Normen
ABGB §7;
AufG 1992 §6 Abs3;
FrG 1993 §17 Abs4;
FrG 1993 §22;
VwRallg;
ABGB §7;
AufG 1992 §6 Abs3;
FrG 1993 §17 Abs4;
FrG 1993 §22;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 29. Jänner 1996 verfügte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) gegen die Beschwerdeführerin, eine bosnische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, die Ausweisung.
Gemäß § 17 Abs. 1 FrG seien Fremde - unter Bedachtnahme auf § 19 FrG - mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. Die Beschwerdeführerin befinde sich seit Mitte des Jahres 1992 in Österreich und habe bis zum 26. Februar 1995 über eine Aufenthaltsberechtigung verfügt. Ein von ihr am 15. Jänner 1995 eingebrachter Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sei mittlerweile gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig abgewiesen worden. Demnach halte sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodaß die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 FrG gegeben seien.
Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe, sei zunächst festzuhalten, daß sich die Beschwerdeführerin aufgrund ihres relativ kurzen und zum Teil illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht mit Erfolg auf einen allfälligen Eingriff in ihr Privatleben berufen könne. Aufgrund ihrer familiären Bindungen (Eltern und Geschwister) liege jedoch ein mit der gegen sie gesetzten Maßnahme verbundener Eingriff in das Familienleben vor.
Dessen ungeachtet sei aber die Ausweisung der Beschwerdeführerin zum Schutz der öffentlichen Ordnung, im besonderen auf dem Gebiete des Fremdenwesens, dringend geboten. Der unrechtmäßige Aufenthalt, vor allem aber das weitere Verbleiben der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet nach und trotz der Abweisung ihres Antrags nach dem Aufenthaltsgesetz, gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße. Der Einhaltung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften komme auch angesichts des kontinuierlich zunehmenden Zuwanderungsdruckes aus der Sicht der Wahrung eines geordneten Arbeitsmarktes bedeutendes Gewicht zu, sodaß die Ausweisung der Beschwerdeführerin unter diesem Aspekt ebenfalls als dringend geboten zu erachten sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Ansicht der belangten Behörde, daß sich die Beschwerdeführerin nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen diese Beurteilung keine Bedenken, zumal die Geltung der der Beschwerdeführerin zuletzt erteilten Aufenthaltsberechtigung - nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid - mit 26. Februar 1995 geendet hat und der Beschwerdeführerin im Lichte des § 6 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes in seiner Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 351/1995 ein Aufenthaltsrecht bis längstens sechs Wochen nach diesem Zeitpunkt zukam. Damit hat die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzung des § 17 Abs. 1 FrG für die Erlassung einer Ausweisung gegen die Beschwerdeführerin - vorbehaltlich ihrer Zulässigkeit nach § 19 FrG - zutreffend bejaht.
2.1. Die Beschwerdeführerin bekämpft die von der belangten Behörde gemäß § 19 FrG vorgenommene Beurteilung. Sie verfüge derzeit allein bei ihren in Wien lebenden Eltern über eine gesicherte Unterkunft und sei auf deren finanzielle Unterstützung zur Deckung ihres Lebensunterhaltes angewiesen; der Vater der Beschwerdeführerin, dem gegenüber sie einen "entsprechenden zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch" habe, könne diesen lediglich in Wien erfüllen. Die "ehemalige Familienunterkunft in Bosnien" sei zerstört worden. Hinzu komme, daß die Versagung der Aufenthaltsbewilligung auf die Anwendung der verfassungsrechtlich bedenklichen Bestimmung des § 5 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes zurückzuführen sei; die Behörde hätte im übrigen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über ihre Beschwerde gegen die Versagung der Aufenthaltsbewilligung (den diesbezüglichen Antrag habe sie rechtzeitig gestellt) abzuwarten gehabt.
2.2. Die belangte Behörde hat aufgrund der familiären Bindungen der Beschwerdeführerin zutreffend einen im Sinn des § 19 relevanten Eingriff in ihr Familienleben angenommen; im Hinblick auf die Dauer des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin von etwa dreieinhalb Jahren in Österreich - der für die Dauer von mehr als zweieinhalb Jahren rechtmäßig war - stellt die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme auch - entgegen der Behörde - einen Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin dar. Die belangte Behörde hat aber zutreffend auf den hohen Stellenwert hingewiesen, welcher der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) zukommt (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 24. Oktober 1996, Zl. 96/18/0435, mwH). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihren unrechtmäßigen Aufenthalt - und zwar auch nach und trotz rechtskräftiger Abweisung ihres Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - in der Dauer von etwa zehn Monaten erheblich beeinträchtigt. Das somit sehr gewichtige öffentliche Interesse an der Ausreise der Beschwerdeführerin wird durch ihre vergleichsweise schwächer ausgeprägten persönlichen Interessen nicht aufgewogen. Der gegenüber der Beschwerdeführerin bestehenden Unterhaltsverpflichtung kann auch dann nachgekommen werden, wenn sich die Beschwerdeführerin im Ausland befindet.
Die Beschwerdeausführungen betreffend die Verhältnisse im Heimatstaat der Beschwerdeführerin sind nicht zielführend, wird doch mit der Ausweisung lediglich die Verpflichtung des Fremden begründet, Österreich zu verlassen (siehe § 22 Abs. 1 FrG), nicht aber (auch) ausgesprochen, daß er in ein bestimmtes Land auszureisen hat, oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 14. November 1996, Zl. 96/18/0469). Auch von daher gesehen ist der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig.
