VwGH 96/15/0186

VwGH96/15/018623.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des K K in L, vertreten durch Dr. Günter Vasicek, Rechtsanwalt in Krems, Schwedengasse 1b, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 8. Juli 1996, GA 7 - 1330/96, betreffend Aussetzung der Einhebung von Einkommensteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §212a Abs2 lita;
EStG §36;
BAO §212a Abs2 lita;
EStG §36;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.920 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Gegen den im Anschluß an eine abgabenbehördliche Prüfung ergangenen Bescheid betreffend Einkommensteuer 1993, mit welchem das Finanzamt den Gewinn aus dem Nachlaß betrieblicher Schulden nicht als steuerfreien Sanierungsgewinn

iSd § 36 EStG 1988 anerkannt hatte, berief der Beschwerdeführer. Er führte aus, nach Ansicht des Betriebsprüfers fehle im gegenständlichen Fall die Sanierungsabsicht und die Sanierungseignung. Tatsächlich lägen aber diese Voraussetzungen für die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinnes vor. Betriebswirtschaftliche Auswertungen hätten ergeben, daß eine Weiterführung seines Unternehmens nicht zu bewerkstelligen gewesen wäre, weil die Kreditrückzahlungen mitsamt dem Zinsenaufwand nicht mehr aus dem laufenden Geschäftsbetrieb hätten finanziert werden können. Um eine Sanierung zu ermöglichen, sei mit der C-Bank ein Schuldnachlaß und gleichzeitig eine Umschuldung auf eine andere Bank vereinbart worden. Interessen der Gläubiger, zumindest Restforderungen (oder Geschäftsbeziehungen) zu retten, seien ein Indiz für deren Sanierungsabsicht. Daher könne die Umschuldung von einem Darlehensgeber zu einem anderen der Begünstigung des Sanierungsgewinnes nicht entgegenstehen. Um die Umschuldung und die Sanierung zu erreichen, habe die C-Bank einen Schuldnachlaß gewährt. Schuldnachlässe müßten geeignet sein - uU zusammen mit anderen Maßnahmen - das Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Ein Schuldnachlaß durch die Bank sei geeignet, die Sanierung herbeizuführen. Zudem habe der Beschwerdeführer als weitere Sanierungsmaßnahme Personalkosten reduziert (von ca. 741.000 S im Jahr 1993 auf ca. 474.000 S im Jahr 1994) und Buchhaltungskosten eingespart. Er habe auch durch intensive Kontakte in Deutschland versucht, langfristige Lieferverträge abzuschließen, was auf eine langfristige Sanierung schließen lasse. Die nach dem Schuldnachlaß noch aushaftenden Kreditverbindlichkeiten ließen jedenfalls für sich allein entgegen der Ansicht des Betriebsprüfers keinen Schluß auf die zukünftige Ertragsentwicklung und die Sanierungseignung zu.

Gleichzeitig beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung der strittigen Einkommensteuer in Höhe von 160.372 S. Das Finanzamt wies den Antrag auf Aussetzung der Einhebung mit der Begründung ab, daß die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheine. Der Beschwerdeführer berief gegen diesen Bescheid. Lasse eine Vorschrift verschiedene Interpretationen zu und bewege sich der bekämpfte Bescheid im Bereich möglichen Verständnisses, oder liege zu einer konkreten Streitfrage noch keine eindeutige und ständige Rechtsprechung vor, so könne eine Berufung nicht von vornherein als wenig erfolgversprechend angesehen werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid nach § 212a BAO als unbegründet ab. Die Erträge aus der im Jahr 1993 erfolgten Umschuldung von der C-Bank zur O-Bank seien nach Ansicht des Beschwerdeführer als steuerfreier Sanierungsgewinn zu behandeln. Zu den Voraussetzungen für diese Steuerbegünstigung zähle ua, daß der Schuldnachlaß in Sanierungsabsicht erfolge und sich zur Sanierung des Betriebes eigne. Im gegenständlichen Fall sei der Schuldnachlaß durch die C-Bank nicht in der Absicht erfolgt, die wirtschaftliche Gesundung des Unternehmens herbeizuführen, sondern habe eine Umschuldung bewirken sollen. Es liege daher keine Sanierungsabsicht vor. Es sei aber auch die Sanierungseignung nicht gegeben, weil dem Beschwerdeführer als Einzelunternehmer nach der Umschuldung Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 2,6 Mio S verblieben seien. Nach der Rechtsprechung (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1990, 90/13/0018) spreche auch die Nichtbeseitigung der Unternehmensverluste durch den Schulderlaß gegen dessen Eignung, eine Sanierung zu bewirken. Aus diesen Gründen erscheine die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid als wenig erfolgversprechend.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Aussetzung der Einhebung verletzt und beantragt dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte Teile der Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 212a BAO Abs. 2 lit. a BAO ist die Aussetzung der Einhebung im Sinne des § 212a Abs. 1 BAO nicht zu bewilligen, insoweit die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint.

