VwGH 96/19/1860

VwGH96/19/186031.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerden 1.) des 1953 geborenen BL,

2.) der 1978 geborenen EL und 3.) der 1954 geborenen IL, sämtliche in Wien, sämtliche vertreten durch

DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 30. April 1996, Zlen. 1.) 106.217/5-III/11/95,

2.) 105.956/8-III/11/95 und 3.) 105.956/7-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §7;
AufG 1992 §1 Abs3 Z6;
AufG 1992 §6 Abs2;
VwRallg;
AsylG 1991 §7;
AufG 1992 §1 Abs3 Z6;
AufG 1992 §6 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin beantragten am 14. Oktober 1993, die Drittbeschwerdeführerin am 6. Juli 1993 und am 30. August 1993 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Die Anträge des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin vom 14. Oktober 1993 wurden mit im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der belangten Behörde, und zwar in Ansehung des Erstbeschwerdeführers vom 28. März 1995, in Ansehung der Zweitbeschwerdeführerin vom 28. April 1995, abgewiesen. Der Antrag der Drittbeschwerdeführerin vom 30. August 1993 wurde mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. April 1995 abgewiesen.

Am 8. August 1994 hatten sämtliche Beschwerdeführer neuerdings einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Diese Anträge wurden mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien, und zwar in Ansehung des Erstbeschwerdeführers vom 28. September 1994, in Ansehung der beiden anderen Beschwerdeführerinnen vom 5. Oktober 1994 jeweils gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen diese Bescheide Berufung.

Mit Bescheiden, und zwar in Ansehung des Erstbeschwerdeführers vom 29. März 1995, in Ansehung der beiden anderen Beschwerdeführerinnen vom 28. April 1995, gab die belangte Behörde diesen Berufungen jeweils gemäß § 66 Abs. 2 AVG Folge, behob die angefochtenen Bescheide und verwies die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an die erstinstanzliche Behörde. Begründend führte die belangte Behörde in diesen Bescheiden im wesentlichen gleichlautend aus, im Hinblick auf die Anhängigkeit der Berufungsverfahren in Ansehung der Anträge vom 14. Oktober 1993 bzw. vom 30. August 1993 habe die erstinstanzliche Behörde keine Entscheidung über die Anträge der Beschwerdeführer vom 8. August 1994 treffen dürfen. Sollte diese neuerlich zu dem Schluß gelangen, daß der Antrag der Beschwerdeführer abzulehnen sei, werde sie einen ausreichend begründeten Bescheid zu erlassen haben. Aufgrund dieser Sachlage scheine die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unumgänglich.

Mittlerweile hatten der Erstbeschwerdeführer am 13. Februar 1995, die beiden anderen Beschwerdeführerinnen am 14. Februar 1995 abermals einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt.

Mit (Ersatz-)Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien je vom 25. August 1995 wurden die Anträge der Beschwerdeführer vom 8. August 1994 und vom 13./14. Februar 1995 gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die Antragsteller hätten sich im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Antragstellungen im Bundesgebiet aufgehalten. Damit sei der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG nicht Genüge getan.

Die Beschwerdeführer erhoben Berufung.

Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres je vom 30. April 1996 wurden diese Berufungen jeweils gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 13 Abs. 1 und 2 und 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde in diesen Bescheiden im wesentlichen gleichlautend aus, die Asylverfahren der Beschwerdeführer seien mit in Rechtskraft erwachsenen Bescheiden vom 19. Mai 1993 (negativ) entschieden worden. Die Beschwerdeführer seien nicht aufgrund der Bestimmung des § 13 Abs. 1 AufG berechtigt, einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften zu stellen. Gemäß § 6 Abs. 2 AufG wären sie gehalten gewesen, ihre Bewilligungsanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen. Die Beschwerdeführer hätten sich jedoch im Zeitpunkt ihrer Antragstellung in Österreich befunden. Die öffentlichen Interessen überwögen die persönlichen Interessen der Beschwerdeführer.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführer machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, die angefochtenen Bescheide aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung der angefochtenen Bescheide (15. Mai 1996) war für deren Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, maßgebend.

§ 1 Abs. 3 Z. 6, § 6 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 und 2 AufG lauten:

"§ 1. ...

...

(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie

...

6. aufgrund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.

§ 6. ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der

Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine

Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall

des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des

Asyls ... Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf

Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.

(2) Abs. 1 findet auf die in § 1 Abs. 3 und 4 genannten Fremden keine Anwendung. Für diese kommt eine Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nur nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 in Betracht."

Die Beschwerdeführer bringen vor, sie seien staatenlos. Für den Erstbeschwerdeführer sei von der Bundespolizeidirektion Wien ein Fremdenpaß ausgestellt worden. Die übrigen Beschwerdeführerinnen verfügten über von der Sowjetunion ausgestellte Reisepässe. Den Beschwerdeführern sei während der Dauer ihres Asylverfahrens eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zugekommen. Diese sei im Juni 1993 zu Ende gegangen. Unmittelbar danach hätten die Beschwerdeführer noch im Juni 1993 bei der Fremdenpolizeibehörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gestellt, über den jedoch nicht entschieden worden sei. Auch eine Weiterleitung dieses Antrages an die Aufenthaltsbehörde nach dem 1. Juli 1993 sei nicht erfolgt. Die Beschwerdeführer seien insbesondere aufgrund ihrer Staatenlosigkeit nicht in der Lage, aus dem Bundesgebiet auszureisen, um vom Ausland aus einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung zu stellen. Die Beschwerdeführer hielten sich mittlerweile seit fünf Jahren im Bundesgebiet auf. "Im Hinblick auf die zuletzt ergangene Judikatur des Verfassungsgerichtshofes" wäre den Beschwerdeführern ungeachtet ihrer Antragstellung vom Inland aus eine Bewilligung zu erteilen gewesen. Auch habe es die erstinstanzliche Behörde im zweiten Rechtsgang (in Ansehung der Anträge der Beschwerdeführer vom 8. August 1994) unterlassen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Im übrigen habe die belangte Behörde es unterlassen, den Beschwerdeführern rechtliches Gehör zu leihen.

