgrundlage für die im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Sachbescheide beseitigt und die ursprünglich erlassenen Sachbescheide, deren Rechtmäßigkeit nicht bestritten werde, würden wiederum dem Rechtsbestand angehören. Im Antrag wurden die Abgabenbeträge im einzelnen dargestellt und mit insgesamt S 1,568.807,-- beziffert. Unter Einbeziehung der Einkommensteuervorauszahlung 1989 in Höhe von S 50.800,--, auf die sich der Aussetzungsantrag allerdings nicht dem Abgabenanspruch nach bezog, ergab sich ein Gesamtbetrag von S 1,619.607,--, dessen Aussetzung der Beschwerdeführer beantragte.

Das Finanzamt gab dem Antrag mit Bescheid vom 3. Dezember 1992 im wesentlichen statt, wich allerdings von den Abgabenbeträgen des Beschwerdeführers (insgesamt um S 24.877,--) ab. Andererseits bezog es weitere Abgabenbeträge mit ein, hinsichtlich derer kein Aussetzungsantrag gestellt worden war. Es handelte sich dabei um Gewerbesteuer für die Jahre 1980 bis 1986 sowie um Aussetzungszinsen (rund S 640.000,--) und Säumniszuschlag (S 916,--).

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und begehrte die Aussetzung der Einhebung auch hinsichtlich jenes Abgabenbetrages, mit dem das Finanzamt insgesamt von seinem Ziffernmaterial abgewichen war.

In der Folge erließ das Finanzamt mit den Daten 3. und 5. März 1993 zwei Bescheide, mit denen der Ablauf der Aussetzung verfügt und Aussetzungszinsen vorgeschrieben wurden. Begründet wurde dies damit, daß die Berufungsverfahren betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer für die Jahre 1980 bis 1986 erledigt worden seien.

Der Beschwerdeführer erhob auch gegen diese Bescheide (mit zwei Schriftsätzen) Berufung. Es sei aktenwidrig, daß die genannten Berufungsverfahren beendet worden seien. Es seien zwar Berufungsentscheidungen ergangen; das Bundesministerium für Finanzen habe diese jedoch im Dienstaufsichtsweg behoben, sodaß die betreffenden Berufungsverfahren wieder offen seien.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In diesem Antrag gab er zu, daß über seine Berufungen betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer für die Jahre 1980 bis 1986 bereits entschieden worden sei; bezüglich Gewerbesteuer sei die Berufung jedoch noch unerledigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Bescheid des Finanzamtes vom 3. Dezember 1992, mit dem die Aussetzung der Einhebung bewilligt worden war, sowie die Bescheide vom 3. und 5. März 1993, mit denen der Ablauf der Aussetzung verfügt und Aussetzungszinsen vorgeschrieben worden waren, im Dienstaufsichtsweg gemäß § 299 Abs. 2 BAO auf. Voraussetzung für eine Bewilligung der Aussetzung der Einhebung einer Abgabe sei gemäß § 212a BAO ein entsprechender Antrag. Da das Finanzamt eine über den maßgeblichen Antrag des Beschwerdeführers hinausgehende Aussetzung der Einhebung verfügt habe, sei der betreffende Bescheid rechtswidrig. Fehle aber dem die Aussetzung bewilligenden Bescheid eine Rechtsgrundlage, so bleibe auch kein Raum für die in der Folge erlassenen Bescheide, mit denen der Ablauf der Aussetzung verfügt und Aussetzungszinsen vorgeschrieben worden seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bezieht sich ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO auf mehrere Abgabenbeträge, so kann es sein, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aussetzung bei einem Abgabenbetrag gegeben sind und bei einem anderen nicht. Dementsprechend kann einem solchen Antrag hinsichtlich des einen Abgabenbetrages stattgegeben werden und hinsichtlich des anderen nicht. Der Abspruch über einen Antrag gemäß § 212a BAO, der sich auf mehrere Abgabenbeträge bezieht, muß daher keineswegs einheitlich erfolgen. Umgekehrt kann bei mehreren Abgabenbeträgen ein einheitlich erfolgter bescheidmäßiger Abspruch hinsichtlich eines Abgabenbetrages dem Gesetz entsprechen und hinsichtlich eines anderen Abgabenbetrages rechtswidrig sein. Daraus folgt, daß auch das rechtliche Schicksal eines solchen Bescheides im Rechtsmittelverfahren oder im Zuge einer dienstaufsichtsbehördlichen Maßnahme gemäß § 299 BAO ein unterschiedliches sein kann. Der die Aussetzung der Einhebung bewilligende Bescheid ist nicht schon deswegen zur Gänze aufzuheben, weil hinsichtlich eines von mehreren Abgabenbeträgen die Aussetzung der Einhebung zu Unrecht nicht bewilligt oder zu Unrecht bewilligt wurde. Vielmehr hat eine jeden einzelnen Abgabenbetrag gesondert zu beurteilende Betrachtungsweise Platz zu greifen. Im Beschwerdefall bedeutet dies, daß eine Aufhebung des die Aussetzung bewilligenden Bescheides des Finanzamtes vom 3. Dezember 1992 nur insoweit in Betracht kam, als er Abgabenbeträge betraf, hinsichtlich derer kein entsprechender Antrag gestellt worden war. Die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Aufhebung auch hinsichtlich jener Abgabenbeträge, die vom seinerzeitigen Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung der Einhebung umfaßt waren, mit der Begründung, es mangle an einer entsprechenden Antragstellung, erweist sich sohin als rechtswidrig.

Zu dem Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift, die Beschwerde entspreche nicht dem Erfordernis des § 29 Abs. 1 Z. 4 VwGG (gemeint wohl § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG), weil in ihr nicht dargelegt werde, in welchem Recht der Beschwerdeführer verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkt), ist folgendes zu sagen:

Das Fehlen ausdrücklicher Angaben betreffend den Beschwerdepunkt in der Beschwerde hindert deren meritorische Behandlung nicht, wenn sich der Beschwerdepunkt (die Beschwerdepunkte) unmißverständlich dem Beschwerdevorbringen in seiner Gesamtheit entnehmen läßt (lassen). Wird ein Bescheid durch eine dienstaufsichtsbehördliche Maßnahme aufgehoben und wird der Aufhebungsbescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten, dann kann das Begehren des Beschwerdeführers nur so verstanden werden, daß er den Weiterbestand des aufgehobenen Bescheides anstrebt. Die von ihm behauptete Rechtsverletzung besteht demnach im Bescheidaufhebungsakt selbst. Durch diesen wird der Beschwerdeführer in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf Weiterbestand des aufgehobenen Bescheides verletzt. Wenn sich daher aus der Beschwerde offenkundig ergibt, daß die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in der Verletzung dieses Rechtes besteht, bedarf es keiner ausdrücklichen Bezeichnung des Beschwerdepunktes. Kommt daher der Gerichtshof bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides zu dem Ergebnis, daß die Bescheidaufhebung rechtswidrigerweise erfolgte, so hat er den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Im Beschwerdefall kommt somit dem Umstand, daß in der Beschwerde als verletztes Recht nicht das Recht auf Weiterbestand des aufgehobenen Bescheides bezeichnet wird, sondern das Recht auf Mitteilung jenes Sachverhaltes, der die Bescheidaufhebung gerechtfertigt hätte, keine Bedeutung zu.

Aus den bereits dargelegten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid somit als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Kosten im angesprochenen Ausmaß gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. September 1998

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