VwGH 96/20/0282

VwGH96/20/028211.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über die Beschwerde des Alfred Schmölzer in Ferndorf, vertreten durch Dr. Karl Heinz Kramer, Rechtsanwalt in Villach, Italiener Straße 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 15. Jänner 1996, Zl. Wa-912/95, betreffend Ausstellung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
WaffG 1986 §17 Abs1;
WaffG 1986 §6 Abs1;
WaffG 1986 §6 Abs4;
WaffG 1986 §6;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
WaffG 1986 §17 Abs1;
WaffG 1986 §6 Abs1;
WaffG 1986 §6 Abs4;
WaffG 1986 §6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau vom 31. Mai 1995, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte gemäß § 6 Abs. 1 und 2 iVm § 11 Abs. 4 Waffengesetz 1986 abgewiesen worden war, abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß sich die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf § 17 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 4 Waffengesetz 1986 in der geltenden Fassung stütze.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, nach dem Ergebnis mehrerer "Erhebungen" (gemeint sind offenbar der Bericht des Gendarmeriepostens Spittal/Drau vom 16. Februar 1995 und ein Aktenvermerk des Bezirksgendarmeriekommandos vom 21. Februar 1995) reagiere der Beschwerdeführer bei Befragungen zeitweise äußerst cholerisch. Im Zuge dieser unbeherrschten Wutanfälle habe er unterschwellige Drohungen gegenüber ermittelnden Gendarmeriebeamten ausgestoßen, er sei bei fast allen Ämtern durch sein unbeherrschtes Verhalten aufgefallen. Weiters habe sich der Beschwerdeführer im Zuge von Erhebungen in letzter Zeit dahingehend geäußert, daß sich die Geschehnisse der Weltpolitik auf ihn (persönlich) bezögen. Er habe angegeben, von Rechtsradikalen und auch von Sicherheitsorganen verfolgt zu werden; er müsse sich daher aus diesem Grunde mit Waffengewalt wehren. Dies sei auch der Grund für den Antrag auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte gewesen. Aufgrund des Inhaltes dieser Schriftstücke werde von der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau die Verläßlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des Waffengesetzes 1986 in Frage gestellt. Sie vertrete die Meinung, daß vor Ausstellung einer waffenrechtlichen Urkunde auf jeden Fall ein psychiatrisches Fachgutachten einzuholen wäre. Nach § 6 Abs. 2 Z. 6 (gemeint: Waffengesetz 1986) sei eine Person keinesfalls als verläßlich anzusehen, wenn sie geisteskrank oder geistesschwach sei. Dieser Forderung der Amtsärztin sei die Berufungsbehörde dadurch nachgekommen, daß sie den Beschwerdeführer schriftlich, einmal am 11. Oktober 1995 und ein weiteres Mal am 31. Oktober 1995, mit dem Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen und unter Setzung einer sechswöchigen Frist nachweislich um Vorlage eines psychiatrischen Facharztgutachtens ersucht habe. Auch sei der Beschwerdeführer auf die Folgen der Nichtbeachtung dieser Auflagen aufmerksam gemacht worden. Trotzdem habe er die Frist ohne Angabe von Gründen verstreichen lassen und ein solches Gutachten bis zum Tag der Bescheiderlassung nicht vorgelegt. Nach § 6 Abs. 4 Waffengesetz 1986 sei eine Person nicht als verläßlich anzusehen, wenn aus Gründen, die in dieser Person liegen, die Feststellung des für die Verläßlichkeit maßgebenden Sachverhaltes nicht möglich gewesen sei. Es sei allein sein Privatinteresse, eine Waffenbesitzkarte ausgestellt zu erhalten, daher sei es auch Aufgabe des Beschwerdeführers, jene Unterlagen, welche für eine diesbezügliche Entscheidung erforderlich seien, der zuständigen Behörde vorzulegen. Seine Weigerung, "diesem Erfordernis nachzukommen", habe die Feststellung des für die Beurteilung seiner Verläßlichkeit maßgebenden Sachverhaltes verhindert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Die Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in Wahrheit aber nur letztere geltend.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, es sei Aufgabe der belangten Behörde gewesen, nach Erforschung der materiellen Wahrheit den entscheidungsrelevanten Sachverhalt von Amts wegen festzustellen. Dabei habe sie - unter Berücksichtigung der Mitwirkungspflicht der Partei - die Beweislast zu tragen. Demgegenüber habe sie die Beweislast rechtswidrigerweise auf den Beschwerdeführer überwälzt. In den von den Verwaltungsbehörden herangezogenen Aktenvermerken seien lediglich unbestimmte Unterstellungen enthalten, die der Verfasser der Aktenvermerke ausschließlich vom Hören-Sagen habe kennen können, die aber keine Grundlage dafür hätte bilden dürfen, dem Beschwerdeführer die Verläßlichkeit abzusprechen. Hätte die Behörde ihrer Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit entsprochen und wäre sie damit gesetzeskonform vorgegangen, hätte sie festzustellen gehabt, daß der Beschwerdeführer verläßlich im Sinne des Waffengesetzes sei.

