VwGH 96/19/0001

VwGH96/19/000113.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerden 1.) der AD, vertreten durch die Mutter MD, und 2.) der CD, beide in W, beide vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 7. November 1995, Zlen.

1.) 303.838/3-III/11/95 und 2.) 303.838/2-III/11/95, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin und ihre Mutter, die Zweitbeschwerdeführerin, sind Staatsangehörige Bosniens und der Herzegowina. Sie stellten jeweils am 22. Dezember 1994 bei der Österreichischen Botschaft Zagreb einen Erstantrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zum Zweck der Familiengemeinschaft mit dem Vater bzw. Ehegatten.

Der Landeshauptmann von Wien wies mit den erstinstanzlichen Bescheiden vom 7. November 1995 die Anträge der Beschwerdeführerinnen gemäß § 5 Abs. 1 AufG ab. Die Bescheide wurden damit begründet, daß laut dem als Nachweis einer gesicherten Unterkunft vorgelegten Mietvertrag die darin bezeichnete Wohnung aus einem Zimmer, einem Kabinett und einer Küche bestehe. Eine für Inländer ortsübliche Unterkunft liege bei Familien mit Kindern nur dann vor, wenn ein vom Wohnraum getrennter Schlafraum vorliege. In der angeführten Wohnung sollten die Antragstellerinnen sowie ihr Vater bzw. Gatte wohnen. Im Falle eines Familiennachzuges liege daher keine für Inländer ortsübliche Unterkunft vor.

In den dagegen erhobenen Berufungen brachten die Beschwerdeführerinnen vor, die 35 m2 große Wohnung entspreche dem ortsüblichen Standard. Die Küche sei groß genug und diene als Wohnzimmer. Zimmer und Kabinett seien hievon getrennt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführerinnen jeweils gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerinnen seien seit 13. Juni 1995 aufrecht in Österreich gemeldet, ohne eine Aufenthaltsbewilligung zu haben. Die erstinstanzlichen Bescheide seien von der Zweitbeschwerdeführerin, auch als Vertreterin der Erstbeschwerdeführerin, an der Wiener Wohnadresse persönlich übernommen und die Übernahme jeweils durch Unterschrift auf dem Rückschein bestätigt worden (nach der Aktenlage am 14. September 1995). In den Berufungen sei ebenfalls als Wohnadresse der österreichische Wohnsitz angegeben worden. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG dürfe Fremden eine Bewilligung u.a. nicht erteilt werden, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliege. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG sei die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Die Beschwerdeführerinnen hielten sich illegal in Österreich auf. Der illegale Aufenthalt stelle nach Ansicht der belangten Behörde einen schwerwiegenden Verstoß gegen das österreichische Fremdenrecht dar. Dadurch hätten die Beschwerdeführerinnen gezeigt, daß sie nicht gewillt seien, die Vorschriften des österreichischen Fremdenrechtes einzuhalten und zu respektieren. Die Tatsache des illegalen Aufenthaltes stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar, weil das Verhalten der Beschwerdeführerinnen auf andere Fremde durchaus Beispielswirkung haben könnte. Die Billigung eines derartigen Verhaltens würde jegliche fremdenrechtliche Bestimmungen obsolet erscheinen lassen. Bei der Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK habe die belangte Behörde festgestellt, daß trotz Bestehens eines Familienbezuges zu Österreich die öffentlichen Interessen, insbesondere im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen, überwögen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden. Die Beschwerdeführerinnen machen Rechtwidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragen, die Bescheide aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Beschwerden aufgrund ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung der angefochtenen Bescheide (16. November 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.

§ 3 Abs. 1 Z. 2 und § 5 Abs. 1 AufG in dieser Fassung

lauten:

"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

  1. 1. ...
  2. 2. von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben,

    ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

    ..."

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."

§ 10 FrG lautet auszugsweise:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

..."

