Normen
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des am 5. Oktober 1978 geborenen Beschwerdeführers vom 13. Mai 1996 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 Wehrgesetz 1990 (WG) abgewiesen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 WG können taugliche Wehrpflichtige auf Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.
Die belangte Behörde verneinte das Vorliegen von besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen oder familiären Interessen im Sinne dieser Bestimmung. Sie ging dabei von folgenden Sachverhaltsannahmen aus:
Der den Anlaß für das gegenständliche Befreiungsbegehren bildende landwirtschaftliche Betrieb stehe im Eigentum der Eltern des Beschwerdeführers. Er umfasse insgesamt 80 ha, davon 3 ha Weinbaufläche, 2 ha Obstanlagen, 10 ha Wiesen, 5 ha Christbaumkulturen und 60 ha Wald. 50 % der Weinbaufläche liege innerhalb der Erschwerniszonen III und IV, der Forstbestand befinde sich in der Erschwerniszone IV. Sechs Monate im Jahr werde zusätzlich ein Heuriger betrieben. Der Beschwerdeführer lebe im gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern und seiner Großmutter. Beim Vater (geboren 13. Mai 1948) sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 60 % festgestellt worden, bei der Mutter (geboren 16. Juni 1950) liege keine Minderung der Erwerbsfähigkeit vor. Die Großmutter des Beschwerdeführers (geboren 14. April 1924) sei nicht pflegebedürftig. Die Eltern des Beschwerdeführers seien vertraglich verpflichtet, die Übergeber der Landwirtschaft, Frau J. (geboren 17. März 1912) und Frau M. (geboren 28. Februar 1915), zu pflegen und zu betreuen. Bei Frau M. sei ein monatlicher Pflegeaufwand von 185 Stunden, bei Frau J. ein Pflegeaufwand von 95 Stunden pro Monat anzunehmen. Das Gesamteinkommen des elterlichen Betriebes betrage S 495.534,--. Unter Berücksichtigung der Schuldzinsen, der Beiträge zu Sozialversicherung, sonstiger privater Verpflichtungen und des Lebensunterhaltes ergebe sich eine Kapitaldienstgrenze bei Schuldenfreiheit in der Höhe von S 177.423,--.
Die belangte Behörde verneinte das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen des Beschwerdeführers, weil nicht er, sondern seine Eltern Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes seien. Der Beschwerdeführer hält diese Begründung für verfehlt und führt ins Treffen, daß er "der logische Betriebsnachfolger seiner Eltern" sei. Damit habe er ein eigenständiges wirtschaftliches Interesse an der kontinuierlichen Weiterführung eines wirtschaftlich lebensfähigen Betriebes. Dazu genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 2 WG bei einem Wehrpflichtigen nur dann gegeben sind, wenn er selbst Betriebsinhaber (Eigentümer oder Pächter) ist, die erhoffte künftige Übernahme eines Betriebes aber als ungewisses zukünftiges Ereignis kein solches wirtschaftliches Interesse eines Wehrpflichtigen zu begründen vermag (vgl. die Erkenntnisse vom 21. September 1990, Slg. Nr. 13261/A, und vom 23. April 1996, Zlen. 96/11/0077, 0082, jeweils mwN).
Die belangte Behörde bejahte im Hinblick auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Vaters des Beschwerdeführers das Vorliegen familiärer Interessen an der Befreiung des Beschwerdeführers von der Präsenzdienstpflicht, verneinte aber deren besondere Rücksichtswürdigkeit im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 2 WG. Es sei Sache des Vaters, durch entsprechende Dispositionen für die Zeit der präsenzdienstbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers vorzusorgen. Dafür, daß dies möglich und zumutbar sei, spreche insbesondere, daß der Beschwerdeführer bedingt durch seine Ausbildung in einer landwirtschaftlichen Fachschule in Krems/Donau in der Zeit von September 1992 bis Juni 1996 und die Absolvierung eines Berufspraktikums von Februar bis August 1995 seinen Vater schon bisher nur in eingeschränktem Ausmaß habe unterstützen können. Die Vertretung des Beschwerdeführers durch bezahlte Arbeitskräfte während der Zeit einer Präsenzdienstleistung sei im Hinblick auf die Höhe der Kapitaldienstgrenze von S 177.423,-- und den Wegfall der aus dem Betrieb zu bestreitenden Lebenshaltungskosten des Beschwerdeführers während dieser Zeit zumutbar. Dadurch könne der Betrieb im unbedingt notwendigen Ausmaß aufrechterhalten werden. Weiters sei seiner Mutter trotz der ihr obliegenden Pflegeaufgaben eine Unterstützung des Vaters des Beschwerdeführers bei der Führung des Betriebes zumutbar. Dazu komme die Möglichkeit des Beschwerdeführers, während der dienstfreien Zeit, insbesondere während der Wochenenden, die Eltern bei schweren Arbeiten in der Landwirtschaft zu unterstützen. Zur Vermeidung unzumutbarer körperlicher Belastungen für die Eltern sei diesen schließlich eine vorübergehende Einschränkung der Betriebsführung zumutbar.
Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, sein Vater leide erst seit Februar 1996 an Bandscheibenvorfällen und sei daher erst seit dieser Zeit bei mittelschweren und schweren Arbeiten auf den Beschwerdeführer angewiesen, weshalb der Hinweis auf die davor gelegene Zeit völlig verfehlt sei. Die Gesamtkosten für den zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendigen Einsatz fremder Arbeitskräfte würden die Kapitaldienstgrenze bei weitem übersteigen. Seiner Mutter sei im Hinblick auf ihre Auslastung durch Haushalt, Heurigenbetrieb und Pflegemaßnahmen eine zusätzliche Unterstützung des Vaters des Beschwerdeführers nicht zumutbar. Eine vorübergehende Einschränkung des Betriebsumfanges sei wegen der Notwendigkeit eines kontinuierlichen Einsatzes im Wald (wegen des rasenden Borkenkäferbefalles) und der ständigen Pflege der Weinbauflächen nicht möglich. Bei einer Einschränkung des Heurigenbetriebes würde die Kapitaldienstgrenze sinken und damit selbst die zeitweise Aufnahme von Arbeitskräften unzumutbar werden.
Die Annahme, es sei im Fall der präsenzdienstbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers vom elterlichen Betrieb eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Vaters des Beschwerdeführers nicht zu befürchten, entbehrt einer hinreichenden Begründung. Der Versuch, die Abkömmlichkeit des Beschwerdeführers mit dem Hinweis auf seine Abwesenheit während seiner Ausbildungszeit zu begründen, geht an der Tatsache vorbei, daß die gesundheitliche Beeinträchtigung des Vaters erst relativ kurz vor dem Ende dieses Zeitraumes eingetreten ist und dem Beschwerdeführer, der nach der Aktenlage nicht internatsmäßig untergebracht war, in der Zeit zwischen Februar 1996 und dem Abschluß der Fachschule (Ende Juni 1996) die erforderliche Unterstützung seines Vaters infolge der relativ geringen Entfernung zwischen Schulort und elterlichem Betrieb (ca. 22 km) möglich war. Aus dem besagten Umstand ist daher für die Frage der Abkömmlichkeit des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen. Die Annahme, die Kosten der zum Ausgleich der eingeschränkten Arbeitsfähigkeit des Vaters des Beschwerdeführers erforderlichen fremden Arbeitskräfte fänden ihre Deckung in der Kapitaldienstgrenze von S 177.423,--, ist mangels näherer Feststellungen darüber, welche Tätigkeiten dem Vater aufgrund seines körperlichen Zustandes nicht mehr zumutbar sind, in welchem Ausmaß sie anfallen und welche finanzielle Belastung durch den Einsatz fremder Arbeitskräfte entstünde, nicht nachvollziehbar. Was den Hinweis auf eine Unterstützung durch die Mutter des Beschwerdeführers anlangt, ist mangels näherer Ausführungen nicht zu erkennen, daß ihr angesichts des von der belangten Behörde angenommenen Ausmaßes ihrer Inanspruchnahme durch Pflegeleistungen (für Frau M. monatlich 185 Stunden, für Frau J. monatlich 95 Stunden), der Haushaltsführung und der Mitwirkung im Heurigenbetrieb eine solche Unterstützung noch in nennenswertem Ausmaß zumutbar wäre. Davon abgesehen ist offen geblieben, ob der Mutter des Beschwerdeführers eine solche Mithilfe insbesondere bei schweren Arbeiten sowie bei solchen Tätigkeiten, die besondere Fähigkeiten voraussetzen (Lenken einer Zugmaschine, Handhabung von Zusatzgeräten bzw. landwirtschaftlichen Maschinen etc.), möglich wäre.
Infolge der aufgezeigten Mängel war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren. Diese sind dem Beschwerdeführer nur in dem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Ausmaß zu ersetzen (für zwei Ausfertigungen der Beschwerde und eine Kopie des angefochtenen Bescheides).
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