Gemäß § 17 Abs. 1 Waffengesetz 1986 hat die Behörde einer verläßlichen Person, die das 21. Lebensjahr vollendet hat und die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, auf Antrag eine Waffenbesitzkarte auszustellen. Die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte an andere verläßliche Pesonen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde; ebenso die Ausstellung an Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, soweit diese den Nachweis des beruflichen Bedarfes erbringen. Einen Rechtsanspruch auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte hat daher nur eine Person, wenn sie

  1. a) verläßlich (§ 6 Waffengesetz 1986) ist,
  2. b) das 21. Lebensjahr vollendet hat, und
  3. c) die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.

    Besitzt ein Antragsteller die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, ist er jedoch über 21 Jahre alt und verläßlich, so liegt die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte im Ermessen der Behörde.

    Gemäß § 6 Abs. 4 Waffengesetz 1986 idF der Novelle BGBl. Nr. 520/1994 ist eine Person nicht als verläßlich anzusehen, wenn aus Gründen, die in dieser Person liegen, die Feststellung des für die Verläßlichkeit maßgeblichen Sachverhaltes nicht möglich war.

    Da der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt - nach der Aktenlage ist er Konventionsflüchtling rumänischer Herkunft -, wohl jedoch über 21 Jahre alt ist, hatte die Behörde als weitere Voraussetzung für die im Sinne der vorangeführten Gesetzesbestimmung vorzunehmende Ermessensentscheidung zunächst die Verläßlichkeit des Beschwerdeführers zu prüfen. Dem in diesem Zusammenhang in der Beschwerde erhobenen Vorwurf, die belangte Behörde habe ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nicht Genüge getan, ist beizupflichten.

    Gemäß § 39 Abs. 2 AVG hat die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Erkennbar stellte sich die Behörde auf den Standpunkt, den Beschwerdeführer treffe nicht nur die Behauptungs-, sondern auch die Beweislast für die Annahme seiner waffenrechtlichen Verläßlichkeit; es treffe ihn diesbezüglich eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Es trifft zwar zu, daß, wird die Mitwirkungspflicht durch die Partei verletzt, dies dazu führen kann, daß die Behörde keine weiteren Erhebungen mehr durchführen muß und die wegen des Unterbleibens solcher Erhebungen vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobene Verfahrensrüge abzulehnen ist (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens zu § 37 AVG und § 39 Abs. 2 AVG abgedruckte Rechtsprechung). Die Mitwirkungspflicht, aus deren Verletzung sich dies ergeben kann, ist von Bedeutung, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus tätig zu werden (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 3. Juli 1996, Zl. 96/08/0055 und vom 23. Jänner 1997, Zl. 96/11/0044, u.a.). Insoweit die Behörde nicht gehindert ist, die in Frage kommenden Ermittlungen von Amts wegen vorzunehmen, besteht keine derartige Pflicht der Partei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. April 1982, Slg. Nr. 10.700/A). Die Mitwirkungspflicht geht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht so weit, daß sich die Behörde - die ihre Pflicht zur Feststellung des Sachverhaltes nicht auf die Partei überwälzen kann (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 31. März 1949, Slg. Nr. 727/A, und vom 23. Mai 1978, Slg. Nr. 9.565/A) - die Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens erspart. Die Verweigerung einer solchen Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes, insbesondere sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ist nur dann berechtigt, wenn hiefür ausreichende Gründe vorliegen oder dem Antragsteller der Nachweis gelingt, daß die Anordnung dieser Untersuchung den Bestimmungen des § 39 Abs. 2 AVG widerstreitet, also daß sie unbegründet angeordnet worden ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. März 1995, Zl. 93/01/0980 mwN und vom 15. Mai 1997, Zl. 97/20/0070). Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 1992, 848 Blg.NR., 18. GP, (zur Waffengesetznovelle 1994) halten zu dem diese Mitwirkungspflicht des Betroffenen regelnden § 6 Abs. 4 Waffengesetz u.a. fest:

