VwGH 96/07/0083

VwGH96/07/00838.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde

1) des A S und 2) der G S, beide in W und beide vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 27. Februar 1996, Zl. VI/3-B-113/8, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen die Einräumung eines Bringungsrechtes (mitbeteiligte Partei: F in G),

Normen

AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

1. den Beschluß gefaßt:

Die von der Zweitbeschwerdeführerin erhobene Beschwerde wird zurückgewiesen;

und 2. zu Recht erkannt:

Auf Grund der vom Erstbeschwerdeführer erhobenen Beschwerde wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Land Niederösterreich hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. Mai 1991 räumte die Niederösterreichische Agrarbezirksbehörde (AB) zugunsten bestimmt bezeichneter Grundstücke der mitbeteiligten Partei des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (MP) über bestimmt bezeichnete Grundstücke der Beschwerdeführer ein Bringungsrecht ein, welches sie im Spruchpunkt A des genannten Bescheides wie folgt beschrieb:

"Begünstigte Grundstücke Nr.: 947, 929/2, 944 und 946 KG X Belastete Grundstücke Nr.: 948, 967, 971 und 972 KG X

Das Bringungsrecht besteht aus dem Forstweg "W I", dessen Verlauf über die belasteten Grundstücke auf einer Situationsskizze eingezeichnet ist. Diese Situationsskizze liegt jeder Bescheidausfertigung bei und bildet einen Bescheidbestandteil.

Die Breite der Bringungsrechtstrasse ist identisch mit der jeweiligen Breite des Forstwegs "W I" im Ausmaß von durchschnittlich 5 m.

Das Bringungsrecht besteht in dem Recht, auf der Bringungsrechtstrasse zur Bewirtschaftung des begünstigten Grundstückes Personen und Sachen zu bringen."

Die MP wurde zur Zahlung eines einmaligen Geldentschädigungsbetrages in der Höhe von S 31.441,-- an die Beschwerdeführer verhalten; des weiteren wurde ausgesprochen, daß die künftigen Erhaltungskosten des Forstweges "W I", soweit sie im Bereich der Bringungsrechtstrasse anfielen, zwischen den Grundeigentümern der berechtigten und belasteten Grundstücke so aufzuteilen seien, daß der Eigentümer der berechtigten Grundstücke 45 %, die Eigentümer der belasteten Grundstücke hingegen 55 % davon zu leisten hätten (Spruchpunkt B).

Eine gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit ihrem Bescheid vom 30. Juni 1992 als unbegründet ab; die gegen diesen Berufungsbescheid von den Beschwerdeführern erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 21. Februar 1995, 92/07/0171, als unbegründet abgewiesen.

Am 18. Oktober 1995 langte bei der AB neuerlich ein Antrag der MP ein, ihr zugunsten ihrer Grundstücke Nr. 947, 929/2, 944 und 946 KG X über das Grundstück Nr. 967 KG X der Beschwerdeführer ein Bringungsrecht einzuräumen, wobei die Ausgestaltung der im bereits eingeräumten Bringungsrecht festgelegten Bringungstrasse auf den letzten fünf Metern zum Grundstück Nr. 944 der MP als Forstweg mit der Begründung begehrt wurde, daß dieses Teilstück derzeit nicht befahrbar sei.

Nachdem sich die Beschwerdeführer, mit diesem Antrag der MP und einer Stellungnahme des Amtssachverständigen für Forstwirtschaft der AB konfrontiert, daß der Entschädigungsberechnung ohnehin die Gesamtlänge des Bringungsweges zugrunde gelegt worden sei und deshalb keine weitere Entschädigung gebühre, in einem vom Erstbeschwerdeführer an die AB gerichteten Schreiben gegen den Antrag ausgesprochen hatten, faßte die AB am 4. Jänner 1996 einen Bescheid mit folgendem Spruch:

"Die (AB) räumt - ergänzend zu dem mit ihrem Bescheid vom 23. Mai 1991, BR 571/8, eingeräumten Recht - ein Bringungsrecht zugunsten der Grundstücke Nr. 947, 929/2, 944 und 946 KG X (Eigentümer: MP) und zulasten des Grundstücks Nr. 967 KG X (Eigentümer: die Beschwerdeführer) ein, das in dem Recht besteht,

  1. 1. ausgehend vom Ende des Forstwegs "W I" auf dem Grundstück Nr. 967 KG X in Richtung zum Grundstück Nr. 944 KG X eine Bringungsanlage zu errichten, indem das Gelände dort eingeebnet und befahrbar gemacht wird,
  2. 2. diese Bringungsanlage auszugestalten, zu erhalten, zu benützen und zu verwalten.

Eine Entschädigung für dieses Recht ist nicht zu leisten."

