VwGH 97/18/0010

VwGH97/18/001013.3.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. September 1996, Zl. SD 859/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §12 Abs3 Z3;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §12 Abs3 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 25. September 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und 2 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 1. Jänner 1990, einen Tag nach Ablauf eines am 27. Juli 1979 gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes, (wieder) in das Bundesgebiet eingereist. Dem nunmehr verhängten Aufenthaltsverbot liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer am 13. Oktober 1995 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen versuchten Einbruchsdiebstahls mit einer Waffe (§§ 15, 127, 129 Z. 1 und 4 StGB) sowie wegen unbefugten Besitzes und Führens einer Faustfeuerwaffe und wegen Besitzes einer verbotenen Waffe (§ 36 Abs. 1 Z. 1 und 2 WaffG) zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe, bedingt auf drei Jahre, rechtskräftig verurteilt worden sei. Damit sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht. Die als bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 FrG anzusehende Verurteilung bewirke aber auch, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Sicherheit gefährde. Dazu kämen noch zwei schwerwiegende Verwaltungsübertretungen i.S. des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG, weil der Beschwerdeführer am 17. Dezember 1993 ein Kraftfahrzeug gelenkt habe, obwohl er nicht im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung gewesen sei (§ 64 Abs. 1 KFG), und sich in der Folge geweigert habe, seine Atemluft von einem Straßenaufsichtsorgan messen zu lassen, obwohl vermutet habe werden können, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe (§ 5 Abs. 2 und 2 a lit. b StVO).

Der Beschwerdeführer sei seit dem Jahr 1990 mit einer österreichischen Staatsbürgerin, mit der er zwei mj. Kinder habe, verheiratet. Im Hinblick auf den nunmehr sechsjährigen rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers und die familiäre Situation sei ein durch das Aufenthaltsverbot bewirkter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers (i.S. des § 19 FrG) anzunehmen gewesen. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung der Ziele nach Art. 8 Abs. 2 MRK (hier:

Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig.

Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht so schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Dabei sei zu bedenken gewesen, daß das Ausmaß der Integration aufgrund der Straftaten des Beschwerdeführers stark relativiert erscheine. Die Schwere der Straftaten könne jedenfalls weder durch die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen noch durch die Dauer des Aufenthaltes aufgewogen werden.

Wenn sich der Beschwerdeführer in bezug auf die von der Erstbehörde zitierte Amtshandlung wegen Suchtgifthandels auf die Unschuldsvermutung berufe und vorbringe, daß die Erstbehörde kompetenzwidrig eine Angelegenheit beurteilt hätte, für die nur das Strafgericht zuständig wäre, so sei festzuhalten, daß er zwar noch nicht rechtskräftig, aber doch mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. September 1996 wegen §§ 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden sei.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 25. November 1996, B 3755/96).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt aus diesen Gründen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Ansicht der belangten Behörde, daß vorliegend die Tatbestände des § 18 Abs. 2 Z. 1 (dritter Fall) und Z. 2 (erster Fall) FrG verwirklicht seien und auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme (in Ansehung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) gerechtfertigt sei, unbekämpft. Diese Beurteilung stößt auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen auf keine Bedenken; dies umso weniger, als im Rahmen des gemäß § 18 Abs. 1 leg. cit. zu beurteilenden Gesamt(fehl)verhaltens auch der - durch die erstinstanzliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 3 SGG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr (unbedingt) hinreichend untermauerte - Verdacht des Suchtgifthandels zu Lasten des Beschwerdeführers zu Buche schlägt (vgl. zur rechtlichen Relevanz eines begründeten und entsprechend untermauerten Tatverdachtes das zu § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ergangene auch bei der Beurteilung nach § 18 Abs. 1 FrG zum Tragen kommende hg. Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 94/18/0524).

2. Wenn die belangte Behörde angesichts dieses in mehrfacher Hinsicht gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über ihn aus den im Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen, insbesondere zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen sowie mit Rücksicht auf den Schutz der Gesundheit und der Rechte und Freiheiten anderer, auch unter Bedachtnahme auf die beachtlichen privaten und familiären Interessen (sechsjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin seit dem Jahr 1990, zwei mj. Kinder), für dringend geboten und damit nach § 19 FrG für zulässig erachtete, so kann dieses das Gewicht der maßgeblichen öffentlichen Interessen vergleichsweise höher veranschlagende Ergebnis nicht als rechtsirrig erkannt werden. Von daher ist weder der Vorwurf, die belangte Behörde habe die gebotene Abwägung nach § 19 FrG unterlassen (Rechtsrüge), noch die Verfahrensrüge, daß dem angefochtenen Bescheid (in bezug auf diese Abwägung) "eine nachvollziehbare Begründung in Wahrheit fehlt", berechtigt.

3. Auch dem Ergebnis der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung haftet keine Rechtswidrigkeit an. Die belangte Behörde sah das Ausmaß der - aus der Dauer seines Aufenthaltes und seiner familiären Bindungen resultierenden - Integration des Beschwerdeführers als durch die Straftaten "stark relativiert" an. Diese Bewertung ist zutreffend (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 96/18/0497), wobei auch insoweit der ausreichend begründete und untermauerte Verdacht des Suchtgifthandels zuungunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen war. Im Gegensatz zur Beschwerdemeinung hält der Gerichtshof die Aussage der belangten Behörde, daß die "Schwere der Straftaten jedenfalls weder durch die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen noch durch die Dauer des Aufenthaltes aufgewogen werden" könne, für unbedenklich, bringt sie doch nichts anderes zum Ausdruck, als die Auffassung, daß die nach § 20 Abs. 1 FrG zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigenden Umstände privater und familiärer Natur nicht von solchem Gewicht sind, daß die maßgeblichen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen hinter sie zurückzutreten hätten. Dieses Abwägungsergebnis stößt auf keinen Einwand, denn das durch das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers in ganz erheblicher Weise beeinträchtigte Allgemeininteresse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und am Schutz der Gesundheit wiegt schwerer als das - soweit das wesentliche Kriterium des Ausmaßes der Integration in Rede steht, deutlich geschwächte - persönliche Interesse des Beschwerdeführers an seinem Verbleiben im Bundesgebiet bzw. die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine und seiner Familie Lebenssituation. Daß der Beschwerdeführer das bisherige Zusammenleben mit seiner Familie nicht aufrechterhalten kann, ist zwangsläufig Folge des Überwiegens des dargestellten öffentlichen Interesses an der Ausreise des Beschwerdeführers und muß in Kauf genommen werden. Ins Detail gehender Ermittlungen und Feststellungen durch die belangte Behörde - wie von der Beschwerde vermißt -, wo und in welcher Form "ein Rest des vorhandenen Familienlebens überhaupt aufrecht erhalten werden könnte", bedurfte es angesichts dessen nicht.

4. Was schließlich die Verfahrensrüge der behaupteten Verletzung des Parteiengehörs in bezug auf die (erstmals von der belangten Behörde herangezogenen) Übertretungen des § 64 Abs. 1 KFG und des § 5 Abs. 2 StVO anlangt, so versagt diese schon deshalb, weil der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, bei Gewährung des Parteiengehörs wäre er in der Lage gewesen, "zu den Verwaltungsübertretungen Stellung zu nehmen", die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dartut, insbesondere weder die Übertretungen als solche noch die deswegen erfolgte Bestrafung in Abrede stellt.

5. Da bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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