VwGH 97/20/0122

VwGH97/20/01226.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des H in Höchst, vertreten durch Dr. Andreas Oberbichler und Dr. Michael Kramer, Rechtsanwälte in Feldkirch, Hirschgraben 37, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 7. Jänner 1997, Zl. III-4609-30/96, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1986 §27 Abs1;
WaffG 1986 §36 Abs1;
WaffG 1986 §6 Abs1;
WaffG 1986 §27 Abs1;
WaffG 1986 §36 Abs1;
WaffG 1986 §6 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 12. November 1996, mit dem ihm - anstelle des mit Mandatsbescheid vom 31. Juli 1995 erlassenen, vom Beschwerdeführer mit Vorstellung bekämpften Waffenverbotes - die zuletzt für sechs Faustfeuerwaffen und zwei "Pump-Guns" ausgestellte Waffenbesitzkarte entzogen worden war, keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei mit Anzeige der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg vom 29. Dezember 1995 wegen des Verdachtes der Vergehen nach § 164 StGB und §§ 27 und 36 Waffengesetz an die Staatsanwaltschaft Feldkirch zur Anzeige gebracht worden. Ihm sei zur Last gelegt worden, vom schweizerischen Staatsangehörigen Werner S. Faustfeuerwaffen übernommen zu haben, obwohl er aufgrund seiner waffenrechtlichen Dokumente dazu nicht berechtigt gewesen sei. Weiters sei er verdächtigt worden, von Werner S. ein Etui mit diversen Schmuckstücken aus Gold übernommen zu haben, obwohl er nach eigenen Angaben vermutet habe, daß "etwas nicht stimmen dürfte". Von Beamten der Kantonspolizei St. Gallen sei erhoben worden, daß diese Schmuckstücke von Einbruchdiebstählen in der Schweiz stammten. Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 9. Mai 1996 sei der Beschwerdeführer für schuldig befunden worden, er habe in Höchst zwischen Sommer 1994 und dem 19. Juli 1995, wenn auch nur fahrlässig, vier Faustfeuerwaffen unbefugt besessen. Hiedurch habe er das Vergehen nach § 36 Abs. 1 Z. 1 WaffG 1986 begangen. Er sei zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt worden, wobei die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Vom Vorwurf des Vergehens der Hehlerei sei er freigesprochen worden.

Dem Beschwerdeführer sei somit vorzuhalten, daß er etwa ein Jahr lang vier Faustfeuerwaffen unbefugt besessen habe. Es sei ihm zwar beizupflichten, daß dieser Sachverhalt alleine nach der "gängigen Rechtsprechung" des Verwaltungsgerichtshofes die Annahme der waffenrechtlichen Unverläßlichkeit noch nicht rechtfertige. Der Beschwerdeführer habe die Waffen laut eigenen Angaben für den schweizerischen Staatsangehörigen Werner S. in einem Tresor in der Garage deponiert. Bei der Einvernahme am 19. Juli 1995 durch Beamte der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg habe er zu Protokoll gegeben, Werner S. habe ihm bei der Überbringung der Waffen erklärt, er habe die Befürchtung, man nehme ihm die Waffen weg, da er nicht mehr bei der (Schweizer) Polizei sei. Werner S. habe jedoch erklärt, es handle sich um seine eigenen Waffen. Der Beschwerdeführer habe Werner S. nicht gefragt, ob er die Waffen bei der Einreise angemeldet habe oder nicht. Ihm sei daher zusätzlich zum Verstoß gegen das Waffengesetz vorzuwerfen, daß er die Waffen zur Verwahrung übernommen habe, ohne sich davon zu überzeugen, daß diese legal unter Einhaltung der entsprechenden Vorschriften in das Bundesgebiet eingeführt worden seien. Dies umso mehr, als Werner S. gegenüber dem Beschwerdeführer geäußert habe, die angeblich rechtmäßig in seinem Besitz befindlichen Waffen könnten ihm weggenommen werden. Von einer im Sinne des Waffengesetzes verläßlichen Person wäre angesichts dieser Aussage zu erwarten gewesen, daß sie den Grund der Verwahrung und die Modalitäten der Einfuhr näher hinterfrage. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, daß laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Wertung einer Person als verläßlich im Sinne des Waffengesetzes ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge zu fassen sei. Der Begriff der Verläßlichkeit sei ein Ausdruck der Wesenheit einer Person, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall. Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person rechtfertigten demnach durchaus die Folgerung, daß die vom Waffengesetz geforderte Verläßlichkeit nicht gewährleistet sei. Dabei sei ein strenger Maßstab anzulegen und sei es auch nicht erforderlich, daß tatsächlich eine mißbräuchliche Verwendung einer Waffe jemals stattgefunden habe. Der Beschwerdeführer habe die von ihm zu erwartende Sorgfalt in keiner Weise erfüllt. Er habe nicht nur unbefugt vier Waffen besessen, sondern darüber hinaus bei der Übernahme der Waffen keineswegs das nötige Pflichtbewußtsein erkennen lassen. Angesichts der aus diesen Handlungen ersichtlichen Sinnesart des Beschwerdeführers sei davon auszugehen gewesen, daß seine waffenrechtliche Verläßlichkeit nicht mehr gegeben sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer stützt sich auf die - auch von der belangten Behörde ausdrücklich berücksichtigte - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach unbefugter Besitz von Waffen allein mangels ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes noch nicht die Annahme der Unverläßlichkeit im Sinne des Waffengesetzes rechtfertige. Diese in den Erkenntnissen vom 24. Jänner 1990, Zl. 90/01/0001, vom 17. Juni 1992, Zl. 92/01/0015, und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0874, in denen die Beschwerden jeweils wegen des Hinzutretens anderer Umstände abgewiesen wurden, zum WaffG 1986 zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht gründet sich auf das zum WaffG 1967 ergangene Erkenntnis vom 4. Juli 1984, Zl. 82/01/0091 (Slg. Nr. 11.490/A). Mit diesem Erkenntnis wurde ein Bescheid, dem die Annahme der mangelnden waffenrechtlichen Verläßlichkeit einer Person, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg vier Faustfeuerwaffen besessen hatte, obwohl sie nur zum Besitz von zwei Faustfeuerwaffen berechtigt war, zugrundelag, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil aus dem unbefugten Waffenbesitz "unmittelbar keine" der drei im Gesetz angeführten Annahmen (gemeint: das Fehlen keiner dieser Annahmen, nämlich der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z. 1 bis 3 WaffG 1967 und WaffG 1986) "schlüssig abgeleitet" werden könne.

Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit dem unbefugten Erwerb und Besitz von Kriegsmaterial zunächst mit (Erkenntnisse vom 27. April 1983, Zl. 83/01/0123, und vom 14. März 1984, Zl. 84/01/0038) und in der Folge (Erkenntnisse vom 22. Februar 1989, Zl. 89/01/0027, und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0874) ohne Bezugnahme auf ein über den nach Art und Menge zulässigen Umfang "weit" hinausgehendes Ansammeln von Waffen ausgesprochen, im gesetzwidrigen Erwerb und Besitz von Kriegsmaterial komme eine Einstellung zum Ausdruck, die wegen der dabei zutage tretenden "Mißachtung waffenrechtlicher Vorschriften" dazu führe, daß die (weitere) waffenrechtliche Verläßlichkeit in Zweifel zu ziehen sei. Unter Berufung auf diese Rechtsprechung und mit der gleichen Begründung wurde auch die waffenrechtliche Verläßlichkeit einer Person, die gegen § 23 WaffG 1986 verstoßen hatte, als unzureichend gewertet (Erkenntnis vom 30. Mai 1990, Zl. 89/01/0080). Schon in einem Erkenntnis vom 27. Februar 1979, Zl. 419/78, waren aus dem Verstoß gegen waffenrechtliche Meldevorschriften durch einen Waffenhändler (in einer Vielzahl von Fällen und aus Gewinnsucht) vergleichbare Schlüsse gezogen worden. Auch unbefugtes Führen von Faustfeuerwaffen und sonstigen Schußwaffen stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - mit der Begründung, es handle sich um einen Verstoß gegen das Gebot einer sorgfältigen Verwahrung von Waffen - einen Sachverhalt dar, auf dessen alleiniger Grundlage einer Person die Verläßlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 WaffG 1967 (Erkenntnis vom 17. März 1980, Zl. 83/79) und WaffG 1986 (Erkenntnisse vom 20. Juni 1990, Zl. 90/01/0060, und vom 29. Oktober 1993, Zl. 92/01/0838) ohne Rechtsirrtum abgesprochen werden könne. In strafrechtlicher Hinsicht handelt es sich bei all diesen Verhaltensweisen - im Vergleich zum unbefugten Besitz von Waffen - um teils gleich (nämlich nach § 36 Abs. 1 WaffG 1986) und teils weniger streng (etwa als Verwaltungsübertretung nach § 37 WaffG 1986) zu ahndende Verstöße gegen waffenrechtliche Vorschriften.