Aufgabe eines Aussetzungsverfahrens ist es nicht, die Berufungsentscheidung vorwegzunehmen; die Abgabenbehörden haben bei Prüfung der Voraussetzungen für eine Aussetzung der Einhebung die Erfolgsaussichten einer Berufung lediglich anhand des Berufungsvorbringens zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1993, 89/13/0199).

Die belangte Behörde vermeint, aufgrund des Umstandes, daß der Schuldnachlaß durch die C-Bank im Zuge einer Umschuldung auf die O-Bank erfolgt ist, eine Sanierungsabsicht ausschließen zu können. Sie hat es dabei aber unterlassen, sich mit dem Berufungsvorbringen auseinanderzusetzen, wonach der Wille der Parteien (und sohin auch der C-Bank) sowohl auf Umschuldung als auch auf Sanierung gerichtet gewesen sei. Daß diese Berufungsbehauptung der Wahrheit entspricht, erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, zumal die belangte Behörde nicht aufzeigt, die an der Umschuldung interessierte C-Bank habe nicht eine Sanierung herbeiführen müssen, um die O-Bank zur Vergabe von Fremdmitteln an den Beschwerdeführer und sohin zur Mitwirkung an der Umschuldung zu veranlassen.

Es ist dem Gerichtshof im Beschwerdefall entzogen, zu überprüfen, ob die belangte Behörde die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid deshalb zu Recht als wenig erfolgversprechend beurteilen konnte, weil dem Schuldnachlaß die Eignung, eine Sanierung des Betriebes des Beschwerdeführers herbeizuführen, gemangelt habe. Dem angefochtenen Bescheid kann nämlich weder der Stand des realen Betriebsvermögens (einschließlich stiller Reserven) vor und vor allem nach dem Schuldnachlaß entnommen werden noch das Ausmaß des Verlustes in der Zeit nach dem Schuldnachlaß, auf welchen sich der angefochtene Bescheid ebenfalls stützt. Wenngleich auch das Berufungsvorbringen nicht geeignet ist, einen Erfolg der Berufung gesichert erscheinen zu lassen, so bietet es doch Anhaltspunkte, die zumindest die Prüfung erforderlich erscheinen lassen, ob der Schuldnachlaß auf längere Sicht zur Sanierung des Unternehmens geführt hat. Es trifft jedenfalls nicht zu, daß eine nach Gewährung des Schuldnachlasses aufgetretene (uU betragsmäßig geringfügige und zeitlich kurze) Verlustsituation in jedem Fall bereits die Sanierungseignung ausschließt; eine derartige Rechtsansicht ist aus dem im angefochtenen Bescheid zitierten hg. Erkenntnis 90/13/0018 nicht abzuleiten.

Da die Begründung des angefochtenen Bescheides somit insgesamt nicht geeignet ist, die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid als gering zu tragen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994. Der Ersatz für Stempelgebühren war zuzusprechen für die Beschwerde in dreifacher Ausfertigung (360 S) und eine Ablichtung des angefochtenen Bescheides (60 S).

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