VwGH 96/19/3063

VwGH96/19/306321.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des 1995 geborenen JR in Wien, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt

Dr. Hellmuth Boller in 1010 Wien, Kärntnerstraße 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. April 1996, Zl. 302.945/3-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien. Sein Vater ist nach der Aktenlage unbekannt. Am 1. März 1996 beantragte der Großvater des Beschwerdeführers in dessen Namen beim Landeshauptmann von Wien die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner in Wien aufhältigen Mutter.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. März 1996 gemäß § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen, weil die Mutter des Beschwerdeführers über keine Aufenthaltsbewilligung verfügte. Die erstinstanzliche Behörde verfügte die Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer zu Handen seiner Mutter.

Der Großvater des Beschwerdeführers erhob am 25. März 1996 in dessen Namen Berufung. Er brachte vor, der Beschwerdeführer sei seine "Enkelin". Er habe die Sorge für das Kind übernommen, nachdem sich der Vater schon vor dessen Geburt von der Kindesmutter wieder getrennt habe und die Tochter Österreich habe verlassen müssen. Er sei auch gerne bereit, das Kind zu adoptieren.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. April 1996 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 3 AufG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Mutter des Beschwerdeführers verfüge über keine Aufenthaltsbewilligung. Allein die Behauptung, der Großvater des Beschwerdeführers habe für ihn die Sorge übernommen, ohne daß dies durch entsprechende Unterlagen belegt wäre, könne die Berufungsbehörde zu keiner anderen Entscheidung veranlassen, zumal aufgrund des Alters des Beschwerdeführers gerade seiner Mutter die Obsorge und Pflege zustehe. Die belangte Behörde verfügte die Zustellung dieses Bescheides zu Handen der Mutter des Beschwerdeführers. Sie erfolgte am 29. April 1996 durch eigenhändige Übernahme des Bescheides durch die Mutter an einer österreichischen Adresse.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf "richtige Anwendung der Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes" sowie "auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens, insbesondere auf richtige Anwendung der Verfahrensvorschriften des AVG", verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt insbesondere vor, daß sein Großvater nicht bevollmächtigt gewesen sei, ihn anläßlich der Antragstellung und der Berufungserhebung wirksam zu vertreten. Damit zeigt der Beschwerdeführer aus nachstehenden Gründen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde auf:

Mit dem vom Beschwerdeführer (zugleich mit dem zur hg. Zl. VH 96/19/0312 protokollierten Antrag auf Erlangung der Verfahrenshilfe) vorgelegten Bescheid der Botschaft der Bundesrepublik Jugoslawien in Österreich vom 28. Mai 1996 wurde der Großvater des Beschwerdeführers zu seinem Vormund bestellt.

Bis zu diesem Zeitpunkt stand daher das Elternrecht gegenüber dem Beschwerdeführer seiner Mutter zu. Für eine Bevollmächtigung des Großvaters des Beschwerdeführers (durch die Mutter) zur Antragstellung (1. März 1996) und zur Erhebung der gegenständlichen Berufung (25. März 1996) ergeben sich aus den Verwaltungsakten keine Anhaltspunkte. Der Großvater hat sich auf eine solche Bevollmächtigung auch im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden nicht berufen. Allein aufgrund seiner Behauptung im Berufungsschriftsatz, er habe die Sorge für den Beschwerdeführer übernommen, konnte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, daß Zweifel über den Bestand seiner Vertretungsbefugnis im Sinne des § 10 Abs. 4 AVG nicht obwalteten.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bringt der Beschwerdeführer ausdrücklich vor, sein Großvater sei zu seiner Vertretung nicht bevollmächtigt gewesen. Dieser Beschwerdebehauptung ist auch die belangte Behörde nicht entgegengetreten. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß weder der gegenständliche Antrag noch die Berufung dem Beschwerdeführer zuzurechnen war.

Dessen ungeachtet hat die erstinstanzliche Behörde über diesen Antrag inhaltlich entschieden. Ihr Bescheid wurde durch Zustellung zu Handen seiner Mutter gegenüber dem Beschwerdeführer erlassen. Auch die belangte Behörde hat die vorliegende Berufung in meritorische Behandlung genommen und gegen den Beschwerdeführer durch Zustellung an seine Mutter als seine gesetzliche Vertreterin (im Zustellzeitpunkt 29. April 1996) den angefochtenen Berufungsbescheid erlassen.

Trifft die Behörde eine Berufungsentscheidung ohne Vorliegen einer tauglichen Berufung, so nimmt sie eine Zuständigkeit in Anspruch, die ihr gemäß §§ 63 und 66 AVG nicht zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 1978, Zl. 978/78). Die belangte Behörde hat daher ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit belastet, weshalb dieser - auch ohne ausdrückliche Geltendmachung dieser Unzuständigkeit als Beschwerdepunkt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Kosten aus dem Titel der Umsatzsteuer können neben dem Pauschalbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes nicht zuerkannt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 1985, Zl. 83/01/0314).

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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