Die Beschwerdeführerinnen treten der maßgeblichen Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde, daß sie sich unrechtmäßig, also ohne über einen gültigen Titel, der sie zum Aufenthalt in Österreich berechtigen würde, zu verfügen, nicht entgegen. Sie bezeichnen die Feststellung der belangten Behörde, daß sich die gesamte Familie in Österreich in einer Wohnung an der angegebenen Adresse aufhalte, ausdrücklich als "zutreffend". Wann die Beschwerdeführerinnen nach Österreich eingereist sind, ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Sie halten sich jedenfalls seit 14. September 1995 in Österreich auf.

Unter der Annahme einer Einreise vor dem 15. April 1995 stand das im Verhältnis der Republik Österreich zur Republik Bosnien-Herzegowina pragmatisch weiter angewendete Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965 in der Fassung BGBl. Nr. 117/1983, in Kraft. Die Beschwerdeführerinnen waren aufgrund dieses Abkommens zu einer Einreise nach und zu einem Aufenthalt in Österreich von nicht länger als drei Monaten berechtigt. Ab dem 15. April 1995 benötigten die Beschwerdeführerinnen zu einer (legalen) Einreise nach Österreich einen Sichtvermerk (vgl. die "Teilweise Aussetzung der pragmatischen Weiteranwendung des Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der SFR Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht im Verhältnis zur Republik Bosnien-Herzegowina", BGBl. Nr. 252/1995). Die Beschwerdeführerinnen haben auch nie behauptet (Anhaltspunkte dafür sind auch dem Akteninhalt nicht entnehmbar), daß sie zu dem von der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 299/1996, umschriebenen Personenkreis zählen.

Die Beschwerdeführerinnen sind daher entweder nach Ablauf des dreimonatigen rechtmäßigen Aufenthaltes nach sichtvermerksfreier Einreise in Österreich verblieben oder ohne den erforderlichen Sichtvermerk unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und haben hier unrechtmäßig ihren Aufenthalt genommen.

Eine unrechtmäßige Einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Annahme, ein weiterer Aufenthalt des Fremden gefährde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259). Gleiches gilt für einen länger dauernden unberechtigten Aufenthalt im Anschluß an den dreimonatigen rechtmäßigen Aufenthalt nach sichtvermerksfreier Einreise (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 95/19/0269).

Die belangte Behörde ist sohin zutreffend vom Vorliegen des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG und damit auch vom Vorliegen eines Ausschließungsgrundes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG ausgegangen.

Liegt aber dieser Ausschließungsgrund vor und machen die Beschwerdeführerinnen erkennbar geltend, daß sie infolge der Beziehungen zu ihrem in Österreich lebenden Gatten bzw. Vater gemäß § 3 einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung haben, ist ihnen zu erwidern, daß bei Vorliegen eines Ausschließungsgrundes eine Aufenthaltsbewilligung an die in § 3 Abs. 1 AufG genannten Personen nicht erteilt werden darf (vgl. z.B. die

hg. Erkenntnisse vom 20. Juli 1995, Zl. 95/18/1125, und vom 20. Juni 1996, Zl. 96/19/1046, 1047).

Auf den Einwand der Beschwerdeführerinnen betreffend die Verletzung ihres Rechts auf Privat- und Familienleben (Art. 8 MRK) ist zu entgegnen, daß auf die aus dem Aufenthalt des Gatten bzw. Vaters in Österreich abgeleiteten familiären Interessen der Beschwerdeführerinnen am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet bei einer Erforderlichkeitsprüfung vor dem Hintergrund des Art. 8 Abs. 2 MRK nicht Bedacht zu nehmen ist, zumal ansonsten ein Wertungswiderspruch zu § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG, wonach die Erteilung eines Sichtvermerkes u.a. zu versagen ist, wenn dieser zeitlich an eine sichtvermerksfreie Einreise anschließen soll, entstünde (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0555, und vom 30. Mai 1996, Zl. 96/19/0836). Denn eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen des Fremden kommt bei einer auf diese Bestimmung gestützten Entscheidung aus den vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. Juli 1993, B 338/93, B 445/93, Slg. Nr. 13497, dargelegten Gründen nicht in Frage (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 6. Oktober 1994, Zl. 94/18/0640, und vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/1404).

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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