3.1. Im Rahmen ihres Vorbringens zu § 19 FrG wendet die Beschwerdeführerin - unter Hinweis auf § 17 Abs. 4 FrG - noch ein, daß die Behörde zu begründen gehabt hätte, weshalb sie ihre "sofortige Ausweisung" noch vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über ihre Beschwerde gegen die Versagung der Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung für unbedingt erforderlich erachtet hat.
3.2. Dazu ist zunächst festzuhalten, daß § 17 Abs. 4 FrG der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht entgegenstand. Diese Regelung ist ihrem Wortlaut nach nur auf Fälle anwendbar, in denen bekannt wird, daß der betroffene Fremde vor der Ausweisung rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung seiner Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (§ 6 Abs. 3 leg. cit.) gestellt hat und über diesen Antrag im Verwaltungsverfahren noch nicht entschieden wurde. Diese in § 17 Abs. 4 genannten Voraussetzungen treffen aber auf den vorliegenden Fall nicht zu, war doch das Verwaltungsverfahren nach dem Aufenthaltsgesetz über den Verlängerungsantrag der Beschwerdeführerin vor Erlassung der angefochtenen Ausweisung rechtskräftig abgeschlossen.
4. Dessen ungeachtet ist der Vollständigkeit halber noch folgendes anzumerken:
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 97/19/2118, den bereits genannten Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Juni 1995, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Verlängerung ihrer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz abgewiesen wurde, (wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes) aufgehoben.
Wie erwähnt, erfaßt § 17 Abs. 4 leg. cit. seinem Wortlaut nach den Fall, daß NACH einer Ausweisung die vorher im Verwaltungsweg getroffene Entscheidung über einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vom Verwaltungsgerichtshof behoben wird (oder aus einem anderen Grund wegfällt) nicht.
Dies läuft aber der Zielsetzung zuwider, die der Gesetzgeber der genannten Bestimmung unterstellt hat. Der mit Bundesgesetz BGBl. Nr. 110/1994 ins Fremdengesetz eingefügte § 17 Abs. 4 hat nämlich nach den Gesetzesmaterialien den Zweck sicherzustellen, daß ein Fremder, der rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung gestellt hat, nicht von einer "Abschiebung" bedroht sein soll (vgl. StenProt NR 151. Sitzung XVIII. GP, S. 17.485f, 17.491). Nach dem FrG droht einem Fremden die Abschiebung dann, wenn er (u.a.) seiner Verpflichtung zur Ausreise aus Österreich nicht nachkommt (§ 36 Abs. 1 Z. 2 FrG). Gerade eine solche Ausreiseverpflichtung hat aber die Ausweisung eines Fremden zur Folge; nach § 22 FrG hat der Fremde mit Eintritt der Rechtskraft einer Ausweisung - und damit ihrer Durchsetzbarkeit - die Verpflichtung, unverzüglich aus Österreich auszureisen.
Die Gesetzesmaterialien lassen daher klar erkennen, daß der Gesetzgeber - dem den Materialien entnehmbaren Regelungszweck widersprechend - den Wortlaut des § 17 Abs. 4 FrG zu eng gefaßt hat, weshalb diese Regelung eine "planwidrige Unvollständigkeit" aufweist. Diese besteht darin, daß § 17 Abs. 4 FrG den Fall, daß nach einer Ausweisung die verwaltungsbehördliche rechtskräftige (negative) Erledigung eines rechtzeitig gestellten Antrages auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung infolge der Behebung des entsprechenden Bescheides durch den Gerichtshof wegfällt, nicht erfaßt. Eine solche Behebung hat nämlich zur Folge, daß die Frage der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung des Fremden in Österreich in die Lage zurücktritt, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte (§ 42 Abs. 3 VwGG) und daher eine rechtskräftige Entscheidung im Verwaltungsverfahren noch aussteht.
Diese Regelungslücke ist - im Wege einer unter diesen Voraussetzungen auch im öffentlichen Recht zulässigen Analogie - unter Bedachtnahme auf den dargelegten Wertungsgesichtspunkt und in verfassungskonformer Weise zu schließen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, Slg. Nr. 11.305(A)/1994), und zwar dergestalt, daß die aufgrund der erlassenen Ausweisung gegebene Ausreiseverpflichtung des Fremden gemäß § 22 FrG nach der Behebung des nach dem Aufenthaltsgesetz erlassenen Bescheides durch den Gerichtshof nicht mehr besteht.
Allein ein solches Auslegungsergebnis wird nach Auffassung des Gerichtshofes dem Gleichheitssatz gemäß Art. 7 B-VG und Art. 2 StGG gerecht, ist doch - insbesondere im Lichte der angeführten Gesetzesmaterialien - eine sachliche Rechtfertigung, den Fall des Noch-ausständig-seins einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung über die Aufenthaltsbewilligung im Sinn des § 6 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (auf den sich der Wortlaut des § 17 Abs. 4 FrG bezieht) in bezug auf eine Ausreiseverpflichtung nach § 22 FrG anders zu behandeln als den des Wegfalles einer solchen Entscheidung infolge ihrer Behebung durch den Gerichtshof, nicht ersichtlich, da in beiden Fällen eine solche Entscheidung fehlt.
5. Da - wie ausgeführt - dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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