    "Kommt der Betroffene seiner Mitwirkungsverpflichtung nicht nach, so soll die Behörde davon auszugehen haben, daß er als nicht verläßlich anzusehen sei; von dieser gesetzlichen Vermutung ausgehend, wird sie daher etwa den Antrag auf Erteilung einer waffenrechtlichen Bewilligung negativ zu bescheiden haben."

Die belangte Behörde hat daher verkannt, daß mit dieser Gesetzesbestimmung nur dann eine - widerlegliche - gesetzliche Vermutung der Unverläßlichkeit festgelegt wird, wenn die Partei ihre Mitwirkungspflicht verletzt. Hat die Behörde Bedenken oder Zweifel an der Verläßlichkeit eines Antragstellers, muß sie die Grundlagen ihrer Zweifel zum Anlaß für weitere Ermittlungen über die Frage der Verläßlichkeit nehmen. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß, unabhängig davon, ob die von der belangten Behörde zitierten Berichte der zuständigen Gendarmeriedienststellen auf unmittelbare oder lediglich mittelbare Wahrnehmungen gegründet waren, sie ihre Bedenken gegen die nicht mehr offenkundig gegebene Verläßlichkeit des Beschwerdeführers zu überprüfen hatte. In diesem Sinne erging an den Beschwerdeführer lediglich der - vom Beschwerdeführer nicht befolgte - Auftrag, ein entsprechendes fachärztliches Gutachten beizubringen, aus dem sich für die belangte Behörde Rückschlüsse auf seine Verläßlichkeit hätten ergeben können. Eine derartige Pflicht, im Rahmen eines Verfahrens über einen Antrag auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte zur Überprüfung der Verläßlichkeit ein Sachverständigengutachten vorzulegen, läßt sich weder dem WaffG 1986 entnehmen noch aus den Rechtsgrundsätzen der oben angeführten Judikatur zur allgemeinen verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflicht der Partei ableiten. Die belangte Behörde ist - soweit erkennbar - nicht gehindert, die in Frage kommenden Ermittlungen von Amts wegen selbst durchzuführen.

Damit erweist sich die Vorgangsweise der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer lediglich die Vorlage eines Sachverständigengutachtens aufzutragen, dieses jedoch nicht selbst in Auftrag zu geben, als mit der Rechtslage nicht in Einklang stehend, weshalb sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastete. Die Vermutung des § 6 Abs. 4 Waffengesetz 1986 käme daher im vorliegenden Fall dann zum Tragen, wenn der Beschwerdeführer eine von der belangten Behörde angeordnete ärztliche Untersuchung verweigerte.

Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob bei Zutreffen der für die Zweifel der belangten Behörde an der Verläßlichkeit des Beschwerdeführers ursächlichen Umstände die Einholung eines Sachverständigengutachtens entbehrlich gewesen wäre.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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