VwGH 96/21/1048

VwGH96/21/104822.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 16. Oktober 1996, Zl. III 312-1/96, betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages und Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 6. August 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Nach Ablauf der Frist zur Einbringung einer Berufung gegen diesen Bescheid stellt der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und erhob Berufung. Den Antrag auf Wiedereinsetzung begründete er wie folgt:

"Dem Vertreter des Berufungswerbers wurde der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz, Zl. 18559/1a-96, vom 06.08.1996 am 12.08.1996 zugestellt. Vom Rechtsvertreter des Berufungswerbers wurde die Rechtsmittelfrist zwar im Akt eingetragen aber von der Sekretärin, S, übersehen und vergessen, diese Frist im Terminkalender einzutragen. Aus dem angeführten Grund ergibt sich, daß aufgrund eines unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses der Berufungswerber bzw. sein Rechtsvertreter es verabsäumt hat, rechtzeitig eine Berufung gegen den gegenständlichen Bescheid zu erheben, sodaß dieser in Rechtskraft erwachsen ist.

Bescheinigungsmittel: Eidesstattliche Erklärung"

Diesem Antrag war eine eidesstattliche Erklärung mit folgendem Inhalt angeschlossen:

"Eidesstattliche Erklärung:

Ich erkläre an Eides Statt, daß ich, S, am 12.08.1996 es verabsäumt habe, die Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz, Zl. 18.559/a-96, vom 06.08.1996 im Terminkalender einzutragen."

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 2. September 1996 wurde dieser Antrag gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen. In der Begründung führte die Bezirkshauptmannschaft aus, daß im Antrag auf Wiedereinsetzung jede Ausführung darüber fehle, in welcher Weise der Rechtsanwalt selbst seiner ihm obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflicht nachgekommen sei und warum es ihm beispielsweise trotz grundsätzlich gehandhabter Aufsicht im Einzelfall nicht möglich gewesen sei, das Versehen seiner Kanzleiangestellten rechtzeitig zu bemerken.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin führte er aus, daß sein Vertreter selbst, wie bereits im Wiedereinsetzungsantrag ausgeführt, die Rechtsmittelfrist im Akt eingetragen und der Sekretärin, S, diesen Akt mit der Weisung übergeben habe, den Termin im Kalender einzutragen. Seit Jahren werde die Eintragung von Fristen im Terminkalender auf diese Art und Weise gehandhabt. Durch den an die Sekretärin erteilten Auftrag, die im Akt bereits eingetragene Frist in den Terminkalender zu übertragen, sei der Vertreter des Beschwerdeführers seiner Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleiangestellten nachgekommen.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens forderte die belangte Behörde den Vertreter des Beschwerdeführers auf, Mitteilung darüber zu machen, seit wann die genannte Angestellte in der Kanzlei arbeite, ob ihr Fehler schon öfters passiert seien und ob/wie der Vertreter des Beschwerdeführers die vom Kanzleipersonal vorgenommenen Eintragungen im Fristenkalender auf ihre Richtigkeit überprüfe bzw. überprüfen lasse.

Diese Aufforderung wurde mit Schreiben vom 14. Oktober 1996 dahingehend beantwortet, daß die genannte Sekretärin seit 1. Mai 1996 in der Kanzlei beschäftigt sei. Nach ca. einem Monat habe das Eintragen von Fristen im Kalender einwandfrei funktioniert und sei ihr auch bis zum heutigen Tag, außer in der gegenständlichen Fristensache, noch kein Fehler beim Eintragen von Terminen im Kalender unterlaufen. Wöchentlich würden vom Vertreter des Beschwerdeführers die Eintragungen im Fristenkalender stichprobenartig auf ihre Richtigkeit überprüft.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung gegen den den Antrag auf Wiedereinsetzung abweisenden Bescheid keine Folge gegeben (Punkt 1.) und die Berufung gegen das Aufenthaltsverbot als verspätet eingebracht zurückgewiesen (Punkt 2.).

In der Begründung führte die belangte Behörde zur Zurückweisung der Berufung als verspätet aus, daß nach der Aktenlage die Berufung verspätet eingebracht worden sei.

Zur Berufung gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages führte die belangte Behörde aus, daß die Berufung eines Rechtsanwaltes auf eine stichprobenartige Überprüfung der von seinem Kanzleipersonal vorgenommenen Eintragungen im Fristenkalender für die Erfüllung der dem Rechtsanwalt gegenüber seinem Kanzleipersonal obliegenden Überwachungspflicht nicht als ausreichend anzusehen sei. Dies jedenfalls dann nicht, wenn die fragliche Kanzleibedienstete erst seit kurzer Zeit (hier weit weniger als ein Kalenderjahr) beim betreffenden Rechtsanwalt beschäftigt sei. Die entscheidende Frage sei, ob den Rechtsanwalt "nur ein minderer Grad des Versehens" an der Versäumung der in Rede stehenden Berufungsfrist treffe. Nach Ansicht der belangten Behörde gehe das Verschulden des Rechtsanwaltes an der in Rede stehenden Fristversäumnis über einen minderen Grad des Versehens hinaus. Gerade einem Rechtsanwalt müsse die Bedeutung der Terminvormerkung eines Rechtsmittels bewußt sein und dürfe er sich daher bei einer erst seit kurzer Zeit (hier seit 1. Mai 1996) beschäftigten Kanzleibediensteten hinsichtlich der Richtigkeit solcher Terminvormerkungen nicht mit "wöchentlicher stichprobenartiger Kontrolle dieser Eintragungen im Fristenkalender" begnügen. Er müsse vielmehr seine Kanzlei als seinen Hilfsapparat in einem solchen Fall (seit kurzer Zeit beschäftigte Kanzleibedienstete) so organisieren, daß solche Fehler mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Der Beschwerdeführer meint, die Beurteilung der Frage, wann eine Kanzleibedienstete in der Lage sei, selbständig und verläßlich Termine und Fristen im Kalender einzutragen, obliege wohl ausschließlich dem betreffenden Rechtsanwalt. Ausschließlich dieser könne eine Beurteilung über die Verläßlichkeit und Genauigkeit einer Kanzleibediensteten abgeben. Wie bereits in der Berufung ausgeführt, habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Rechtsmittelfrist im Akt selbst eingetragen und der Kanzleibediensteten diesen Akt mit der Weisung übergeben, den Termin im Kalender einzutragen. Seit über zwölf Jahren werde die Eintragung von Fristen im Terminkalender auf diese Art und Weise gehandhabt und sei dies der erste Anlaßfall, daß ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt werden müsse. Durch den an die Kanzleibedienstete erteilten Auftrag, die im Akt bereits eingetragene Frist in den Kalender zu übertragen, sei der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers seiner Überwachungspflicht gegenüber der Kanzleiangestellten nachgekommen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Auf die Erstellung einer Gegenschrift wurde verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. das Erkenntnis vom 30. Jänner 1984, Slg. Nr. 11.312/A). Den Antragsteller trifft somit die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn bzw. seinen Vertreter an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Gerade zufolge der Befristung eines Wiedereinsetzungsantrages ist es nicht Sache der Behörde, tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsantrag bilden können. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist daher nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die - innerhalb der Frist zur Stellung eines Antrages auf Bewilligung der Wiedereinsetzung vorgebrachten - Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt ist.

Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfristen ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt verantwortlich, denn er selbst hat die Fristen zu setzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen und zwar auch dann, wenn die Kanzleiangestellte überdurchschnittlich qualifiziert und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch der Führung des Fristenvormerks betraut worden ist und es bisher nicht zu Beanstandungen gekommen sein sollte (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 27. Jänner 1995, Zl. 94/17/0486, und vom 27. Februar 1996, Zlen. 96/19/3538, 3565). Der bevollmächtigte Rechtsanwalt muß die Aufgaben, die aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit erfüllen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Er muß gegenüber diesem Apparat alle Vorsorgen treffen, die die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben gewährleisten, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und in dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumung in Betracht. Insbesondere muß der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von - mit Präklusion sanktionierten - Prozeßhandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen sein, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt danach auch dann gegen eine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumung auszuschließen geeignet waren.

Nach den Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nahm der Vertreter des Beschwerdeführers die Berechnung der Rechtsmittelfrist im Akt vor und überließ alles weitere der Angestellten, deren Tätigkeit er nach einer erst einmonatigen Beschäftigung lediglich einmal wöchentlich stichprobenweise überprüfte. In dieser ohne weitere ausreichende Kontrollen oder Kontrollmechanismen erfolgten Überlassung ist aber ein zum Versehen der Kanzleiangestellten hinzugetretenes, nicht nur als minderer Grad des Versehens zu wertendes Verschulden des Rechtsanwaltes zu erblicken. Die Verweigerung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher frei von Rechtsirrtum.

Auch soweit sich die Beschwerde gegen die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers wegen Verspätung richtet, ist sie ausgehend von der unstrittigen Aktenlage nicht begründet.

Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet, was gemäß § 42 Abs. 1 VwGG ihre Abweisung zur Folge hatte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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