Mit diesem Vorbringen gestehen die Beschwerdeführer zu, daß ihre vorläufige Aufenthaltsberechtigung während ihres Asylverfahrens schon vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 geendet hatte. Ihre nach den Beschwerdebehauptungen Ende Juni 1993 bei der Bundespolizeidirektion Wien erfolgte Antragstellung verschaffte ihnen kein Aufenthaltsrecht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1996, Zl. 95/19/1020). Die Anwendung der Übergangsbestimmung des § 13 Abs. 1 AufG scheitert daher im vorliegenden Fall schon daran, daß die Beschwerdeführer sich bei Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. Selbst wenn aber zum 1. Juli 1993 eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung bestanden hätte, käme eine Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften aus dem Grunde des § 13 Abs. 2 AufG nicht in Betracht.

Sollte sich der Hinweis auf die "zuletzt ergangene Judikatur des Verfassungsgerichtshofes" in den Beschwerden auf dessen Erkenntnis vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, beziehen, so verkennen die Beschwerdeführer den Inhalt des § 6 Abs. 2 AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995. Nach dieser Bestimmung ist eine Antragstellung im Inland nur in den dort taxativ aufgezählten Fällen ausnahmsweise zulässig. Da § 6 Abs. 2 AufG nach seinem klaren Wortlaut keine Ausnahmebestimmung für Fremde enthält, die aufgrund des Asylgesetzes 1991 während der Anhängigkeit ihres Asylverfahrens zum Aufenthalt in Österreich berechtigt waren, sind im Inland gestellte Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auch in denjenigen Fällen abzuweisen, in denen eine Berechtigung zum vorläufigen Aufenthalt im Sinne des § 7 des Asylgesetzes 1991 vorlag. Da § 6 Abs. 2 AufG den "Verlust des Asyls" ausdrücklich als Ausnahmetatbestand anführt, fehlt ein Indiz für eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes hinsichtlich der nach § 7 AsylG 1991 vorläufig aufenthaltsberechtigten Personen. Eine Lücke (in Ansehung von bei Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes im Inland bereits aufhältiger Personen) liegt daher nicht vor. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß die Antragstellung im Inland auch nach der Rechtslage vor der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 zu einer Abweisung des Antrages hätten führen müssen, weil der Fall der Beschwerdeführer nicht mit jenen Fällen vergleichbar ist, in denen die Antragsteller sich seit vielen Jahren rechtmäßig aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung in Österreich aufgehalten haben, weshalb im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Annahme einer Verpflichtung zur Antragstellung im Ausland diesfalls geradezu schikanös wäre und allenfalls auch mit Art. 8 MRK in Konflikt geriete.

Insoweit die Beschwerdeführer vorbringen, sie seien infolge ihrer behaupteten Staatenlosigkeit nicht in der Lage, das Bundesgebiet zu verlassen, ist ihnen zu entgegnen, daß dieser Umstand nicht zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung trotz Vorliegens des Versagungsgrundes des § 6 Abs. 2 AufG zu führen hat (vgl. hiezu in Ansehung von Personen, die aus den in § 37 Abs. 1 FrG genannten Gründen am Verlassen des Bundesgebietes gehindert sind, auch das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zlen. 96/19/3402, AW 96/19/1873). Sollte eine Abschiebung der Beschwerdeführer aus den in der Beschwerde genannten Gründen tatsächlich unmöglich sein, so könnte dies mit einem Antrag auf Abschiebungsaufschub nach § 36 Abs. 2 FrG geltend gemacht werden.

Wenn die Beschwerdeführer schließlich rügen, daß die erstinstanzliche Behörde die Durchführung der in den Bescheiden vom 29. März 1995 bzw. vom 28. April 1995 angeordneten Verhandlung unterlassen habe, ist zunächst festzuhalten, daß tragender Grund für die in diesen Bescheiden vorgenommene Aufhebung der erstinstanzlichen Bescheide war, daß die erstinstanzliche Behörde infolge Anhängigkeit des Berufungsverfahrens bezüglich der Anträge vom 14. Oktober bzw. 30. August 1993 über die Anträge vom 8. August 1994 keine Entscheidung hätten fällen dürfen. Nur auf diese tragenden Aufhebungsgründe erstreckte sich die Selbstbindung der belangten Behörde aufgrund der Aufhebungsbescheide gemäß § 66 Abs. 2 AVG vom 29. März 1995 und vom 28. April 1995. Ein Verstoß gegen die Bindungswirkung dieser Bescheide durch die Erlassung der angefochtenen Bescheide ist der belangten Behörde nicht vorzuwerfen.

Im übrigen geht die Verfahrensrüge der Unterlassung der mündlichen Verhandlung wie auch jene der Verletzung des rechtlichen Gehörs schon deshalb ins Leere, weil die Beschwerdeführer lediglich darlegen, die belangte Behörde wäre bei Vermeidung der ihr vorgeworfenen Verfahrensfehler zum Ergebnis gelangt, daß das oben wiedergegebene Beschwerdevorbringen zutreffend sei. Auf Basis dieser Beschwerdebehauptungen wäre jedoch nach dem Vorgesagten eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide nicht zu erkennen.

Aus diesen Erwägungen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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