Normen
StVG §107 Abs1 Z10;
StVG §26 Abs2;
StVG §107 Abs1 Z10;
StVG §26 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Administrativbeschwerde des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis des Leiters der Justizanstalt Suben vom 7. Jänner 1997 gemäß § 121 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG und § 107 Abs. 1 Z. 10 StVG nicht Folge. In der Begründung des Bescheides führte die belangte Behörde aus, mit dem bekämpften Straferkenntnis des Leiters der Justizanstalt Suben vom 7. Jänner 1997 sei der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden, während eines nicht genau feststellbaren Zeitraumes als Strafgefangener der Justizanstalt Suben vorsätzlich eine Ordnungswidrigkeit dadurch begangen zu haben, daß er Suchtmittel konsumiert und somit nicht alles unterlassen habe, was die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt gefährden könnte. Er habe hiedurch eine Ordnungwidrigkeit nach § 107 Abs. 1 Z. 10 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 StVG begangen, und es sei über ihn gemäß § 109 Z. 4 und § 13 StVG die Ordnungsstrafe einer Geldbuße in Höhe von S 300,-- (samt Kostenbeitrag) verhängt worden. Dem habe ein positiver Harnbefund vom 14. November 1996 zugrundegelegen. In der dagegen gerichteten Beschwerde habe der Beschwerdeführer unter anderem vorgebracht, daß der Test lediglich ein Indiz für Medikamenten- bzw. Suchtmitteleinnahme sei, aber die Gefahr bestünde, daß das Ergebnis vom Untersuchenden gezielt gefälscht oder durch "Kreuzreaktionen der Antikörper mit Substanzen im Probematerial" verfälscht worden sei. Um Suchtgiftmißbrauch mit einer auch für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachweisen zu können, sei eine weitere Untersuchung notwendig gewesen, die jedoch nicht durchgeführt worden sei. Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, aufgrund der vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens erster Instanz stehe fest, daß der Beschwerdeführer während eines nicht exakt bestimmbaren Zeitraumes zwischen Anfang und Mitte November 1996 Suchtgift konsumiert habe. Diese Feststellung gründe sich auf den unbedenklichen Harnbefund vom 14. November 1996, mit dem zweifelsfrei erhöhte Opiatwerte beim Strafgefangenen nachgewiesen worden seien. Eine Verwechslung der Proben sei nicht möglich, weil diese in entsprechend markierte Behältnisse gefüllt und an das Labor der Justizanstalt Göllersdorf übermittelt worden seien. Ebenso könne eine willkürliche Manipulation der Harnproben ausgeschlossen werden, weil keinerlei Interesse eines Dritten ersichtlich wäre, eine Veränderung zum Nachteil des Beschwerdeführers vorzunehmen. Nach Auskunft des Anstaltsarztes sei auch eine Verfälschung der Testergebnisse durch die Einnahme von verordneten Medikamenten nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides, sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, und legte die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Gemäß § 107 Abs. 1 Z. 10 StVG begeht der Strafgefangene, der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorsätzlich sonst den allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen nach § 26 zuwiderhandelt, eine Ordnungswidrigkeit. Ordnungswidrigkeiten sind nach Maßgabe des § 108 StVG mit einer Ordnungsstrafe zu ahnden (Ausnahmen sehen die §§ 112 Abs. 1, §§ 113 und 115 StVG vor). Den Strafkatalog enthält § 109 StVG.
§ 26 StVG umschreibt die allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen. Nach Abs. 1 leg. cit. haben die Strafgefangenen den Anordnungen der im Strafvollzug tätigen Personen Folge zu leisten. Sie dürfen die Befolgung von Anordnungen nur ablehnen, wenn die Anordnung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt oder die Befolgung dagegen verstoßen oder offensichtlich die Menschenwürde verletzen würde. Nach Abs. 2 leg. cit. haben die Strafgefangenen alles zu unterlassen, was die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder sonst die Verwirklichung der Grundsätze des Strafvollzuges gefährden könnte. Sie haben sich so zu benehmen, wie es der Anstand gebietet.
Der vorsätzliche Genuß von Suchtmitteln stellt einen Verstoß gegen die allgemeinen Pflichten des Strafgefangenen dar. Liegt nachgewiesener Suchtgiftkonsum vor, ist der Ausspruch einer Ordnungsstrafe daher rechtmäßig.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer den Konsum von Suchtgift sowohl im Verwaltungsverfahren als auch nunmehr im Beschwerdeverfahren dezidiert bestritten. Auf sein Ersuchen wurde im Verwaltungsverfahren (am 17. Dezember 1996) noch ein zweiter Harntest gemacht, dessen Ergebnis negativ war. Aufgrund eines Vermerkes des Anstaltsarztes der Justizanstalt Suben schließe allerdings das negative Ergebnis dieses zweiten Testes nicht aus, daß seit 14. November 1996 (erster Harntest) "alle möglichen Rückstände abgebaut" worden seien. Ein Harntest - wie ihn der Beschwerdeführer angeregt hatte - sei "überflüssig und sinnlos". Eine Begründung dieses Kalküls scheint im Akt nicht auf. Die belangte Behörde hat auch die detaillierten Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Administrativbeschwerde nicht zum Anlaß genommen, durch ein ergänzendes Ermittlungsverfahren den vom Beschwerdeführer vorgetragenen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ergebnisses der Harnprobe Rechnung zu tragen.
Die belangte Behörde bleibt auch jegliche Begründung dafür schuldig, warum sie den vom Beschwerdeführer als "verfälscht" bezeichneten Harnbefund vom 14. November 1996 als "unbedenklich" gewertet hat, oder wie sie zur Erkenntnis gelangte, daß eine Verwechslung der Proben "nicht möglich" sei, "weil diese in entsprechend markierte Behältnisse gefüllt und an das Labor der Justizanstalt Göllersdorf übermittelt werden". Hiezu wären Feststellungen über die genauen Vorgänge der Abnahme der Harnproben, deren Bezeichnung, deren Aufbewahrung und Transport, sowie über die Maßnahmen zur Verhinderung von Verwechslungen erforderlich gewesen. Auch hat die Behörde zur Erforschung der materiellen Wahrheit insbesondere dann auch ein Sachverständigengutachten einzuholen, wenn besondere Fachkenntnisse zur Beurteilung der entscheidungswesentlichen Umstände nötig sind. Ob die vom Beschwerdeführer als mögliche Ursache einer Verfälschung angeführten "Kreuzreaktionen" möglich oder nicht möglich sind, kann weder die belangte Behörde aus eigenem Wissensstande noch auch der Verwaltungsgerichtshof beurteilen. Hiezu wäre es erforderlich gewesen, eine ärztliche Stellungnahme so zu begründen, daß sie einer Überprüfung der Schlüssigkeit dieser Ausführungen standhält. Aus den handschriftlichen Vermerken des Anstaltsarztes kann die Schlüssigkeit dieser Ausführungen nicht entnommen werden.
Mit Recht wendet sich der Beschwerdeführer auch dagegen, daß die belangte Behörde den zweiten, negativ verlaufenen Harntest im angefochtenen Bescheid nicht erwähnt und sich mit der Frage, ob der Zeitabstand zwischen den beiden Tests die unterschiedlichen Ergebnisse angesichts des besonders hohen Opiatanteils in der ersten Probe zu erklären vermag, überhaupt nicht auseinandergesetzt hat.
Da die belangte Behörde sohin ihren Bescheid mit Begründungsmängeln belastete, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über einen Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr.416/1994.
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