VwGH 97/18/0180

VwGH97/18/01806.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des E in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. Dezember 1996, Zl. St 600/96, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 23. Dezember 1996 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides hat der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung im Asylverfahren zu seinen Fluchtgründen - auf welche er auch seinen Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG stützte - ausgeführt, er gehöre der albanischen Volksgruppe und der moslemischen Glaubensgemeinschaft im Kosovo an. Am 17. Oktober 1995 habe er in seiner Heimat den Ladungsbefehl zur Musterung erhalten. Nach dem Erhalt dieser Ladung, der er keine Folge geleistet habe, habe er sich bis zu seiner Flucht am 22. Oktober 1995 bei Verwandten aufgehalten. Von seinem Bruder habe er erfahren, daß die Polizei wegen der Ableistung des Militärdienstes nach ihm gesucht habe. Er habe von anderen Familien gehört, daß deren Söhne sofort nach der Musterung an die Front nach Bosnien geschickt worden seien. Wäre er von der Polizei "erwischt" worden, so hätte auch ihn dieses Schicksal getroffen.

Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen und dem Hinweis auf die Richtigkeit der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides führte die belangte Behörde aus, daß aus bloßen Vermutungen (mögen sie auch auf andere Personen betreffende Vorfälle Bezug nehmen) keine Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG abgeleitet werden könne. Die Glaubhaftmachung einer derartigen Gefährdung und/oder Bedrohung gelinge weder durch allgemein gehaltene Hinweise auf die Brisanz der derzeitigen politischen Situation (bzw. die Situation der albanischen Volksgruppe) im Heimatstaat des Beschwerdeführers noch durch die Verweisung auf Berichte verschiedener, wenn auch namhafter und kompetenter, Organisationen.

Da der Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden sei, könne davon ausgegangen werden, daß die im Asylverfahren geltend gemachten Verfolgungsgründe nicht vorlägen, weil der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren keine neuen Tatsachen vorgebracht habe.

Bezüglich der Ableistung des Militärdienstes habe bereits die Erstbehörde zutreffend darauf hingewiesen, daß es das Recht jedes Staates wäre, seine männlichen und wehrfähigen Staatsbürger zum Militärdienst einzuberufen, wobei auch "in Staaten westlicher Prägung wie Österreich" die Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion unter strenger Strafdrohung stünde. Die Einberung zum Militärdienst bzw. die strafrechtliche Verfolgung wegen Desertion und Refraktion stelle grundsätzlich weder Folter noch unmenschliche Behandlung oder Strafe im Sinne des Art. 3 MRK dar. Sie begründe auch keine Verfolgung im Sinne des § 37 Abs. 2 FrG. Die Gefahr der Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Wehrdienstverweigerung im Falle der Rückkehr in seinen Heimatstaat sei mangels entsprechender Zielrichtung der Strafdrohung nicht als Bedrohung der Freiheit aus Gründen der politischen Ansichten zu werten. Der Beschwerdeführer habe lediglich vorgebracht, im Falle seiner Rückkehr mit einer Geldstrafe rechnen zu müssen. Selbst wenn seine Angaben der Wahrheit entsprächen, könne darin keine Gefährdung/Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG erblickt werden, weil auch in Staaten westlicher Prägung bei Desertion zumindest eine Geldstrafe verhängt werde. Die Angaben des Beschwerdeführers bezüglich der sofortigen Verschickung an die Front nach Bosnien seien insofern unglaubwürdig, als sich diese Tatsache aus allgemeinen Medienberichten nicht verifizieren lasse. Ebenso seien die Angaben des Beschwerdeführers, wonach bei der Ableistung des Präsenzdienstes bzw. bei einer allfälligen Bestrafung wegen Desertion unsachlich differenziert werde, nicht verifizierbar.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Falle der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das

hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/18/0685, mit weiteren Nachweisen).

