Normen
AVG §58 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;
AVG §58 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E und F unbefristet, für Kraftfahrzeuge der Gruppe D bis 16. April 1997 befristet erteilte Lenkerberechtigung gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm bis einschließlich 27. Februar 1998 (das sind 12 Monate, gerechnet ab Zustellung des Entziehungsbescheides der Erstbehörde, der Bundespolizeidirektion Wien) keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die bekämpfte Entziehungsmaßnahme beruht auf der Annahme einer die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers indizierenden bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967. Die belangte Behörde stützte diese Annahme auf die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. Mai 1996 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB, des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und 2 Z. 4 StGB (Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung vom 2. Mai 1996). Laut gerichtlichem Schuldspruch hat der Beschwerdeführer am 28. Dezember 1995
1. eine näher genannte Person durch Faustschläge gegen das Gesicht, die eine Schürfwunde am Nasenrücken zur Folge hatten, vorsätzlich am Körper verletzt, 2. dadurch, daß er einen Sicherheitswachebeamten am Hals würgte und einem anderen Beamten Faustschläge versetzte, während er und ein weiterer Täter schrien: "Außerdem holen wir gleich unsere Pistolen und machen euch tot", wobei der Beschwerdeführer mit der Hand eine Drohgebärde in Form einer Pistole machte, die einschreitenden Sicherheitswachebeamten mit Gewalt und durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung zu hindern versucht, 3. die Sicherheitswachebeamten durch die mehrmals, auch noch nach der Festnahme auf dem Bezirkspolizeikommissariat wiederholte Äußerung: "Euch Polizisten werden wir Schwierigkeit machen. Wenn wir das nächste Mal zusammentreffen, machen wir euch tot", gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und 4. einen der Sicherheitswachebeamten im Zug der Amtshandlung durch Verdrehen seines Ringfingers vorsätzlich am Körper verletzt, was eine an sich schwere Prellung bzw. Zerrung des Fingers und einen Sehneneinriß sowie einen Krankenstand von einem Monat und 10 Tagen zur Folge hatte. Im Rahmen der Wertung nach § 66 Abs. 3 KFG 1967 führte die belangte Behörde aus, dieses offensichtlich verwerfliche und gefährliche Verhalten des Beschwerdeführers lasse eine zu Aggressionen neigende Sinnesart erkennen. Diese stehe in krassem Gegensatz zu jener Sinnesart, wie sie von Kraftfahrzeuglenkern im Hinblick auf die im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktsituationen erwartet werden müsse. Die festgesetzte Frist sei unbedingt erforderlich, weil frühestens nach ihrem Ablauf aus einem bis dahin gezeigten Wohlverhalten auf eine entsprechende Änderung der Sinnesart geschlossen werden könne. Da nach Ablauf der festgesetzten Zeit das Vorliegen aller Voraussetzungen für die Wiedererteilung der Lenkerberechtigung zu prüfen sein werde, könne mit einer bloß vorübergehenden Entziehung der Lenkerberechtigung, die nach Ablauf der Entziehungsfrist von selbst wieder aufleben würde, nicht das Auslangen gefunden werden.
Der Beschwerdeführer ist zunächst nicht im Recht, wenn er das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 verneint. Eine bestimmte Tatsache nach dieser Bestimmung liegt unter anderem dann vor, wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß dem § 84 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat. Ersteres trifft im Hinblick auf die Verurteilung wegen eines Vergehens nach den §§ 83, 84 Abs. 1 und 2 Z. 4 StGB zu. Es ist daher ohne Belang, daß nicht auch "eine wiederholte Begehung des § 83 StGB" vorliegt.
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, nicht berücksichtigt zu haben, daß die Tat vom 28. Dezember 1995 im Zuge einer Alkoholisierung erfolgt sei, in krassem Widerspruch zu seinem bisherigen Lebenswandel stehe und daß er sich seither wohlverhalten habe, insbesondere auch im Straßenverkehr völlig unauffällig geblieben sei.
