VwGH 97/05/0241

VwGH97/05/02412.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Franz Mauerhofer in Fischamend, vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte Kommanditpartnerschaft in Wr. Neustadt, Hauptplatz 31, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. Juli 1997, Zl. RU1-V-97056/00, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Fischamend, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
BauO NÖ 1976 §113 Abs1;
BauRallg;
AVG §37;
BauO NÖ 1976 §113 Abs1;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 28. August 1996 wurde dem Beschwerdeführer als Eigentümer eines bestimmten Grundstückes aufgetragen, die auf diesem vorhandene Drainage freizulegen und die Funktionstüchtigkeit herzustellen, damit eine Beeinträchtigung der unterliegenden Anrainer durch oberflächiges Regenwasser hintangehalten werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Lokalaugenschein am 10. Juli 1996 habe ergeben, daß sich auf dem Grundstück des Beschwerdeführers in einer Tiefe von 1,12 m unterhalb der Oberkante der Fertigteilmauer des unterliegenden Anrainers die obere Vliesmatte des Drainagekörpers befinde. Bei einem Lokalaugenschein am 22. August 1996 sei festgestellt worden, daß die Drainage im Bereich des Grundstückes des Beschwerdeführers durch Überschüttung funktionsuntüchtig geworden sei. Die Drainage sei von der Firma U. im Zuge der Aufschließungsarbeiten im Auftrag der Stadtgemeinde errichtet worden, um die unterliegenden Grundstücke vor Oberflächenwässern zu schützen. Ein Auftrag der Stadtgemeinde an die Firma U. zur Überschüttung sei weder erteilt worden noch sei die Drainage von der bauausführenden Firma vor Übergabe der Grundstücke an die jetzigen Eigentümer überschüttet und funktionsuntüchtig gemacht worden. Gemäß § 113 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung habe die Baubehörde alle Sicherungsmaßnahmen, die zum Schutz von Personen und Sachen erforderlich seien, insbesondere die Räumung von Gebäuden oder Teilen von solchen anzuordnen. Die Anordnung zur Freilegung sowie zur Herstellung der Funktionstüchtigkeit gelte als Sicherungsmaßnahme, welche in § 113 der Niederösterreichischen Bauordnung Deckung finde.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 16. Dezember 1996 abgewiesen. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 17. Juli 1997 keine Folge gegeben. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, es sei eine Anschüttung erfolgt, die eine Veränderung der Höhenlage des Grundstückes des Beschwerdeführers bewirkt habe. Aufgrund dieser Anschüttung sei eine Baubewilligung gemäß § 93 Z. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung erforderlich. Es sei aber weder um eine Baubewilligung angesucht worden noch sei eine Bewilligung von der Baubehörde dafür erteilt worden. Da keine Baubewilligung für dieses bewilligungspflichtige Bauvorhaben erteilt worden sei und eine Beeinträchtigung von Personen und Sachen nicht ausgeschlossen werden könne, habe die Baubehörde gemäß § 113 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung alle Sicherungsmaßnahmen, die zum Schutz von Personen und Sachen erforderlich seien, anzuordnen gehabt. Zu diesen Sicherungsmaßnahmen zähle auch die Abtragung von konsenslos aufgeschüttetem Material. Im Ermittlungsverfahren sei festgestellt worden, daß die Überschüttung erst nach Übernahme des Grundstückes vom Beschwerdeführer vorgenommen worden sei. Der Beschwerdeführer sei daher als Grundstückseigentümer für jegliche Baumaßnahme auf seinem Grundstück verantwortlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 113 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-13 (BO) hat die Baubehörde alle Sicherungsmaßnahmen, die zum Schutz von Personen und Sachen erforderlich sind, insbesondere die Räumung von Gebäuden oder Teilen von solchen, anzuordnen.

Der Beschwerdeführer hat schon in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid darauf hingewiesen, daß der Bescheid des Bürgermeisters keine Feststellung darüber getroffen hat, ob eine Gefährdung von Personen oder Sachen gegeben sei, wodurch diese Gefährdung gegeben sein könnte, und daß zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides die konsenslos errichtete Drainageanlage, deren Erhaltung ihm auferlegt werde, keine Funktion mehr gehabt habe, da in der Zwischenzeit die Befestigung der Oberflächen und die gärtnerische Gestaltung der Grundstücke, zu deren Schutz die Drainageanlage seinerzeit errichtet worden sein soll, abgeschlossen worden sei und die mitbeteiligte Gemeinde nunmehr über ein funktionierendes Kanalsystem verfüge.

Schon dieses Vorbringen ist berechtigt: Ob Maßnahmen im Sinne des § 113 Abs. 1 BO erforderlich sind, ist im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zu klären. Weder die Baubehörden, noch die Vorstellungsbehörde haben Feststellungen getroffen, ob zum Zeitpunkt der Erlassung des baupolizeilichen Auftrages eine Gefährdung von Personen oder Sachen gegeben war. Der Umstand allein, daß in den Jahren 1993 und 1994 zu einem Zeitpunkt, in dem noch keine Befestigung der Außenanlagen vorlag und am Gebäude des Beschwerdeführers noch keine Abfallrohre mit entsprechender Ableitung installiert waren, infolge katastrophenartiger Regenfälle Schlamm auf das Grundstück eines unterliegenden Anrainers gelangte, besagt nichts über eine allfällige Notwendigkeit der Wiederherstellung einer (konsenslos errichteten) Drainageleitung zu einem Zeitpunkt, in dem die Außenanlagen befestigt und Regenrinnen hergestellt sind. Der belangten Behörde ist zwar grundsätzlich Recht zu geben, daß Sicherungsmaßnahmen auch im Abtragen von konsenslos aufgeschüttetem Material bestehen können, und die Durchführung von Sicherungsmaßnahmen unabhängig von der Frage, ob ein Instandsetzungsauftrag oder ein Abtragungsauftrag zu erteilen ist, vorgeschrieben werden kann. Dies ändert aber nichts an dem Umstand, daß im Sinne des § 113 Abs. 1 BO Feststellungen zu treffen sind, ob Maßnahmen zum Schutz von Personen und Sachen erforderlich sind. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde hat in seiner Berufungsentscheidung ausgeführt, aufgrund der Überflutungen in den Jahren 1993 und 1994 könne nicht ausgeschlossen werden, daß es sich bei der Überschüttung der Drainage um einen möglichen Faktor handle, der geeignet sei, die Situation bei starken Regengüssen in diesem Bereich negativ zu beeinflussen. Er hat aber, obwohl der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung auf die seit 1994 geänderten Umstände hingewiesen hat, keinerlei Feststellungen getroffen, ob auch zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides trotz geänderter Umstände die aufgetragenen Sicherungsmaßnahmen erforderlich waren.

Die Ansicht, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß es sich bei der Überschüttung der Drainage um einen möglichen Faktor handle, der geeignet sei, die Situation bei starken Regengüssen negativ zu beeinflussen, reicht nicht aus, um darauf einen Auftrag gemäß § 113 Abs. 1 BO zu stützen, weil zum einen keine auf sachkundiger Basis beruhenden Ermittlungsergebnisse über die tatsächliche mögliche Gefährdung von Personen und Sachen vorliegen und zum anderen keine Feststellungen getroffen worden sind, ob nicht aufgrund des seit 1994 geänderten Sachverhaltes (Befestigung von Oberflächenanlagen und Errichtung von Regenabfallrohren) ein geänderter Sachverhalt vorlag, der die aufgetragenen Sicherungsmaßnahmen zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch rechtfertigte.

Da die belangte Behörde nicht erkannte, daß das Verfahren auf Gemeindeebene ergänzungsbedürftig geblieben ist, belastete sie ihrerseits ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des Kostenbegehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Mit Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

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