VwGH 96/12/0367

VwGH96/12/036717.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Ing. P in W, vertreten durch Dr. Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 25, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 6. November 1996, Zl. MA 2/231/96, betreffend Zurückweisung wegen entschiedener Sache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Berufsschuloberlehrer i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien.

Im Zuge eines Schriftwechsels mit Ladung des Beschwerdeführers zu einer ärztlichen Untersuchung erging folgende Erledigung des Stadtschulrates für Wien vom 12. November 1992 an den Beschwerdeführer:

"Sehr geehrter Herr BOL

Zu Ihrem Brief vom 3. November 1992 teilt der SSRf Wien folgendes mit:

Wie Ihnen bekannt ist, wurde das Verfahren betreffend Erstellung eines klinischen Gutachtens im Hinblick auf den vereinbarten neuerlichen Arbeitsversuch mit Beginn des Schuljahres 1992/93 unterbrochen. Die klinischen Gutachten (betreffend Nierenleiden bzw. psycholog.-neurolog. Status) konnten mangels Ihrer Bereitschaft zur Mitwirkung bisher nicht abgeschlossen werden.

Wie seitens der Direktion und des Berufsschulinspektors mitgeteilt wurde, haben Sie auch vereinbarungsgemäß den Dienst angetreten und bis 4. Oktober 1992 ordnungsgemäß versehen. Mit 5. Oktober 1992 haben Sie sich telefonisch krank gemeldet (nicht beim Vorgesetzten sondern bei der Sekretärin), Sie haben weder einen Grund noch eine voraussichtliche Dauer bekanntgegeben.

Aus diesem Grund bzw. zur allenfalls notwendigen Fortsetzung der klinischen Untersuchungen wurden Sie für den 12. Oktober 1992 zur Dienstbehörde geladen, sind dieser Ladung jedoch unentschuldigt nicht nachgekommen. Auf die Rechtsfolgen wurden Sie mit Schreiben vom 14. Oktober 1992 hingewiesen. Ihre Bezüge gelangen daher mit 1. Dezember 1992 zur Einstellung.

Mit freundlichen Grüßen"

Nachdem daraufhin die Bezüge des Beschwerdeführers für Dezember 1992 nicht angewiesen wurden, beantragte er mit Schreiben vom 11. Dezember 1992 die Auszahlung dieser bzw. bescheidmäßigen Abspruch darüber.

Da dieser Antrag vom Stadtschulrat für Wien nicht behandelt wurde, beantragte der Beschwerdeführer mit Datum

21. Dezember 1993 den Übergang der Entscheidungspflicht an die belangte Behörde.

Nach Erhebung der Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (vgl. Zl. 96/12/0180, eingestellt wegen Nachholung des versäumten Bescheides mit Beschluß vom 27. November 1996) erging der angefochtene Bescheid mit folgendem Spruch:

"I.

Dem Antrag des Herrn Ing. P vom 21. Dezember 1993 auf Übergang der Zuständigkeit gemäß § 73 Abs. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG, BGBl. Nr. 51/1991) zur Entscheidung über seinen Antrag vom 11. Dezember 1992 auf Auszahlung der ab 1. Dezember 1992 rechtswidrig eingestellten Bezüge, in eventu auf bescheidmäßige Absprache, daß er nach wie vor Anspruch auf seine vollen Bezüge habe, auf das Amt der Wiener Landesregierung als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde wird stattgegeben.

II.

Der Antrag vom 11. Dezember 1992 wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen."

Der - allein angefochtene - Spruchpunkt II. wird nach Wiedergabe des § 68 Abs. 1 AVG von der belangten Behörde wie folgt begründet:

Im Rahmen des Parteiengehörs sei dem Beschwerdeführer mit Schreiben des Stadtschulrates für Wien vom 14. Oktober 1992 angedroht worden, daß seine Dienstbezüge eingestellt würden, wenn er dem mit gleichem Schreiben erteilten Dienstauftrag, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, wie jenem vom 12. Oktober 1992 neuerlich nicht nachkomme. In seiner Stellungnahme vom 3. November 1992 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, es bestünde für die angedrohte Bezugseinstellung keine Rechtsgrundlage; er habe dazu im wesentlichen ausgeführt, daß ihm der Dienstauftrag, sich am 12. Oktober 1992 einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, nicht zugegangen sei. In der Folge habe der Stadtschulrat für Wien mit Schreiben vom 12. November 1992, welches dem Beschwerdeführer am 16. November 1992 zugestellt worden sei, bescheidmäßig die Einstellung der Bezüge ab 1. Dezember 1992 verfügt. Dies sei damit begründet worden, daß der Beschwerdeführer an der ihm aufgetragenen ärztlichen Untersuchung nicht mitgewirkt habe.

