Normen
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
EMRK Art6 Abs1;
VStG §51e;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
EMRK Art6 Abs1;
VStG §51e;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis vom 7. April 1995 verhängte die Bezirkshauptmannschaft als Behörde erster Instanz über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe in Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 120 Stunden), weil sie es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der S-GesmbH in M, es zu vertreten habe, daß die slowakische Staatsangehörige Gabriela H. in der Zeit vom 5. April 1994 bis 11. Juli 1994 von der S-GesmbH im Gasthof in M, ehemals Gasthaus H, als Serviererin mit Inkasso beschäftigt worden sei, ohne daß sie im Besitze einer von der Arbeitsmarktverwaltung ausgestellten Beschäftigungsbewilligung gewesen sei.
Die Behörde erster Instanz ging dabei auf Sachverhaltsebene davon aus, die genannte Ausländerin sei am 11. Juli 1994 arbeitend im Gasthaus H angetroffen worden, bei ihrer Vernehmung habe sie ausgesagt, sie sei seit 5. April 1994 im Gasthaus als Kellnerin beschäftigt, sie arbeite 5 Tage in der Woche, ihr Dienst beginne um 11 Uhr und ende zwischen 20 und 23 Uhr. Sie sei im Service des Gasthauses die einzige Kraft. Zudem bereite sie kleine Speisen neben ihrer Serviertätigkeit selbst zu. Ihr Chef, der Ehegatte der Beschwerdeführerin, komme morgens und abends für ca. 1/2 Stunde vorbei. Abends mache sie die Tagesabrechnung fertig. Die Gäste im Gasthaus versorge und bediene sie alleine ohne Aufsicht oder Hilfe. Sie bekomme monatlich 5.000 S Lohn. Sie wolle bis September 1994 bei der S-GesmbH arbeiten. Mangels vorhandenem Fachpersonal könne sie hier nichts lernen.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin - wie bereits in ihrer Rechtfertigung im erstinstanzlichen Verfahren - im wesentlichen vor, die Ausländerin sei am 7. Juli 1994 - wie schon in den Vorjahren - als Ferialpraktikantin im Gasthof H in M beschäftigt gewesen, um dort die von der Hotelfachschule Piestany, die sie besuche, vorgeschriebene Praxis abzuleisten. Ob bzw. wie lange sich die Ausländerin vor dem 7. Juli 1994 bereits in Österreich aufgehalten habe, sei ihr gar nicht bekannt, die wiedergegebenen Ergebnisse der Einvernahme der Ausländerin beruhten mangels Beiziehung eines Dolmetschers auf Mißverständnissen. Im Verfahren vor der Behörde erster Instanz legte die Beschwerdeführerin zur Dartuung ihrer Darstellung der Ereignisse eine Bestätigung der Hotelfachschule der Piestany vom 30. Juni 1994 und eine Kopie der Polizze einer privaten Krankenversicherung der Ausländerin bei.
Die belangte Behörde erließ, ohne eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt zu haben, den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem sie der Berufung keine Folge gab und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigte. In der Begründung dieses Bescheides befaßte sich die belangte Behörde (nach expliziter Wiedergabe des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, der dagegen erhobenen Berufung sowie der Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Niederösterreich, jedoch weniger akribischer Darstellung der Ergebnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens) mit der Rechtslage und führte dazu insbesondere aus, unter Ausbildungsverhältnissen nach § 2 Abs. 2 lit. c AuslBG seien Ausbildungsverhältnisse aller Art zu verstehen, also nicht nur Lehrverhältnisse, sondern auch Volontärtätigkeiten und Praktikantenausbildungen. Unter diese Begriffsbestimmung fielen jedoch wegen der Ausnahme des § 1 Abs. 2 lit. f AuslBG nicht Ferialpraktikanten und die Weiterbildung junger ausländischer Arbeitnehmer auf Grund bilateraler Gastarbeiterabkommen. Ferialpraktikanten, die ebenfalls vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen seien, seien allerdings nur solche Ausländer, die sich im Rahmen ihres Studiums an einer österreichischen Universität oder Hochschule der in der Studienordnung vorgesehenen praktischen Ausbildung unterzögen. Nicht dazu gehörten die sogenannten Werkstudenten, die zum Zwecke der Finanzierung ihres Studiums einer abhängigen Arbeit nachgingen. Seien diese Ausländer, so unterlägen sie dem AuslBG und bedürften daher einer Beschäftigungsbewilligung. Die Erstbehörde habe das Vorliegen einer Ferialpraxis verneint, weil die Ausländerin einerseits zum Tatzeitpunkt bereits mehr als 3 Monate im Betrieb der Beschwerdeführerin gearbeitet habe und sie auch nach ihren Aussagen alleine für die Bedienung der Gäste und für die Tagesabrechnung verantwortlich gewesen sei. Die Ausländerin habe sohin offensichtlich ihre Tätigkeit ohne fachlich ausgebildete Unterweisungsperson und auch nicht während der üblichen Sommer- oder Semesterferien ausgeübt, sie sei darüber hinaus in Österreich auch nicht zur Sozialversicherung angemeldet gewesen, wobei die diesbezüglichen Angaben der Ausländerin, welche sie anläßlich einer, mit ihr vor