VwGH 96/19/1109

VwGH96/19/110913.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerden 1.) der FP und 2.) des EP, beide in M, der Zweitbeschwerdeführer vertreten durch den Vater HP, dieser und die Erstbeschwerdeführerin vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in R, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 19. Februar 1996, Zlen. 1.) 305.004/2-III/11/96 und 2.) 305.004/3-III/11/96, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;
AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer überreichten am 14. August 1995 durch einen Dritten bei der österreichischen Botschaft in Laibach Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen. Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis, jeweils vom 6. November 1995, wurden diese Anträge der Beschwerdeführer "als unzulässig zurückgewiesen". Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die Beschwerdeführer hätten es unterlassen, den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Die Beschwerdeführer erhoben Berufung.

Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 19. Februar 1996 wurden diese Berufungen - unter anderem - gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden im wesentlichen gleichlautend aus, die Beschwerdeführer seien am 2. Februar 1995 von Slowenien kommend sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist, ohne beim Grenzübertritt die Initiative ergriffen und den Status eines bosnischen Kriegsflüchtlings reklamiert zu haben. Einer Eintragung im Reisedokument der Beschwerdeführer sei zu entnehmen, daß ein vorläufiges Aufenthaltsrecht "gemäß § 12 AufG" "nicht zuerkannt worden sei". Die Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 sei daher auf die Beschwerdeführer nicht anwendbar. Sie wären daher gemäß § 6 Abs. 2 AufG gehalten gewesen, ihren Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen. Da sich die Beschwerdeführer aber auch während der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten hätten, sei der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG nicht Genüge getan.

Im Hinblick auf die Wichtigkeit der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen und aufgrund der vom Verhalten der Beschwerdeführer ausgehenden Beispielsfolgen überwögen die öffentlichen Interessen an der Versagung einer Aufenthaltsbewilligung die durch die Anwesenheit des Gatten der Erstbeschwerdeführerin bzw. des Vaters des Zweitbeschwerdeführers begründeten privaten Interessen der Beschwerdeführer in Österreich.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführer machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, die angefochtenen Bescheide aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Beschwerden in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung der angefochtenen Bescheide (28. Februar 1996) hatte die belangte Behörde das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 sowie die Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, sowie die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, anzuwenden.

§ 6 Abs. 2 AufG lautet:

"(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. ..."

§ 4 Z. 4 der gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG ergangenen Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 lautete:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."

§ 2 der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 lautete:

"§ 2. Personen, die zum 1. Jänner 1995 gemäß der Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 1038/1994, ein Aufenthaltsrecht hatten, können den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 AufG ausnahmsweise im Inland stellen."

§ 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 1038/1994, lauteten:

"§ 1. (1) Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährigen Kinder, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, haben ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.

(2) Dieses Aufenthaltsrecht besteht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde."

Die erstinstanzliche Behörde hat die Anträge der Beschwerdeführer "als unzulässig zurückgewiesen", weil sie nicht vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt worden seien. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei dem in § 6 Abs. 2 erster Fall AufG normierten Erfordernis um eine Voraussetzung, deren Nichterfüllung die ABWEISUNG des Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895).

Der Charakter einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung als Sacherledigung ist aus dem Gesamtinhalt des Bescheides abzuleiten. Läßt die Bescheidbegründung - wie hier - erkennen, daß die Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz versagt werde, weil die (materiell-rechtliche) Voraussetzung des § 6 Abs. 2 erster Fall AufG nicht erfüllt worden sei, handelt es sich bei der spruchgemäßen "Zurückweisung" eines solchen Antrages um ein bloßes Vergreifen im Ausdruck mit dem Ergebnis, daß tatsächlich eine meritorische Erledigung in Form einer "Abweisung" des Antrages des Fremden vorliegt (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/18/0525, und vom 24. März 1997, Zl. 95/19/0901). Durch die Abweisung der Berufungen hat auch die belangte Behörde abweisliche Sachentscheidungen über die Anträge der Beschwerdeführer getroffen.

Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, daß sie sich im Zeitpunkt der gegenständlichen Antragstellung durch einen Vertreter im Bundesgebiet aufhielten. Eine solche Vorgangsweise entspricht nicht der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168).

Die Beschwerdeführer behaupten, sie seien aufgrund (des § 2) der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 zur Antragstellung im Inland berechtigt.

Ausgehend von der in den Beschwerden ausdrücklich als richtig zugestandenen Feststellung in den bekämpften Bescheiden, die Einreise der Beschwerdeführer in das Bundesgebiet sei am 2. Februar 1995 erfolgt, liegen die Voraussetzungen des § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 nicht vor, weil die Beschwerdeführer zum 1. Jänner 1995 (noch) kein Aufenthaltsrecht gemäß der Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 1038/1994, besaßen. Die Frage, ob die Beschwerdeführer durch ihre Einreise am 2. Februar 1995 ein solches Aufenthaltsrecht nach § 1 Abs. 2 der letztgenannten Verordnung erwarben, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben.

Insoweit die Beschwerdeführer auf ihre privaten und familiären Interessen im Bundesgebiet verweisen, ist ihnen zu entgegnen, daß gemäß § 4 Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 lediglich Familienangehörige (im Sinne des § 3 AufG) von Personen, für die eine Arbeitserlaubnis ausgestellt ist, zur Antragstellung im Inland berechtigt sind, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten. Diese Voraussetzung ist bei den Beschwerdeführern, die über keine Aufenthaltsbewilligung verfügten, nicht gegeben. Der Gesetzgeber der AufG-Novelle BGBl. Nr. 351/1995 hat mit den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genutzten - Verordnungsermächtigung in Ansehung der Angehörigen in Österreich aufhältiger Fremder bereits auf die durch Art. 8 MRK geschützten familiären Interessen Bedacht genommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0161). Gegen die Determinierung der Verordnungsermächtigung auf solche Angehörige, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten, bestehen im Fall der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof ebensowenig Bedenken wie gegen die aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Verordnung BGBl. Nr. 854/1995.

Aus diesen Erwägungen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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