VwGH 97/18/0324

VwGH97/18/032426.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. U, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 3. April 1997, Zl. St 445/96, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59;
AVG §60;
AVG §67;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §21;
EMRK Art8 Abs2;
AVG §59;
AVG §60;
AVG §67;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §21;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 3. April 1997 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 19, 20 und 21 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer, der im Besitz einer bis 29. Mai 1997 gültigen Aufenthaltsbewilligung sei, sei mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 22. Februar 1996 wegen Verbrechens des teils vollendeten und teils versuchten schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs.2, 129 Z. 1 und 2, 130 dritter und vierter Fall und § 15 Abs.1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten verurteilt worden, wobei 15 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden seien. Der Beschwerdeführer habe im Zusammenwirken mit zwei Komplizen in der Zeit von April bis November 1995 fremde bewegliche Sachen (Textilien, Kosmetika, Kameras, usw.) in einem insgesamt S 500.000,-- übersteigenden Wert mit dem Vorsatz weggenommen, teils wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er in ein Transportmittel (verschiedene LKW von Transportfirmen) eingebrochen sei und ein Behältnis aufgebrochen habe, wobei er die Diebstähle durch Einbruch und in der Absicht begangen habe, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Es handle sich um insgesamt 22 Einbrüche.

Aufgrund dieser Verurteilung sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt; dies werde vom Beschwerdeführer nicht bestritten. In Anbetracht der persönlichen Situation des Beschwerdeführers - Geburt in Österreich, ab dem Alter von zwei Jahren bis zum Alter von 16 Jahren Aufenthalt in Jugoslawien, dann (im Jahr 1989) Rückkehr nach Österreich, Absolvierung der Berufsschule und Beschäftigung in Österreich; Aufenthalt der Mutter im Bundesgebiet - werde durch das Aufenthaltsverbot nicht nur in sein Privat- und Familienleben eingegriffen, sondern es sei ihm darüber hinaus eine der Dauer seines Aufenthaltes (ca. sieben Jahre ununterbrochen) entsprechende Integration zuzubilligen. Im Hinblick auf den wiederholten Wechsel des Arbeitgebers könne aber von einer vollständigen beruflichen Integration des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden. Auch im sozialen Bereich sei ihm, was die zahlreichen strafbaren Handlungen verdeutlichten, eine Integration nocht nicht gelungen. Auf der anderen Seite zählten strafbare Handlungen nach den §§ 129 und 130 StGB zu den schwersten Verfehlungen gegen das Eigentumsrecht. 22 Einbruchsdiebstähle könnten nicht mehr mit dem Hinweis auf einen "sehr jugendlichen Leichtsinn" gerechtfertigt werden, was im übrigen auch nicht den Tatsachen entspreche, da der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt bereits erwachsen gewesen sei und ihm die Tragweite seines Handelns habe voll bewußt sein müssen.

Da - unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen - im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers sei das Aufenthaltsverbot auch zulässig i.S. des § 20 Abs. 1 FrG. Daran vermöge auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf seine familiäre Situation bzw. auf seine Mutter als einzige Bezugsperson nichts zu ändern.

Aufgrund der Vielzahl der Straftaten des Beschwerdeführers könne nicht abgesehen werden, wann der Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegfallen werde, weshalb es nur unbefristet habe verhängt werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die - auf den unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen fußende - Ansicht der belangten Behörde es sei vorliegend der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt, unbekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

2.1. Die Beschwerde erachtet den angefochtenen Bescheid wegen unrichtiger Anwendung des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG für rechtswidrig. Zur Begründung dieser Auffassung wird auf die privaten und familiären Umstände (achtjähriger ununterbrochener Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, Absolvierung der Berufsschule und regelmäßige Beschäftigung in Österreich; Aufenthalt der Mutter des Beschwerdeführers in Österreich und gemeinsamer Haushalt mit ihr; Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin, beabsichtigte Heirat) hingewiesen sowie auf die daraus abzuleitende Integration sowohl in beruflicher als auch sozialer Hinsicht, zumal von einem häufigen Arbeitgeberwechsel nicht gesprochen werden könne.