dem Arbeitsamt Gänserndorf am 11. Juli 1994 aufgenommenen Niederschrift gemacht habe, auch von der einvernommenen Köchin des Gasthofes bestätigt worden seien. Mit dem Berufungsvorbringen sei die Feststellung der Erstbehörde, daß keine Tätigkeit als Ferialpraktikantin vorgelegen sei, nicht zu widerlegen, zumal die Rechtsmittelwerberin nicht darzulegen vermocht habe, wer die Ausländerin im Betrieb unterwiesen bzw. weiter ausgebildet hätte. Die Beschwerdeführerin habe nur behauptet, sie wäre für diese Unterweisung selbst vorgesehen gewesen, habe aber nicht dargelegt, daß dies tatsächlich auch geschehen sei. Auch die von der Rechtsmittelwerberin geübte Kritik an der Aufnahme der Niederschrift mit der Ausländerin am 11. Juli 1994 habe sich die Berufungsbehörde nicht anschließen können, zumal seitens der Einschreiterin nicht konkret dargelegt worden sei, worin eine etwaige Unrichtigkeit oder Fehlerhaftigkeit hätte gelegen sein sollen bzw. wo sie inhaltliche Widersprüche in dieser Niederschrift erblicke. Den Vorwurf, die Ausländerin hätte nur mangelhaft deutsch gesprochen, weshalb die Aufnahme einer Niederschrift ohne Beiziehung eines Dolmetsch nicht möglich gewesen wäre, erachte die Berufungsbehörde dadurch widerlegt, daß die Ausländerin von der Rechtsmittelwerberin alleine im Gasthaus beschäftigt worden und dort als einzige Servierkraft mit den Gästen konfrontiert gewesen sei, weshalb "zwangsläufig von Kenntnissen der deutschen Sprache auszugehen" sei. Die objektive Tatseite der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Tat erscheine somit zweifelsohne als gegeben. Im übrigen vermeinte die belangte Behörde, gemäß § 51e Abs. 2 VStG habe die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben können.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde rügt die Beschwerdeführerin - wie schon in der Berufung - die Einvernahme der Ausländerin durch das Arbeitsmarktservice ohne Beiziehung eines Dolmetschers. Da im gegenständlichen Fall der Sachverhalt, den die Erstbehörde festgestellt habe, bestritten worden sei, sei die Unterlassung der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung durch die Berufungsinstanz rechtlich verfehlt gewesen. Darüber hinaus wäre bei Einhaltung der Verfahrensvorschrift des § 51e Abs. 2 VStG und Einvernahme der beantragten ausländischen Zeugin unter Beiziehung eines Dometschers die Behörde zu einem anderen Ergebnis und damit auch zu einem anderen Bescheid gekommen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 51e Abs. 1 VStG lautet:
"Wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder wenn nicht bereits aus der Aktenlage oder auf Grund ergänzender Erhebungen ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, dann ist eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden."
§ 51e Abs. 2 1. Satz VStG lautet:
"Wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, dann kann eine Verhandlung unterbleiben, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt."
Gemäß § 51e Abs. 3 VStG kann eine Verhandlung auch dann unterbleiben, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichtet haben.
Die Bestimmung des § 51e VStG entspricht der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention, daß über die Stichhältigkeit einer strafrechtlichen Anklage in einem öffentlichen Verfahren zu entscheiden ist. Im gegenständlichen Fall bestritt die Beschwerdeführerin den von der Erstbehörde festgestellten Sachverhalt hinsichtlich der zur rechtlichen Subsumtion notwendigen tatsächlichen Modalitäten der ausgeübten Beschäftigung der Ausländerin sowie des in den Straferkenntnissen inkriminierten Tatzeitraumes (5. April 1994 bis 11. Juli 1994). Ein Verzicht auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ist nicht aktenkundig. Die belangte Behörde wäre daher auf Grund des bestrittenen Sachverhaltes verpflichtet gewesen, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Da der in der Beschwerde wiederholten Darstellung der Beschwerdeführerin, die Ausländerin sei als Ferialpraktikantin bei ihr beschäftigt gewesen, und zwar lediglich in der Zeit 7. Juli bis zur Kontrolle am 11. Juli 1994, (geplant gewesen sei bis September 1994) - wie schon die vorangegangenen Jahre - und hiezu nicht nur eine Bestätigung der Hotelfachschule in Piestany und die Kopie einer Krankenversicherungspolizze der Ausländerin, sondern auch der Reisepaß derselben vorlag, woraus sich eine Aufenthaltsbewilligung vom 29. März bis 28. Juni 1994 sowie vom 11. Juli bis 30. September 1994 ergibt, kann, ohne eine Einvernahme der Ausländerin zumindest versucht zu haben, nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, die belangte Behörde hätte bei Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung in keinem Falle zu einem anderslautenden Bescheid kommen können. Der aufgezeigte Verfahrensfehler ist damit entscheidungswesentlich.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.
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