VwGH 96/11/0363

VwGH96/11/036318.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des E in R, vertreten durch Dr. Ulf Zmölnig, Rechtsanwalt in Weiz, Schulgasse 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24. Oktober 1996, Zl. 11-39 Po 16-1996, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §73;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §73;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B vorübergehend für die Dauer von fünf Monaten, gerechnet ab der am 19. April 1996 erfolgten Zustellung des Mandatsbescheides, entzogen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides "infolge formeller und materieller Rechtswidrigkeit".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Annahme zugrunde, der Beschwerdeführer habe am 9. April 1996 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall verschuldet. Die belangte Behörde übernahm dabei vollinhaltlich die diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellungen aus dem Erstbescheid und die dazu angestellten Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung. Die Erstbehörde wiederum hatte sich ausdrücklich auf die in ihrem Straferkenntnis vom 23. Juli 1996 enthaltenen Feststellungen und Erwägungen gestützt. Mit diesem Straferkenntnis war der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 schuldig erkannt worden. In diesem Straferkenntnis hatte die Erstbehörde einen Nachtrunk von einem großen Bier und einem doppelten Whisky als erwiesen angenommen, war jedoch der in der Rechtfertigung vom 30. April 1996 enthaltenen Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe überdies kurz nach dem Unfall im Gasthaus A. "zwei Biere" getrunken, aus im einzelnen dargelegten Erwägungen nicht gefolgt. Unter Berücksichtigung des um 18,47 Uhr gemessenen Alkoholgehaltes der Atemluft von 0,75 mg/l und des als erwiesen angenommenen Nachtrunkes errechne sich nach dem Sachverständigengutachten zum Unfallszeitpunkt ein Blutalkoholgehalt von mindestens 1,1 %o.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid machte der Beschwerdeführer geltend, daß die Berufung auf ein nicht rechtskräftiges Straferkenntnis die von der Kraftfahrbehörde vorzunehmende Vorfragenbeurteilung nicht ersetzen könne. Im übrigen meinte er, es stehe fest, daß er nach dem Unfall im Gasthaus A. "zwei Biere" konsumiert habe, weshalb im Zeitpunkt des Lenkens des Fahrzeuges noch keine Alkoholisierung vorgelegen sei.

Die belangte Behörde teilte ausgehend von den Sachverhaltsfeststellungen der Erstbehörde auch deren Auffassung, daß der Beschwerdeführer für die von der Erstbehörde festgesetzte Zeit als verkehrsunzuverlässig anzusehen sei.

Bei der Erledigung des vorliegenden Beschwerdefalles ist zunächst festzuhalten, daß in Ansehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides keine die belangte Behörde bindende Bestrafung vorlag. Das oben erwähnte Straferkenntnis der Erstbehörde vom 23. Juli 1996 wurde nämlich vom Beschwerdeführer mit Berufung angefochten, welcher der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark mit Bescheid vom 6. August 1997 - unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1996, G 9/96 - deshalb stattgab, weil wegen desselben Vorfalles gegen den Beschwerdeführer beim Bezirksgericht Birkfeld ein Strafverfahren wegen des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit gemäß § 89 StGB (§ 81 Z. 2 StGB) anhängig sei, in welchem über den Beschwerdeführer wegen dieses Vergehens mit Strafverfügung vom 8. Juli 1996 eine Geldstrafe verhängt worden sei. Da die Alkoholisierung des Beschwerdeführers eine wesentliche Tatbestandsvoraussetzung für die Strafbarkeit nach § 89 StGB sei und dies schon vom Strafgericht beurteilt worden sei, sei - ungeachtet des Ausganges des gerichtlichen Strafverfahrens - eine Bestrafung im Verwaltungsstrafverfahren nicht zulässig.