2.2.1. Die vorstehend angeführten Umstände lassen eine Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 wie auch des § 20 Abs. 1 FrG nicht erkennen. Es ist der Beschwerde einzuräumen, daß die für einen Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden Gründe - von der belangten Behörde erkennbar so beurteilt - durchaus beachtlich sind. Auf der anderen Seite ist das durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigte öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung, an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und am Schutz der Rechte Dritter (Art. 8 Abs. 2 MRK) von großem Gewicht. Der Beschwerdeführer hat durch seine zahlreichen, sich über einen Zeitraum von etwa acht Monaten (also nicht, wie die Beschwerde meint, "kurzen Zeitraum") erstreckenden schweren Straftaten - Verbrechen des schweren Einbruchsdiebstahls in Form gewerbsmäßiger Tatbegehung - mit aller Deutlichkeit seine Mißachtung fremden Vermögens zum Ausdruck gebracht und solcherart dem Allgemeininteresse an der Beendigung seines Aufenthaltes ein Gewicht verliehen, das schwerer wiegt als die gegenläufigen persönlichen Interessen und damit die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Blick auf Art. 8 Abs. 2 MRK notwendig und demnach gemäß § 19 FrG zulässig macht. Daß das Gericht die über den Beschwerdeführer verhängte 20-monatige Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten bedingt nachgesehen hat, steht dieser Beurteilung nicht entgegen, hatte doch die belangte Behörde die Frage, ob das besagte Fehlverhalten des Beschwerdeführers das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen dringend gebiete, eigenständig aus der Sicht des Fremdengesetzes vorzunehmen, ohne an die Erwägungen gebunden zu sein, die das Gericht zu einer bedingten Strafnachsicht veranlaßt haben (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 96/18/0512).

2.2.2. Im Lichte der vorstehenden Ausführungen stößt auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Abwägung auf keinen Einwand. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten, nach dieser Bestimmung relevanten Umstände wiegen in ihrer Gesamtheit - auch unter Einbeziehung der im bekämpften Bescheid nicht ausdrücklich berücksichtigten Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin - jedenfalls nicht schwerer (weshalb dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei der Geltendmachung dieses Umstandes um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) handelt) als das gegenläufige öffentliche Interesse bzw. die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes. Hiebei ist insbesondere darauf hinzuweisen, daß die aus dem Aufenthalt des Beschwerdeführers seit dem Jahr 1989 und seiner Beschäftigung resultierende Integration in Ansehung der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die Vielzahl der schweren Straftaten erheblich beeinträchtigt wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/1423), und das Gewicht der Beziehung zu seiner Mutter dadurch relativiert wird, daß der Beschwerdeführer bereits mehr als 23 Jahre alt ist. Das maßgebliche öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung erfährt indes weder dadurch, daß der Beschwerdeführer laut Beschwerde aus "jugendlicher Unbesonnenheit" gehandelt hat noch deshalb eine Schmälerung, weil er im Fall der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes den durch seine Straftaten geschädigten Personen keine Entschädigungsleistungen mehr erbringen könne. Denn zum einen war der Beschwerdeführer im Zeitraum der Begehung der strafbaren Handlungen schon geraume Zeit nicht mehr "Jugendlicher" (vgl. § 1 Z. 2 JGG), zum anderen können die angesprochenen Entschädigungen auch vom Ausland geleistet werden; abgesehen davon ist es dem Fremden im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG rechtens nicht möglich, zur Stützung seines Standpunktes andere als seinem privaten und familiären Bereich zugehörige Umstände geltend zu machen.

3. Die unter dem Beschwerdegrund der "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" behauptete Unvollständigkeit des Bescheidspruches im Hinblick darauf, daß die "Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes" aus ihm nicht hervorgingen, liegt nicht vor. Gegenstand des Spruches mußte vielmehr - wie geschehen - allein die "Erlassung eines Aufenthaltsverbotes", die Festsetzung der Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme und die Anführung der angewendeten (die Rechtsgrundlage bildenden) Vorschriften sein. Warum die Behörde spruchgemäß verfügt hat, darüber hat die Begründung Auskunft zu geben (vgl. §§ 59, 60, 67 AVG).

4. Schließlich ist auch der Vorwurf, die "Festsetzung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes" stelle eine "äußerst unbillige Härte" dar, nicht gerechtfertigt. Die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer verstößt weder gegen Abs. 1 noch gegen Abs. 2 des die Festsetzung der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes regelnden § 21 FrG. Der belangten Behörde kann insbesondere nicht entgegengetreten werden, wenn sie unter Bezugnahme auf die Vielzahl und die Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen die Auffassung vertreten hat, daß der Zeitpunkt des Wegfalles der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände (§ 21 Abs. 2 FrG), nämlich der Gefährdung des durch die besagten Straftaten betroffenen öffentlichen Interesses am Schutz der öffentlichen Ordnung, an der Verhinderung weiterer Straftaten und am Schutz der Rechte Dritter, nicht vorhergesehen werden könne, weshalb eine Befristung nicht in Betracht komme.

5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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