Ob an der zum WaffG 1967 geprägten, in der Literatur (Gaisbauer, ÖJZ 1989, 37) kritisierten und in den erwähnten Entscheidungen zum WaffG 1986 wegen des Hinzutretens weiterer Umstände jeweils nicht tragenden Rechtsansicht, der bloße unbefugte Besitz von Waffen reiche "allein" nicht aus, um die waffenrechtliche Verläßlichkeit in Zweifel zu ziehen, vor diesem Hintergrund festzuhalten ist, und welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, daß Verurteilungen wegen Verstößen gegen das Waffengesetz im Beispielskatalog des § 6 Abs. 2 WaffG 1986 (wie im übrigen auch in § 8 Abs. 3 WaffG 1996) nicht aufscheinen, braucht für den vorliegenden Fall aber nicht geklärt zu werden. Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung nämlich ausdrücklich darauf gestützt, daß dem Beschwerdeführer nicht nur der unbefugte Waffenbesitz als solcher zur Last liege. Sie hat ihm vorgehalten, ihm sei zusätzlich zum Verstoß gegen das Waffengesetz vorzuwerfen, daß er die Waffen zur Verwahrung übernommen habe, ohne sich davon zu überzeugen, daß diese legal unter Einhaltung der entsprechenden Vorschriften in das Bundesgebiet eingeführt worden seien, dies umso mehr, als Werner S. gegenüber dem Beschwerdeführer geäußert habe, die angeblich rechtmäßig in seinem Besitz befindlichen Waffen könnten ihm weggenommen werden, weil er nicht mehr bei der Polizei sei. Von einer im Sinne des Waffengesetzes verläßlichen Person wäre angesichts dieser Aussage zu erwarten gewesen, daß sie den Grund der Verwahrung und die Modalitäten der Einfuhr näher hinterfrage. Der Beschwerdeführer habe daher nicht nur unbefugt vier Waffen besessen, sondern darüber hinaus bei der Übernahme der Waffen keineswegs das nötige Pflichtbewußtsein erkennen lassen.

Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, Sorgfaltspflichten dürften nicht überspannt werden. Werner S. habe gegenüber dem Beschwerdeführer beteuert, es handle sich "um legale Waffen". "Damit" habe "jedenfalls der Beschwerdeführer die ihm obliegende Sorgfaltspflicht hinreichend erfüllt". Er sei "mangels Vorhandensein von Anhaltspunkten ... auch nicht verpflichtet" gewesen, Werner S. "konkret zu befragen, wie diese Waffe (gemeint: Waffen) in das österreichische Bundesgebiet eingeführt" worden sei (gemeint: seien).

Dem Argument, im vorliegenden Fall habe es ausgereicht, sich versichern zu lassen, es handle sich "um legale Waffen", ist jedoch nicht zu folgen. Dies ergibt sich - wie die belangte Behörde mit Recht hervorhebt - schon aus dem Umstand, daß dem Beschwerdeführer nach seiner eigenen Darstellung bei der Überbringung der Waffen von Werner S. erklärt worden war, dieser befürchte die Abnahme der Waffen, weil er nicht mehr bei der Polizei sei. Die Beschwerde setzt sich mit diesem Argument nicht auseinander und zeigt daher nicht auf, daß die Übergabe der Waffen in die Verwahrung des Beschwerdeführers nicht gerade den erkennbaren Zweck gehabt habe, die Waffen einem allfälligen Zugriff der Schweizer Behörden zu entziehen. Den Ausführungen des Beschwerdeführers ist aber auch nicht zu entnehmen, daß und weshalb er geglaubt habe, Werner S. sei zum Besitz (und gemäß § 8 WaffG 1986 zur Innehabung) und somit auch zum Transport von Faustfeuerwaffen in Österreich aufgrund entsprechender waffenrechtlicher Urkunden (etwa nach § 27 Abs. 2 WaffG 1986) berechtigt gewesen, oder daß er nicht vorgehabt habe, Werner S. die Waffen (in Österreich) wieder auszufolgen. Auch davon abgesehen weist der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrundegelegte Sachverhalt aber jedenfalls - über den unbefugten Waffenbesitz des Beschwerdeführers während der Verwahrung der Waffen hinaus - Elemente auf, die vor allem im Hinblick auf die Gefahr einer Überlassung von Waffen an nicht zu deren Besitz berechtigte Personen (§ 6 Abs. 1 Z. 3 WaffG 1986) an der waffenrechtlichen Verläßlichkeit des Beschwerdeführers zweifeln lassen. In die gleiche Richtung deutet auch der unbefugte Waffenbesitz, weil er nicht darauf schließen läßt, der Beschwerdeführer werde sich im Falle einer Überlassung von Waffen an andere Personen darum kümmern, ob diese zum Besitz dieser Waffen ausreichend befugt seien. Mit der angefochtenen Entscheidung hat die belangte Behörde unter diesen Umständen nicht gegen das Gesetz verstoßen.

Die demnach unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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