3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, daß die Volksgruppe der Albaner im Kosovo und im "Reststaat der Bundesrepublik Jugoslawien" unterdrückt und sämtliche Maßnahmen getroffen würden, diese Volksgruppe zu benachteiligen. Eine Verfolgung sei auch dadurch gegeben, daß diese Volksgruppe "nicht der Religionszugehörigkeit des Reststaates entspricht".

Dagegen ist auszuführen, daß der bloße Hinweis auf die Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe bzw. zur moslemischen Glaubensgemeinschaft und die allgemeinen Ausführungen über Benachteiligungen dieser Gruppe im Heimatland des Beschwerdeführers nicht ausreichen, eine den Beschwerdeführer individuell betreffende aktuelle Verfolgungssituation darzutun.

3.2. Damit ist auch der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, "Berichte von Menschenrechtsorganisationen" und über "die Verhaltensweise des die Gefährdung verursachenden Staates" einzuholen, der Boden entzogen.

4.1. Weiters bringt die Beschwerde vor, zum fraglichen Zeitpunkt (offenbar gemeint: im Zeitpunkt seiner Ladung zur Musterung) habe die jugoslawische Armee militärische Einsätze in Bosnien durchgeführt. Die Einberufung des Beschwerdeführers sei daher auch mit einer Todesgefahr verbunden gewesen. Der unmittelbare Einsatz von Soldaten albanischer Nationalität nicht im Kosovo, sondern in anderen Bereichen, könne lediglich dazu dienen, eine "ethnische Säuberung" vorzunehmen bzw. eine Minderheit entsprechend zu unterdrücken. Es sei allgemein bekannt, daß es im Rahmen der jugoslawischen Krise tatsächlich zu "ethnischen Säuberungen" gekommen sei; solche könnten "mit gutem Gewissen im Rahmen der Kosovo-Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden".

Diesem Vorbringen ist - abgesehen davon, daß es sich auch bei der Befürchtung des Beschwerdeführers, im Falle der Militärdienstleistung an die Front geschickt zu werden, nur um eine nicht näher konkretisierte Vermutung handelt - zu entgegnen, daß die belangte Behörde die Frage, ob für den Beschwerdeführer im Fall der Abschiebung eine aktuelle Bedrohung bestand, für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu beurteilen hatte. Damals war jedoch die jugoslawische Armee - wie allgemein bekannt ist - in keine Kampfeinsätze in Bosnien verwickelt.

4.2. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er habe bei Rückkehr in seine Heimat wegen der Wehrdienstverweigerung nicht nur mit einer Geldstrafe, sondern auch mit einer Haftstrafe zu rechnen, ist ihm zu entgegnen, daß die befürchtete Verhängung einer Freiheitsstrafe (als solcher) wegen Wehrdienstverweigerung weder eine Bedrohung der Freiheit aus den im § 37 Abs. 2 FrG genannten Gründen (vgl. das

hg. Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 94/18/0496, wonach die wegen Wehrdienstverweigerung bestehende Strafdrohung nicht auf die politische Ansicht des Wehrdienstverweigerers zielt) noch eine unmenschliche Behandlung oder Strafe (oder Todesstrafe) im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG darstellt.

5. Soweit der Beschwerdeführer auf seine privaten und familiären Interessen am Verbleib in Österreich verweist, ist ihm zu entgegnen, daß darauf - anders als im Verfahren zu Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes - im Rahmen des vorliegenden Feststellungsverfahrens nicht Bedacht zu nehmen ist.

6. Der vom Beschwerdeführer im Rahmen der Verfahrensrüge zitierte § 37 Abs. 3 FrG bezieht sich nur auf die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden. Keine dieser Maßnahmen ist Gegenstand des angefochtenen Bescheides.

7. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß der Beurteilung der belangten Behörde, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Jugoslawien im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG, Rechtswidrigkeit nicht anhaftet und die behauptete Rechtsverletzung daher nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

8. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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