VwGH 97/18/0318

VwGH97/18/03184.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des J in Wien, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Friedrich-Schmidt-Platz 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. April 1997, Zl. SD 243/97, betreffend ein befristetes Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §20;
FrG 1993 §31 Abs1;
KFG 1967 §64 Abs1;
SGG §16 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §20;
FrG 1993 §31 Abs1;
KFG 1967 §64 Abs1;
SGG §16 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. April 1997 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen deutschen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und 2 iVm § 31 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Gegen den Beschwerdeführer, der sich nach seinen eigenen Angaben seit etwa 30 Jahren in Österreich befinde, sei schon mit Bescheid der Erstbehörde vom 28. November 1986 ein bis zum 30. Dezember 1996 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Grundlage für diese Maßnahme sei der Umstand gewesen, daß sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe bzw. am 27. November 1986 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen § 136 StGB zu einer (bedingten) Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer einen Vollstreckungsaufschub bis 1987 erhalten. Danach sei er trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes weiterhin in Österreich geblieben und sei am 23. November 1994 in Wien festgenommen worden. Anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme habe er beim Bezirkspolizeikommissariat Neubau angegeben, in Österreich einer illegalen Beschäftigung nachzugehen und an einer näher genannten Adresse unangemeldet wohnhaft zu sein. Dessen ungeachtet sei über Antrag des Beschwerdeführers vom 1. Dezember 1994 das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot am 2. Februar 1995 aufgehoben und ihm ein Lichtbildausweis für EWR-Bürger ausgestellt worden.

Am 10. Dezember 1995 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels sowie wegen Vergehens nach § 16 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes zu einer (bedingten) Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zugrundegelegen, daß der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Mittäter im Zeitraum von Anfang 1994 bis August 1995 eine große Menge Suchtgift in Verkehr gesetzt bzw. in Verkehr zu setzen versucht habe. Darüber hinaus habe er im Zeitraum von Herbst 1994 bis 4. August 1995 wiederholt Suchtgift, nämlich Haschisch und Kokain, erworben und besessen.

Hinzu komme, daß der Beschwerdeführer auch mehrmals wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen, nämlich am 11. April 1995 vom Bezirkspolizeikommissariat Wieden wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO bzw. des § 64 Abs. 1 KFG, am 23. August 1996 vom Bezirkspolizeikommissariat Schmelz ebenfalls wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO und des § 64 Abs. 1 KFG sowie zuletzt am 18. November 1996 vom Bezirkspolizeikommissariat Mariahilf wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG, rechtskräftig bestraft worden sei.

Das der Verurteilung bzw. den Bestrafungen zugrundeliegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers gefährde zweifellos die öffentliche Ordnung und Sicherheit im hohen Maße. In einem solchen Fall sei auch gegen einen EWR-Bürger gemäß § 31 Abs. 1 FrG die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden.

Aufgrund des langjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers sowie im Hinblick auf seine familiären Bindungen "(minderjährige Tochter, Geschwister, Mutter und Großmutter)" liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in sein Privat- und Familienleben vor. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei jedoch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung von strafbaren Handlungen - als dringend geboten zu erachten. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer durch den wiederholten Verstoß gegen maßgebliche Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes auch die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit beeinträchtigt habe. Der Umstand, daß sich der Beschwerdeführer jahrelang trotz des gegen ihn bestandenen Aufenthaltsverbotes in Österreich aufgehalten habe, verdeutliche überdies, daß er auch keinerlei Bedenken habe, sich über die für ihn maßgeblichen fremdenpolizeilichen Vorschriften in geradezu beharrlicher Weise hinwegzusetzen. Eine Zukunftsprognose könne daher keinesfalls positiv für ihn ausfallen.

Im Rahmen der nach § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei der seit etwa 30 Jahren gegebene inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers zu berücksichtigen gewesen. Der daraus ableitbaren Integration des Beschwerdeführers komme aber insofern kein entscheidendes Gewicht zu, weil zum einen gegen ihn ein Aufenthaltsverbot im Zeitraum vom 28. November 1986 bis 2. Februar 1995 bestanden habe und zum anderen die für eine Integration wesentliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers eine erhebliche Beeinträchtigung erfahren habe. In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgriftkriminalität die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig sei (vgl. etwa Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juli 1993, Zl. 93/18/0144). Auch die familiären Bindungen des Beschwerdeführers würden durch den Umstand relativiert, daß der Beschwerdeführer erwachsen sei und er überdies einer allfälligen Unterhaltsverpflichtung vom Ausland aus nachkommen könne.

