VwGH 96/19/1794

VwGH96/19/179419.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des 1985 geborenen EB in Wien, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Christian Onz in 1030 Wien, Salesianergasse 31, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Oktober 1995, Zl. 110.927/5-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §12;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z3;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z4;
MRK Art8 Abs2;
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §12;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z3;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z4;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Oktober 1995 wurde der am 28. Juni 1994 bei der österreichischen Botschaft in Preßburg durch einen Vertreter gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe sich im Zeitpunkt der durch seinen Onkel erfolgten Überreichung des Antrages bei der österreichischen Botschaft in Preßburg in Österreich befunden. Damit sei der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG nicht Genüge getan. Der Antrag sei daher abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (31. Oktober 1995) hatte die belangte Behörde das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 sowie die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, anzuwenden.

§ 6 Abs. 2 AufG lautet:

"(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist."

§ 3 Z. 3 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995 lautete:

"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

3. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten und"

Der Beschwerdeführer tritt der maßgebenden Feststellung der belangten Behörde, er habe sich im Zeitpunkt der Überreichung seines Antrages bei der österreichischen Botschaft in Preßburg im Inland aufgehalten, nicht entgegen. Er vertritt jedoch die Auffassung, § 6 Abs. 2 AufG stehe der Einbringung eines Antrages durch einen Vertreter nicht entgegen. Im übrigen sei das Verfahren mangelhaft geblieben, weil es die belangte Behörde unterlassen habe, in Anwendung des § 6 Abs. 2 zweiter Satz AufG den Antragsteller zur persönlichen Antragseinbringung aufzufordern.

Unbeschadet des Rechtes, den Antrag durch einen Vertreter einzubringen, ist mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ohne jeden Zweifel die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/1600). Die Antragstellung durch einen Vertreter vom Ausland aus, während sich der Fremde selbst im Inland aufhält, entspricht - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - nicht der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1997, Zl. 96/19/0785). Bei dem dort normierten Erfordernis handelt es sich um eine Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung des Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895). Steht - wie hier aufgrund der unangefochtenen Bescheidfeststellungen - fest, daß sich der Fremde im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Vertreter im Inland befindet, bleibt für die Anwendung des § 6 Abs. 2 zweiter Satz AufG kein Raum (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1997, Zl. 96/19/1133).

Der Beschwerdeführer vertritt weiters die Auffassung, er sei aus dem Grunde des § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 ausnahmsweise zur Antragstellung im Inland berechtigt. Sein Vater zähle zu dem in dieser Verordnungsbestimmung umschriebenen Personenkreis. Er selbst habe zwar nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, er sei jedoch im Reisedokument seines Vaters miteingetragen gewesen. Aufgrund eines in diesem Reisedokument erteilten Wiedereinreisesichtvermerkes sei nicht nur sein Vater, sondern auch er selbst, für den Zeitraum vom 14. August 1991 bis 12. Juli 1993 zur mehrmaligen Einreise in das Bundesgebiet und zum Aufenthalt berechtigt gewesen. Der Beschwerdeführer habe bis Anfang 1993 von seinen Eltern getrennt in der Türkei gelebt. Nachdem die dortige Unterkunft im Rahmen eines schweren Erdbebens zerstört worden sei, sei er Anfang 1993 gemeinsam mit seinen Geschwistern nach Österreich eingereist. Zur Vermeidung ungerechtfertigter Differenzierungen seien vor dem 1. Juli 1993 ausgestellte Wiedereinreisesichtvermerke einer "Aufenthaltsbewilligung" im Sinne der zitierten Verordnungsbestimmung gleichzuhalten.

Diesem Vorbringen ist jedoch die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach mit "Aufenthaltsbewilligung" im Sinne der zitierten Verordnungsbestimmung die in § 1 Abs. 1 AufG vorgeschriebene besondere Bewilligung gemeint ist. Diese - im Aufenthaltsgesetz "Bewilligung" genannte - Berechtigung ist Gegenstand des Antrages nach § 6 Abs. 2 AufG. § 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 bezeichnet diesen als "Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung". Die Verordnung bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Begriff "Aufenthaltsbewilligung" in § 3 erster Satz etwas anderes bedeuten soll als jener in Z. 3 leg. cit. (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 95/19/0743). Die Berechtigung zum Aufenthalt aufgrund eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Wiedereinreisesichtvermerkes gehört nicht dazu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1997, Zl. 96/19/1003).

Da die Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG an strengere Voraussetzungen geknüpft ist, als es die Erteilung eines Wiedereinreisesichtvermerkes nach dem Paßgesetz 1969 war, bestehen gegen das dem Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung entsprechende Interpretationsergebnis keine Bedenken aus dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gebotes der Gleichbehandlung von Ausländern untereinander.

Auch Art. 8 Abs. 1 MRK gebietet im Fall des Beschwerdeführers keine andere Auslegung. Der Beschwerdeführer zählte nämlich auch nicht zu jenen Fremden, die (nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995) auf Basis des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, trotz Versäumung der Frist zur Antragstellung einen als rechtzeitig geltenden Verlängerungsantrag stellen konnten. Dies war nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für jene Fremden der Fall, die sich seit vielen Jahren bzw. sogar seit der Geburt rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben und die die Frist zur Antragstellung relativ geringfügig versäumt hatten. Dies ist beim Beschwerdeführer, der sich lediglich etwa ein halbes Jahr lang rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt und die Frist zur Antragstellung um etwa ein Jahr versäumte, nicht der Fall.

Aus diesem Grund kann es dahingestellt bleiben, ob sich der aus dem Reisedokument des Vaters des Beschwerdeführers ersichtliche Wiedereinreisesichtvermerk nach seinem normativen Gehalt überhaupt auf den miteingetragenen Beschwerdeführer - wie er behauptet - erstreckt oder nicht.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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