Nach Wiedergabe des § 1 DVG und Hinweis auf § 11 Abs. 1 DVG führt die belangte Behörde weiter aus, daß über Dienstrechtsangelegenheiten, abgesehen von den Fällen des § 9 DVG, mittels Bescheid abzusprechen sei. Obgleich das Schreiben des Stadtschulrates für Wien vom 12. November 1992 weder eine Bezeichnung als Bescheid noch eine Rechtsmittelbelehrung aufweise, sei doch der Begründung zu entnehmen, weshalb die Dienstbehörde rechtsgestaltend in die aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis erfließenden Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen habe.

Nach Wiedergabe des § 61 Abs. 2 AVG führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, der Beschwerdeführer habe innerhalb der im § 61 Abs. 2 AVG genannten gesetzlichen Frist gegen den Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz vom 12. November 1992 keine Berufung erhoben, sodaß Rechtskraft eingetreten sei. Statt dessen habe er mit Schreiben vom 11. Dezember 1992 an die Dienstbehörde erster Instanz die Auszahlung der ab 1. Dezember 1992 rechtswidrig eingestellten Bezüge verlangt und in eventu einen Antrag auf bescheidmäßige Absprache gestellt. Da über die antragsgegenständliche Sache, nämlich die bescheidmäßige Absprache über die Gebührlichkeit der Dienstbezüge ab 1. Dezember 1992, zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits rechtskräftig entschieden gewesen sei, sei für eine neuerliche Entscheidung über diese Sache kein Raum geblieben und der Antrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen gewesen.

Gegen den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhoben wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Beschwerdeführer hat unaufgefordert eine Replik zur Gegenschrift eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft ausschließlich den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides.

Im Beschwerdefall ist im wesentlichen allein strittig, ob der Erledigung der Dienstbehörde erster Instanz vom 12. November 1992 Bescheidcharakter zukommt oder nicht. Nur wenn es sich bei dieser Erledigung um einen Bescheid handelt, hätte der Antrag des Beschwerdeführers vom 11. Dezember 1992 von der belangten Behörde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden dürfen.

Die Voraussetzung für die Qualifikation eines Verwaltungsaktes als Bescheid ist, daß es im Willen des Organes liegt, den Akt in Ausübung der hoheitlichen Gewalt zu setzen (vgl. VfSlg. 4856/1964) und daß es diesen Willen entsprechend zum Ausdruck bringt (vgl. VfSlg. 5464/1967).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muß sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinn auch aus der Form der Erledigung, ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen udgl. können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden (beginnend mit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Slg. N. F. Nr. 9458/A).

Bei Zweifel über den Inhalt kommt auch der sonstigen Form der Erledigung entscheidende Bedeutung zu, und zwar dem Gebrauch der Höflichkeitsfloskel "Sehr geehrter Herr" oder der Verwendung "teilt Ihnen mit". Aus einer solchen Form einer Erledigung ist zu schließen, daß kein Bescheid, sondern eine nicht normative Willenserklärung vorliegt (vgl. insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1996, Zl. 96/12/0094, mit weiterer Rechtsprechung).

Vorliegendenfalls ist entscheidend, daß die hinsichtlich ihrer Bescheidqualität in Frage stehende Erledigung des Stadtschulrates für Wien vom 12. November 1992 weder als Bescheid bezeichnet noch sonst bescheidmäßig gegliedert ist und auch keine Rechtsmittelbelehrung enthält. Sie beginnt und endet jeweils mit einer im Schriftverkehr üblichen Höflichkeitsfloskel. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem seinerzeitigen Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren wird mit der Aussage einbegleitet, daß zum Brief des Beschwerdeführers mitgeteilt wird. Auch den dann folgenden Ausführungen ist in keiner Weise zwingend ein normativer Charakter beizumessen.

Vor diesem Hintergrund ist daher die Erledigung der Dienstbehörde erster Instanz vom 12. November 1992 nicht als Bescheid zu werten.

Da somit keine entschiedene Rechtssache im Sinne des § 68 Abs. 2 AVG vorliegt, weil es sich eben beim Schreiben der Dienstbehörde erster Instanz vom 12. November 1992 nicht um einen Bescheid nach § 58 AVG gehandelt hat, war der angefochtene Bescheid im Rahmen der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Schriftsatz- und Gebührenaufwand war abzuweisen, weil der Schriftsatzaufwand nur einmal zusteht und die weiteren Schriftsätze zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich waren.

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