In der Begründung dieses Bescheides verwies die AB auf das bereits mit ihrem Bescheid vom 23. Mai 1991 eingeräumte Bringungsrecht, welches auf dem Forstweg "W I" zuerkannt worden sei. Bestandteil dieses Bescheides sei auch eine Situationsskizze gewesen, aus welcher sich ergebe, daß das Bringungsrecht bis zur gemeinsamen Grenze der Grundstücke Nr. 944 und 967 eingeräumt worden sei. Es sei mit diesem Bescheid den Eigentümern der belasteten Grundstücke auch eine Entschädigung zuerkannt worden. Der Bescheid sei rechtskräftig. Es könne ein Bringungsrecht auch die Berechtigung umfassen, eine Bringungsanlage zu errichten, auszugestalten, zu benützen und zu verwalten. Daß der letzte Abschnitt der eingeräumten Bringungsrechtstrasse derzeit nicht befahrbar sei, sei im ersten Verfahrensteil nicht bekannt gewesen. Um die antragsgegenständlichen Grundstücke tatsächlich erreichen zu können, habe das bereits bestehende Bringungsrecht daher entsprechend erweitert werden müssen. Bei der Berechnung der Entschädigungsleistung sei bereits die Gesamtlänge des Weges bis zur Grundstücksgrenze 944/967 zugrunde gelegt worden, weshalb für die nun verfügte Erweiterung keine zusätzliche Entschädigung gebühre.

Gegen diesen, seiner Zustellverfügung nach beiden Beschwerdeführern gegenüber erlassenen Bescheid wandte sich der Erstbeschwerdeführer an die AB mit einem bei dieser innerhalb der Berufungsfrist eingelangten Schreiben, welches als Bezug den die Erledigung genehmigenden Organwalter und die Geschäftszahl dieses Bescheides und als Betreff die MP und das Bringungsrechtsverfahren nennt und in welchem folgendes ausgeführt wird:

"Zur Rechtsgrundlage:

Im § 3 Absatz 3 des Güter u. Seilwegegesetzes heißt es, fremder Grund unter Berücksichtigung seines Verwendungszweckes in möglichst geringem Ausmaß in Anspruch genommen wird und möglichst geringe Kosten verursacht werden.

Ich habe dem Agrarsenat einen um 150 lm kürzeren Forstweg vorgeschlagen, welcher auch mit LKW befahrbar ist. Aus meiner 50jährigen Erfahrung in der Forstwirtschaft ergeben sich wesentliche Vorteile. Es können kleinere Mengen an Holz gebracht werden, das bei Schadholz sehr wichtig ist. (MP) Waldgrundstück ist zu 70 % mit einem forstlichen Fahrzeug befahrbar.

Es handelt sich in keiner Weise um ein notleidendes Grundstück,

es gibt dafür Zeugen

§ 2 Absatz 1:

Die zweckmäßige Bewirtschaftung der Grundstücke (MP) waren immer gegeben, was die bekannten Zeugen bestätigen. Im 1. Verfahrensteil war der Agrarbehörde bekannt, daß es außer dem Ochsenweg auch den von mir vorgeschlagenen Forstweg gibt (laut Plan 17.1.91 Ing. Stowasser).

Bei der Entschädigungsleistung der Grundlänge wurde der Ernteausfall von 5000 m2 nicht berücksichtigt, § 9 außerdem wurden die Erhaltungskosten für die ersten 10 J. nicht berücksichtigt. Zur Nachschotterung waren 700 m3 Schotter notwendig, die ebenfalls nicht berechnet wurden.

Von dem Bringungsweg I zu (MP) Grundstück sind es nicht 3 m, sondern 17 m = 119 m2.

Zu dem Forstweg auf (MP) Grundstück ist festzustellen: Das dieser in der Hauptwindrichtung zu meinem Forstbetrieb angelegt wird. Windbruchgefahr ist nicht auszuschließen, da der Forstweg eine übermäßige Breite benötigt, um auch Holz bei einer Seilbringung zu lagern.

Ich beantrage daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Ich beantrage den Bescheid aufzuheben"