Der Beschwerdeführer bemängelt, daß die belangte Behörde den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid bestätigt habe, obwohl dieser nur eine Scheinbegründung aufgewiesen habe. Im Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung sei nämlich kein ärztliches Amtssachverständigengutachten erstattet worden.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß die Erstbehörde ausdrücklich die im Straferkenntnis vom 23. Juli 1996 enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen übernommen hat, die sich u.a. auf das im Verwaltungsstrafverfahren eingeholte ärztliche Amtssachverständigengutachten stützten. Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters zur Kenntnis gebracht, wie seine Ausführungen in dem im Verwaltungsstrafverfahren erstatteten Schriftsatz vom 17. Juli 1996 zeigen. Der Beschwerdeführer wußte schon deshalb, aber auch im Hinblick auf die vollständige Wiedergabe des Amtssachverständigengutachtens im Straferkenntnis vom 23. Juli 1996, welches Gutachten die Behörde ihren Feststellungen zugrunde gelegt hat. Es ist daher überprüfbar, worauf sich die von der Erstbehörde übernommenen Feststellungen stützten.

Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers haben die Kraftfahrbehörden keine Bindung an ein noch nicht rechtskräftiges Verwaltungsstraferkenntnis angenommen, sondern die im genannten Verwaltungsstraferkenntnis getroffenen Sachverhaltsfeststellungen und die zugrunde liegenden Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung übernommen. Dies allein macht den Erstbescheid und damit den ihn bestätigenden angefochtenen Bescheid nicht rechtswidrig (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, unter E. Nr. 24 zu § 60 zitierte hg. Rechtsprechung).

Soweit der Beschwerdeführer die Ergebnisse des verwaltungsstrafbehördlichen Ermittlungsverfahrens deshalb für ungeeignet hält, weil dem ärztlichen Amtssachverständigen der behauptete Nachtrunk im Gasthaus A. kurz nach dem Unfall verschwiegen worden sei, vermag er keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen, weil die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in bezug auf den behaupteten wiederholten Nachtrunk im Rahmen der behördlichen Beweiswürdigung zu erfolgen hatte und nicht Gegenstand der Beurteilung durch den ärztlichen Amtssachverständigen war. Im Straferkenntnis vom 23. Juli 1996 wurde ausführlich begründet, warum der Behauptung betreffend den kurz nach dem Unfall erfolgten Nachtrunk im Gasthaus A. kein Glauben geschenkt wurde (siehe Seiten 9 und 10 des Verwaltungsstraferkenntnisses). Diese von den Kraftfahrbehörden übernommenen Erwägungen sind nicht als unschlüssig zu erkennen, weshalb es nicht rechtswidrig war, dem Sachverständigen die Berücksichtigung nur des als erwiesen angenommenen Nachtrunkes aufzutragen.

Mit der Behauptung, der Spruch des angefochtenen Bescheides lasse die Rechtsgrundlage nicht erkennen, vermag der Beschwerdeführer schon deshalb keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen, weil die belangte Behörde durch die Abweisung der dagegen erhobenen Berufung den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides übernommen hat und in diesem die angewendeten Gesetzesbestimmungen angeführt wurden.

Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe mit dem angefochtenen Bescheid den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt, obwohl im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die im erstinstanzlichen Bescheid festgesetzte Entziehungszeit bereits abgelaufen gewesen sei. Der Beschwerdeführer ist mit diesen Ausführungen auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die von der Berufungsbehörde im gegebenen Zusammenhang auszuübende Kontrollfunktion zu verweisen (siehe dazu u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11.237/A). Die belangte Behörde hat demnach nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie den Erstbescheid trotz Ablaufes der darin verfügten Entziehungszeit bestätigt hat.

Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde ihren Bescheid nicht auf die Vermutung gestützt, der Beschwerdeführer habe ein Einstellungs- und Verhaltenstraining absolviert, insbesondere hat sie darin nicht eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 KFG 1967 gesehen, sondern sie hat deshalb die von der Erstbehörde erstellte Prognose über die Wiedererlangung seiner Verkehrszuverlässigkeit nicht als unrichtig angesehen.

Gegen die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei für die von der Erstbehörde festgesetzte Zeit verkehrsunzuverlässig gewesen, bestehen im Hinblick auf die Verwerflichkeit von Alkoholdelikten im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen und die Kürze der zwischen der Begehung der Tat (9. April 1996) und der Wirksamkeit der Entziehungsmaßnahme (19. April 1996) verstrichenen Zeit keine Bedenken.

Aus den dargelegten Erwägungen war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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