VwGH 97/06/0162

VwGH97/06/016218.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Schrefler-König, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 5. Juni 1997, Zl. Ve1-550-2586/1-1, betreffend einen Abbruchauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Reith bei Seefeld, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BauO Tir 1989 §44 Abs3 lita;
BauRallg;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BauO Tir 1989 §44 Abs3 lita;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 4. November 1996 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung aufgetragen, alle Gebäude und sonstigen Objekte, also alle bewilligungspflichtigen Bauvorhaben, auf einem näher bestimmten Grundstück binnen einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung des Bescheides zu entfernen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung gegen diesen Bescheid.

Mit Bescheid vom 23. Jänner 1997 wurde die Berufung vom Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit der Begründung abgewiesen, daß die im Abbruchbescheid genannten Baulichkeiten genehmigungspflichtig seien und die Errichtung ohne Baugenehmigung erfolgt sei. Die Begründung in der Berufung, derzufolge eine Umwidmung des in Rede stehenden Grundstückes angestrebt werde, vermöge an der bestehenden Rechtslage nichts zu ändern.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab.

Begründend führt die belangte Behörde aus, daß der im Instanzenzug angefochtene Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 4. November 1996 eine dem AVG entsprechende Rechtsmittelbelehrung enthalten hätte. Auf das Erfordernis eines begründeten Rechtsmittelantrages sei ausdrücklich hingewiesen worden. Gemäß § 63 Abs. 3 AVG habe die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Wenngleich nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes bei der Auslegung des Begriffes "begründeter" Berufungsantrag kein strenger Maßstab angelegt werden solle, sei doch Mindestvoraussetzung, daß die Auffassung des Berufungswerbers wenigstens erkennbar sei. Es müsse aus der Begründung zumindest erkennbar sein, aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid bekämpft werde bzw. weswegen der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid für unzutreffend halte (wobei beispielsweise auf materielle Rechtswidrigkeit, wesentliche Verfahrensverstöße, unzweckmäßige Ermessensausübung oder unrichtige Beweiswürdigung verwiesen wird). Fehle es an einer solchen Begründung des Berufungsantrages und werde eine solche auch innerhalb der Berufungsfrist nicht nachgereicht, dann mangle es an einem an eine Berufung zu stellenden Mindesterfordernis. Das Fehlen dieses inhaltlichen Bestandteiles der Berufung stelle keinen nach § 13 Abs. 3 AVG verbesserungsfähigen Formmangel, sondern einen inhaltlichen Fehler dar, der zur Zurückweisung führen müsse.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde habe - obwohl die Berufung mangels Vorliegen eines begründeten Berufungsantrages zurückzuweisen gewesen wäre - eine materiell-rechtliche Entscheidung getroffen und die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die fehlerhafte Abweisung einer Berufung, die zurückzuweisen gewesen wäre, werde vom Verwaltungsgerichtshof nicht als eine Verletzung subjektiver Rechte qualifiziert. Dadurch, daß die Berufungsbehörde eine abweisende Sachentscheidung getroffen habe, werde der Vorstellungswerber daher in seinen Rechten nicht verletzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes im Hinblick auf die unrichtige Auslegung des § 63 Abs. 3 AVG geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Vorliegens eines begründeten Berufungsantrages grundsätzlich zutreffend wiedergegeben. Sie ist insbesondere in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Seite 509 ff, zitierte Rechtsprechung) davon ausgegangen, daß es nur darauf ankommt, ob erkennbar ist, womit der Beschwerdeführer seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. beispielsweise die unter Z 3a zu § 63 Abs. 3 bei Hauer/Leukauf, a.a.O., zitierten Erkenntnisse). Der Beschwerdeführer ist aber im Recht, wenn er dazu ausführt, daß es nicht darauf ankommen kann, ob die in der Berufung angegebene Begründung stichhaltig ist oder nicht.

Die Berufung des Beschwerdeführers hatte folgenden

Wortlaut:

"Betrifft: Berufung Zl: 131-9/E177-80tr

Betreff: Abbruch des Flugdaches, Geräteschuppens und Stallgebäudes auf Gst. 522/1 KG Reith Bescheid vom 4.11.1996, übernommen am 21.11.1996

Ich erhebe Einspruch gegen den oben angeführten Bescheid. Es wird demnächst ein Ansuchen um Umwidmung des Gst. 522/1 gestellt.

Seefeld, 2.12.1996 HR (Name des Beschwerdeführers)"

Diese Berufung des Beschwerdeführers ließ durchaus erkennen, aus welchem Grund der Beschwerdeführer den erstinstanzlichen Bescheid für rechtswidrig hielt. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in der oben erwähnten beispielshaften Aufzählung, worin eine Begründung einer Berufung liegen sollte, auch die "materielle Rechtswidrigkeit" erwähnt, so kann dem durchaus beigepflichtet werden. Die Möglichkeit, eine Berufung gegebenenfalls auch mit der Behauptung einer materiellen Rechtswidrigkeit zu begründen, darf jedoch nicht dahingehend verstanden werden, daß ein Berufungswerber bestimmte rechtliche Ausdrücke verwenden müßte, um zu erkennen zu geben, daß er den Bescheid für inhaltlich rechtswidrig hält. In diesem Sinne ist auch die ständige Rechtsprechung zu verstehen, daß eine Berufung erkennen lassen muß, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt. Der Hinweis auf die Absicht der Antragstellung um Umwidmung ist im vorliegenden Zusammenhang als Ausdruck der (wenn auch verfehlten) Rechtsauffassung zu verstehen, daß der Bescheid im Hinblick auf diese Absicht nicht in der erlassenen Form ergehen hätte dürfen, also inhaltlich rechtswidrig sei. Insoweit liegt in diesem Hinweis die Behauptung der materiellen Rechtswidrigkeit.

Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt, hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde aus diesen Ausführungen erkannt, womit der Beschwerdeführer seine Berufung begründen wollte, und ist in der Begründung des abweisenden Berufungsbescheides auf diese Argumentation eingegangen.

Aus diesem Grund ist der belangten Behörde zwar in ihrer Darstellung der Rechtslage gemäß § 63 Abs. 3 AVG zuzustimmen, die im Beschwerdefall vorgenommene Subsumtion kann jedoch nicht geteilt werden. Die belangte Behörde hätte daher die Vorstellung des Beschwerdeführers nicht bereits aufgrund der Überlegung, daß der Beschwerdeführer im Hinblick auf das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages durch die Abweisung seiner Berufung nicht in seinen Rechten verletzt worden sein konnte, abweisen dürfen, sondern hätte inhaltlich auf die Vorstellung einzugehen gehabt.

Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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