Die belangte Behörde sei jedenfalls zur Auffassung gelangt, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In Anbetracht der Art und Schwere des vom Beschwerdeführer wiederholt gesetzten Fehlverhaltens, das zu der genannten strafgerichtlichen Verurteilung und den genannten rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen Bestrafungen geführt hat, konnte die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen, daß die Anwesenheit des Beschwerdeführers in Österreich eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 31 Abs. 1 (iVm § 18 Abs. 1 Z. 1) FrG darstellt und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG dringend geboten ist. Die Beschwerde enthält diesbezüglich kein Vorbringen.

2.1. Die Beschwerde hält indes den Bescheid ausschließlich wegen unrichtiger Anwendung des § 20 FrG für rechtswidrig.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 1968 in Österreich auf, seine Mutter, Großmutter und Geschwister seien in Wien wohnhaft. Auch seine Tochter, für die er sorge- und unterhaltspflichtig sei, lebe in Österreich. Der Beschwerdeführer sei hier ständig berufstätig gewesen und abgesehen von den im Bescheid vorgeworfenen Verurteilungen und Bestrafungen "unbescholten". Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher bei Abwägung der öffentlichen Interessen an der "Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes" gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers nicht zulässsig.

2.2. Die belangte Behörde hat den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers und seine familiären Bindungen in Österreich ausdrücklich zu seinen Gunsten in ihre Beurteilung einbezogen. Die Beschwerde zeigt mit ihren auf diese Umstände gerichteten Ausführungen keine Rechtswidrigkeit der von der Behörde vorgenommene Interessenabwägung auf, da die für eine Integration wesentliche soziale Komponente durch den Verstoß gegen das Suchtgiftgesetz sowie die wiederholten schwerwiegenden Verstöße gegen § 5 Abs. 1 StVO bzw. § 64 Abs. 1 KFG beträchtlich gemindert wird. Weiters steht bei Suchtgiftdelikten wegen deren großer Sozialschädlichkeit selbst eine ansonsten völlige soziale Integration des Fremden der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus der Sicht des § 20 Abs. 1 FrG nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 1997, Zl. 97/18/0121, mwH).

Zu Ungunsten des Beschwerdeführers fällt im Rahmen der Interessenabwägung nach § 20 FrG weiters ins Gewicht, daß er sich - nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid - jahrelang trotz des gegen ihn bestandenen Aufenthaltsverbotes in Österreich aufgehalten hat und damit das aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) einen hohen Stellenwert aufweisende öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften erheblich beeinträchtigt hat (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkennntis vom 24. Oktober 1996, Zl. 96/18/0435, mwH).

Der Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter kann der Beschwerdeführer - wie die Behörde zutreffend festgehalten hat - auch vom Ausland aus nachkommen. Sollte - wie der Beschwerdeführer behauptet - das Aufenthaltsverbot auch seine Sorgepflicht gegenüber seiner Tochter berühren, muß dies angesichts des beschriebenen maßgeblichen öffentlichen Interesses in Kauf genommen werden.

Mit seinem Vorbringen, daß er abgesehen von der genannten strafgerichtlichen Verurteilung und den genannten verwaltungsbehördlichen Bestrafungen unbescholten sei, tut der Beschwerdeführer keinen Umstand dar, der hinsichtlich der nach § 20 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung eine Stärkung der persönlichen Interessen oder eine Schwächung des dem Aufenthaltsverbot zugrundeliegenden öffentlichen Interesses bedeuten würde (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1997, Zl. 97/18/0043).

Die gewiß nicht unbeachtlichen Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf den Beschwerdeführer und seine Familie wiegen somit nicht so schwer wie die sich aus dem wiederholten und gravierenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers ergebende Gefährlichkeit für die öffentliche Ordnung und Sicherheit und die darin begründeten nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme.

3. Da nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde 42 Abs.1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte