VwGH 96/21/0207

VwGH96/21/020711.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des Y in A, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. Jänner 1996, Zl. St 459/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 19, 20 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von sieben Jahren erlassen.

Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer sich seit 1988 im Bundesgebiet aufhalte. Zuletzt sei ihm eine bis zum 1. Februar 1995 gültige Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden. Der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Linz am 6. März 1992 wegen §§ 127 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, bedingt auf drei Jahre, verurteilt worden. Am 13. Juli 1993 sei er vom Bezirksgericht Linz-Land wegen §§ 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, bedingt auf drei Jahre, verurteilt worden. Das Landesgericht Linz habe mit Urteil vom 12. August 1994 den Beschwerdeführer wegen § 83 Abs. 1, § 15, § 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1 Z. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon ein Monat unbedingt, verurteilt. Laut Verwaltungsstrafregister der Bezirkshauptmannschaft Linz weise der Beschwerdeführer folgende rechtskräftige Bestrafungen auf:

"Sich-04/4301+1 16.07.1992 Zwangsstrafe S 400,--

VerkR-96/7059/1191 23.07.1991 § 1/1 lit. a KPÜV S 300,--

VerkR-96/8020/1991 20.08.1991 § 7 Abs. 2 StVO S 400,--

VerkR-96/9064/1991 19.08.1991 § 1/1 lit. a KPÜV S 300,--

VerkR-96/14183/1991 18.02.1992 § 7 Abs. 1 1. Satz

StVO S 300,--

18.02.1992 § 4 Abs. 1 lit. c

StVO S 1.000,--

18.02.1992 § 4 Abs. 5 1. Satz

StVO S 500,--

VerkR-96/4920/1992 18.05.1992 § 24 Abs. 1 lit. a

StVO S 500,--

VerkR-96/6906/1992 12.06.1992 § 52 lit. a Z. 10 a

StVO S 600,--

Sich-96/542/1992 16.06.1992 § 3 14B/1 Z. 4

FPG S 1.000,--

VerkR-96/9743/1992 07.10.1992 § 52 lit. a Z. 10 a

StVO S 1.500,--

Verkr-96/9791/1992 18.11.1992 § 24 Abs. 1 lit. a

StVO S 500,--

VerkR-96/15846/1992 02.02.1993 § 1/1 lit. a KPÜV S 600,--

VerkR-96/4287/1993 04.05.1993 § 24 Abs. 1 lit. a

StVO S 600,--

VerkR-96/9092/1993 29.07.1993 § 1 Abs. 1 lit. a

KPÜV S 700,--

VerkR-96/9787/1993 17.09.1993 § 43 Abs. 4 lit. d

KFG S 500,--

VerkR-96/18318/1993 11.01.1994 § 24 Abs. 1 lit. e

StVO S 500,--

VerkR-96/18318/1993 11.01.1994 § 102 Abs. 6 KFG S 500,--

11.01.1994 § 102 Abs. 6 KFG S 500,--

11.01.1994 § 102/4, 1. Halbs.

KFG S 300,--

VerkR-96/745/1994 15.03.1994 § 7/1 StVO S 800,--

VerkR-96-745/1994 15.03.1994 § 99/1b ivm. 5/2

StVO S 10.000,--

VerkR-96-15808/1994 26.09.1994 § 52 lit. a Z. 1

StVO S 1.000,--

VerkR-96-22123-1994 09.12.1994 § 43 Abs. 4 lit. d

KFG S 500,--

Ka96-282-1995 21.07.1995 Parkgeb.

Verordnung S 500,--

VerkR-1201/786/1993 Entzug 11.11.1993

- 11.3.1994."

Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt.

Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen, weil er seit 1988 in Österreich aufhältig sei, hier eine Familie habe und einer Beschäftigung nachgehe. Die Vielzahl der vom Beschwerdeführer während der Dauer seines Aufenthaltes in Österreich begangenen Straftaten (drei gerichtliche Verurteilungen und die insgesamt 25 Verwaltungsstrafen) sowie die sich in den Verurteilungen (gemeint: in dem den Verurteilungen zugrundeliegenden strafbaren Verhalten) manifestierende Geringschätzung der Rechtsgüter anderer Personen bzw. der österreichischen Rechtsordnung überhaupt, rechtfertigten nicht nur die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, sondern ließen auch das Aufenthaltsverbot im Lichte des § 19 FrG dringend geboten erscheinen. Auch angesichts der von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehenden großen Gefahr für die Allgemeinheit und des Umstandes, daß "Fahrerflucht" nach einem Verkehrsunfall zu den gröbsten Verstößen gegen das Verkehrsrecht zähle, sei das Aufenthaltsverbot dringend geboten.

Im Hinblick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers (Dauer seines Aufenthaltes und Erwerbstätigkeit) sei ihm sicherlich ein gewisses Maß an Integration zuzubilligen, nicht jedoch, wie seine strafbaren Handlungen deutlich machten, in sozialer Hinsicht. Die Art und Häufigkeit der geradezu regelmäßig begangenen Straftaten ließen ein Charakterbild des Beschwerdeführers erkennen, das zweifelsohne den Schluß rechtfertige, er sei gegenüber dem zum Schutz der körperlichen Integrität anderer Personen erlassenen Vorschriften bzw. gegenüber der österreichischen Rechtsordnung überhaupt, negativ eingestellt und bilde solcherart eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Daraus folge, daß unter Abwägung aller angeführten Tatsachen im Hinblick auf die für einen weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Sinne des § 20 Abs. 1 FrG zulässig. Der Beschwerdeführer könne seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner Familie auch vom Ausland aus nachkommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltendmachende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, ist angesichts der unstrittigen Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Linz vom 12. August 1994 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten, davon ein Monat bedingt, unbedenklich.

Unbestritten ist ferner, daß der Beschwerdeführer in den letzten vier Jahren vor Erlassung des Bescheides insgesamt dreimal gerichtlich verurteilt wurde und zwar jedes Mal zu einer - wenn auch teilweise bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe. Darüber hinaus erfolgten in diesem Zeitraum 25 verwaltungsbehördliche Bestrafungen, darunter solche wegen Übertretungen, die den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllen. Aus diesen Umständen schloß die belangte Behörde, daß die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 leg. cit. dringend geboten sei. Wenn die belangte Behörde bereits aufgrund dieser Beschreibung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers zu dem besagten Ergebnis kam, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes ist mit Rücksicht auf die Wahrung der öffentlichen Ordnung zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers und zum Schutz der Rechte Dritter dringend geboten.

Im Ergebnis zu Recht bekämpft der Beschwerdeführer jedoch die im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung. Die bisher getroffenen Sachverhaltsfeststellungen reichen nämlich noch nicht aus, um eine verläßliche Gewichtung der maßgebenden öffentlichen Interessen einerseits und der diesen zuwiderlaufenden privaten Interessen des Beschwerdeführers andererseits vorzunehmen. Das öffentliche Interesse ist zwar im Hinblick auf die Art und Anzahl der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden gerichtlichen Verurteilungen und verwaltungsbehördlichen Bestrafungen keineswegs gering zu veranschlagen; zu der genauen Einschätzung des Gewichtes gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers bedarf es aber noch der Feststellung, welches Verhalten den gerichtlichen Verurteilungen und den maßgeblichen verwaltungsbehördlichen Bestrafungen zugrundegelegen ist. Nach dem im Bescheid angegebenen Aktenzeichen liegt das der ersten gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegende Verhalten und die Bestrafung wegen der von der belangten Behörde hervorgehobenen "Fahrerflucht" bereits mehr als vier Jahre zurück. Zum anderen geht die belangte Behörde selbst davon aus, daß der Beschwerdeführer sich seit 1988 im Inland aufhält, seit dem Jahr 1988 ständig im österreichen Arbeitsmarkt eingegliedert, verheiratet und sorgepflichtig für ein im 3. Lebensjahr befindliches eheliches Kind ist. Diesen privaten (persönlichen und familiären) Interessen des Beschwerdeführers kommt hohes Gewicht zu. Der festgestellte Sachverhalt bedarf somit in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung. Aufgrund dessen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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