Sofern damit gemeint ist, die Annahme seiner Verkehrsunzuverlässigkeit aufgrund des Vorfalls vom 28. Dezember 1995 sei verfehlt und mithin eine Entziehungsmaßnahme überhaupt unzulässig, ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Er verharmlost bei diesem Vorbringen sein Verhalten. Das strafbare Verhalten vom 28. Dezember 1995 erschöpft sich nicht in einer einzigen Tat, sondern umfaßt mehrere zum Teil schwerwiegende Tathandlungen und weist insgesamt eine hohe Verwerflichkeit und Gefährlichkeit auf. Es rechtfertigt aufgrund dessen die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides und für mindestens weitere drei Monate.
Der Beschwerdeführer ist aber, was Art und Ausmaß der Entziehungsmaßnahme anlangt, im Ergebnis im Recht. Die belangte Behörde hatte bei der Wertung des strafbaren Verhaltens nach § 66 Abs. 3 KFG 1967 auch die seit der Straftat verstrichene Zeit und das Verhalten des Beschwerdeführers während dieser Zeit zu berücksichtigen. Dabei handelte es sich um 14 Monate bis zum Beginn der Entziehungsmaßnahme. Davon sind zwar die ersten vier Monate wegen des während dieser Zeit anhängigen gerichtlichen Strafverfahrens von geringer Bedeutung. Wohl aber fällt das Wohlverhalten des Beschwerdeführers in den restlichen zehn Monaten bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu seinen Gunsten ins Gewicht (vgl. zur Bedeutung eines längeren Wohlverhaltens im Besitze der Lenkerberechtigung und des Führerscheines die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1989, Zl. 88/11/0229 und Zl. 88/11/0230, sowie vom 23. April 1996, Zl. 95/11/0225). Dazu kommt die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers (er weist nach der Aktenlage keine Vorstrafen auf). Angesichts dieser für den Beschwerdeführer sprechenden Umstände ist die Annahme der belangten Behörde verfehlt, der Beschwerdeführer werde seine Verkehrszuverlässigkeit frühestens am 28. Februar 1998, das sind 26 Monate ab dem Vorfall vom 28. Dezember 1995, wiedererlangen. Die belangte Behörde hätte vielmehr mit der Bemessung einer erheblich kürzeren Zeit das Auslangen finden müssen.
Die belangte Behörde hat, wie die Begründung für die gewählte Entziehungsart (Notwendigkeit der Prüfung aller Voraussetzungen für die Wiedererteilung der Lenkerberechtigung nach Ablauf der festgesetzten Zeit) zeigt, die Rechtslage auch in einem weiteren Punkt verkannt. Sie hat lediglich festgestellt, daß beim Beschwerdeführer die Erteilungsvoraussetzung der Verkehrszuverlässigkeit nicht gegeben sei, nicht jedoch das Vorliegen der übrigen Erteilungsvoraussetzungen (körperliche, geistige und fachliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen) verneint, sondern im Ergebnis nur in Zweifel gezogen, daß der Beschwerdeführer diese Voraussetzungen nach Ablauf der festgesetzten Zeit noch besitzen werde. Das aber berechtigte sie nicht zum Ausspruch einer endgültigen Entziehung der Lenkerberechtigung nach § 73 Abs. 1 KFG 1967 (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1987, Zl. 86/11/0156). Die Annahme einer nicht mehr als 18 Monate anhaltenden Verkehrsunzuverlässigkeit schließt zwar nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das soeben genannte Erkenntnis vom 20. Februar 1987 mwN) eine Entziehung der Lenkerberechtigung nach § 73 Abs. 1 KFG 1967 nicht von vornherein aus. Eine solche Maßnahme setzt aber voraus, daß die Behörde aufgrund der Ermittlungsergebnisse zu der Auffassung gelangt, es bedürfe wegen der besonderen Umstände des Falles nach Ablauf der Entziehungszeit eines neuerlichen Ermittlungsverfahrens zur Prüfung des Wiedervorliegens der Verkehrszuverlässigkeit. Derartige Umstände wurden von der belangten Behörde nicht dargetan und sind auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die geltend gemachte Umsatzsteuer; diese ist in dem in der Verordnung festgesetzten Pauschbetrag bereits enthalten.
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