Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1997 wurde das Verfahren über die zur Zl. 97/10/0003 protokollierte Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt, weil der Beschwerdeführer es unterlassen hatte, bei der Erledigung eines Verbesserungsauftrages, die ihm (dem zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt) zurückgestellte Ausfertigung des angefochtenen Bescheides wieder vorzulegen.
Der Beschwerdeführer beantragt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln). Begründend wird vorgebracht, die den Verbesserungsauftrag beinhaltende Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1997, der Bestellungsbescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer und die vom Beschwerdeführer unterfertigte Beschwerde sei dem zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt am 14. April 1997 zugestellt worden. Zum Zeitpunkt der Vorlage des zu bearbeitenden Beschwerdeaktes (offenbar: an den Rechtsanwalt) habe sich der angefochtene Bescheid nicht im Akt befunden; er habe auch bis dato nicht aufgefunden werden können. Das Nichtvorhandensein des angefochtenen Bescheides sei dem Rechtsanwalt nicht aufgefallen, weil der Beschwerdeführer selbst anläßlich des vereinbarten Besprechungstermines ein Konvolut von Unterlagen beigebracht habe, dem neben umfangreichen Urkunden über das vorangegangene Verfahren auch der angefochtene Bescheid beigeheftet gewesen sei. Bei Verfassung der Beschwerde sei der Rechtsanwalt davon ausgegangen, daß der angefochtene Bescheid tatsächlich nicht der zurückgestellten Beschwerde angeschlossen gewesen sei und "hat diesen (auch nicht eine Kopie des vom Beschwerdeführer beigebrachten Bescheides) dem Schriftsatz vom 12.5.1997 nicht beigelegt, da er (möglicherweise rechtsirrig) der Meinung war, daß der angefochtene Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof verblieben ist". Der Rechtsanwalt schließe aber nicht aus, daß der angefochtene Bescheid der Verfügung vom 13. März 1997 beigelegen und durch Versehen der Kanzlei bei Einteilung der Poststücke irrtümlich falsch eingeordnet worden und demnach in Verstoß geraten sei. In der Kanzlei des Rechtsanwaltes seien drei Kanzleiangestellte langjährig beschäftigt. Der Rechtsanwalt habe davon ausgehen können, daß die eingegangenen Poststücke vollständig eingeordnet seien, zumal ein ähnliches Fehlverhalten bisher nicht vorgekommen sei. Es sei daher der unterlaufene Fehler in Anbetracht der Umstände - auch wenn man davon ausgehe, daß der Bescheid in der Kanzlei des Rechtsanwaltes in Verstoß geraten sei - entschuldbar und beruhe bloß auf einem minderen Grad des Versehens.
Mit dem Wiedereinsetzungsantrag wurden zwei Ablichtungen einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides überreicht.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes demjenigen der Partei oder des Rechtsanwaltes nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden darf. Das Versehen eines solchen Kanzleibediensteten stellt dann ein Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber nachgekommen ist. Hiebei ist zu beachten, daß der bevollmächtigte (bzw. der zur Verfahrenshilfe bestellte; vgl. z.B. den Beschluß vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/1062, und die dort zitierte Vorjudikatur) Rechtsanwalt die Aufgaben, die aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit erfüllen muß, als er sich zu seiner Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Insbesondere muß der Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozeßhandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen unter anderem dafür vorzusorgen sein, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt danach auch dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind. Ein Verschulden trifft den Rechtsanwalt jedenfalls dann nicht, wenn sich zeigt, daß die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des betreffenden Kanzleiangestellten beruht hat, ohne daß ein eigenes Verschulden des Rechtsanwaltes hinzugetreten wäre (vgl. z.B. den Beschluß vom 27. Jänner 1997, Zl. 96/10/0253, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Die Art und Intensität der über die Kanzlei ausgeübten Kontrolle ist bereits im Wiedereinsetzungsantrag darzutun (vgl. z. B. den Beschluß vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/1062).
Nach der Aktenlage wurde dem Rechtsanwalt mit dem Verbesserungsauftrag die seinerzeit vom Beschwerdeführer vorgelegte Ausfertigung des angefochtenen Bescheides übermittelt; in der Verfügung vom 13. März 1997 wurde darauf hingewiesen, daß die "zurückgestellte Beschwerde (einschließlich der angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) auch dann wieder vorzulegen ist, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht wird".
Im Wiedereinsetzungsantrag wird "nicht ausgeschlossen", daß die Ausfertigung des angefochtenen Bescheides "durch Versehen der Kanzlei bei Einteilung der Poststücke irrtümlich falsch eingeordnet wurde und demnach in Verstoß geraten ist". Es wird nicht vorgebracht, daß in der Kanzlei des Rechtsanwaltes organisatorische Maßnahmen getroffen wurden, die die tatsächliche Vorlage der Eingangsstücke gewährleisten sollen. Der Verwaltungsgerichtshof hat gleichgelagerte Sachverhalte betreffend ausgesprochen, daß bei der Organisation einer Rechtsanwaltskanzlei Vorkehrungen gegen die "Verlegung" von Einlaufstücken in anderen Akten vor deren Vorlage an deren Rechtsanwalt zu treffen sind (vgl. z.B. die Beschlüsse vom 22. März 1991, Zl. 91/10/0018, und vom 20. Jänner 1993, 92/01/1062); im Wiedereinsetzungsantrag ist darzutun, inwiefern die Vorlage der Eingangsstücke überwacht werde, d.h. mit welchen organisatorischen Maßnahmen dem etwaigen "Verschwinden" von Eingangsstücken zu begegnen versucht werde (vgl. z.B. den bereits erwähnten Beschluß vom 20. Jänner 1993, sowie den Beschluß vom 26. September 1990, Zl. 90/10/0070). Im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag findet sich kein Hinweis darauf, daß der Rechtsanwalt der ihm insoweit obliegenden Überwachungspflicht gegenüber seiner Kanzlei nachgekommen wäre. Daß die Fristversäumung im konkreten Fall auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten eines Kanzleiangestellten beruht hätte, wird ebenfalls nicht behauptet. Ebensowenig ist ersichtlich, daß der Rechtsanwalt bei der Unterfertigung des Verbesserungsauftrages überprüft hätte, ob dem - ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Vorlage der angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen der zurückgestellten Beilage hinweisenden - Auftrag vollständig entsprochen wurde. Der Wiedereinsetzungsantrag läßt somit nicht erkennen, daß der Vertreter des Beschwerdeführers ohne sein Verschulden bzw. aus einem einen minderen Grad des Versehens nicht übersteigenden Verschulden verhindert war, die Frist zur Erhebung der Beschwerde einzuhalten. Der Wiedereinsetzungsantrag war daher abzuweisen.
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