Mit dem nunmehr angefochtenen, allein dem Erstbeschwerdeführer gegenüber ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Erstbeschwerdeführers gegen den Bescheid der AB vom 4. Jänner 1996, gestützt auf § 63 Abs. 3 AVG, als unzulässig zurück. Es ergebe sich aus dem gesamten vorliegenden Berufungsvorbringen, daß der Erstbeschwerdeführer mit seiner Berufung die Einräumung des mit rechtskräftigem Bescheid vom 23. Mai 1991 eingeräumten Bringungsrechtes bekämpfen wolle. Die Hauptpassagen seiner Berufung befaßten sich mit anderen Bringungsmöglichkeiten, mit der seiner Meinung nach grundsätzlich nicht vorhandenen Notlage der begünstigten Grundstücke und mit der seinerzeit festgesetzten Entschädigungszahlung für die Benützung der Trasse "W I". Lediglich mit der zweizeiligen Bemerkung "Von dem Bringungsweg I zu (MP) Grundstück sind es nicht 3 m sondern 17 m = 119 m2" stelle der Erstbeschwerdeführer ansatzweise einen Bezug zum angefochtenen Bescheid her. Aber auch dieser Einwand gehe ins Leere, da sich im Spruch des angefochtenen Bescheides keine konkreten Längen- oder Flächenangaben fänden. Der erstinstanzliche Bescheid spreche nur von dem Recht, eine Bringungsanlage auszugestalten, zu erhalten, zu benützen und zu verwalten, ausgehend vom Ende des Forstwegs "W I" auf dem Grundstück Nr. 967 in Richtung zum Grundstück Nr. 944. Es könne der Erstbeschwerdeführer daher mit seiner "Längen- bzw. Flächenkorrektur" keine Fehlerhaftigkeit des bekämpften Bescheides oder eine sonstige Rechtsverletzung aufzeigen, weil sich auch dieses sein Vorbringen auf keinen konkreten Inhalt des Spruchs des angefochtenen Bescheides beziehe. Alle übrigen Einwendungen bekämpften die seinerzeitige Einräumung des Bringungsrechtes im Jahre 1991 und hätten mit dem Inhalt des nunmehr angefochtenen Bescheides nichts zu tun. Ein Berufungsantrag aber, mit welchem von der Berufungsbehörde die Entscheidung ausschließlich in einer Angelegenheit begehrt werde, die nicht Gegenstand der Entscheidung der Erstbehörde gewesen sei, stelle keinen zulässigen Berufungsantrag dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde seiner inhaltlichen Rechtswidrigkeit mit der Erklärung begehren, sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht "auf gesetzesgemäße Anwendung des § 63 Abs. 3 AVG" als verletzt anzusehen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die MP hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Zweitbeschwerdeführerin fehlt zur Erhebung der Beschwerde die Berechtigung. Der verfahrensrechtliche Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde ist allein dem Erstbeschwerdeführer gegenüber ergangen und hat eine allein ihm zugerechnete Berufung zurückgewiesen. Rechte der Zweitbeschwerdeführerin konnten durch den angefochtenen Bescheid demnach denkmöglich nicht berührt werden. Die von der Zweitbeschwerdeführerin gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, was der Gerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die Bestimmung des § 63 Abs. 3 AVG im Geiste des Gesetzes nicht formalistisch ausgelegt werden, sodaß eine gesetzmäßig erhobene Berufung schon dann vorliegt, wenn sie erkennen läßt, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt, wobei weder die Unklarheit noch der Mangel der Stichhältigkeit der Begründung einer Berufung dem Fehlen einer solchen Begründung gleichgesetzt werden kann (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, E 3a und b sowie 4a und b zu § 63 Abs. 3 AVG wiedergegebene Judikatur).

Mit den Grundsätzen dieser Judikatur steht der angefochtene Bescheid nicht im Einklang. Der Rechtsmittelschriftsatz des Erstbeschwerdeführers hat den bekämpften Bescheid ausreichend deutlich bezeichnet, er enthält einen Berufungsantrag und auch die Gründe, aus denen der Erstbeschwerdeführer vermeint hat, sich gegen die mit dem Bescheid der AB vom 4. Jänner 1996 vorgenommene Erweiterung des eingeräumten Bringungsrechtes zur Wehr setzen zu können. Ob die Rechtskraft des im hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1995, 92/07/0171, geprüften Bescheides einem Erfolg der vom Erstbeschwerdeführer gegen den Bescheid der AB vom 4. Jänner 1996 erhobenen Berufung entgegenstehen muß, ist im Beschwerdefall nicht zu prüfen, weil auch eine Aussichtslosigkeit der Begründung einer Berufung dem Fehlen des in § 63 Abs. 3 AVG als Zulässigkeitsvoraussetzung statuierten begründeten Berufungsantrages nicht gleichgehalten werden kann. Daß der Erstbeschwerdeführer mit seinem Rechtsmittelschriftsatz die mit Bescheid der AB vom 4. Jänner 1996 verfügte Ergänzung des seinerzeit eingeräumten Bringungsrechtes bekämpfen wollte, läßt sich nicht bestreiten; ob seine Berufungsausführungen dem verfolgten Rechtsschutzziel tauglich dienen konnten, wird in der meritorischen Erledigung seiner Berufung zu beantworten sein. Zur Zurückweisung der erhobenen Berufung aus dem Grunde des § 63 Abs. 3 AVG bestand kein Anlaß.

Es war auf Grund der vom Erstbeschwerdeführer erhobenen Beschwerde der angefochtene Bescheid demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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