VwGH 96/06/0269

VwGH96/06/026924.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des Dipl.Ing. W in G, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 21. Oktober 1996, Zl. A 17 - C-13.658/1996 - 2, betreffend Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 lita;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit einem am 21. Februar 1996 bei der Behörde eingelangten Ansuchen beantragte der Beschwerdeführer die Bewilligung der Nutzungsänderung des bisherigen Wohnhauses in G, S-Straße 165c, in "Zeichenbüro".

Mit Schreiben vom 27. Februar 1996 wurde der Beschwerdeführer zur ergänzenden Vorlage von Unterlagen aufgefordert, diesem Auftrag ist der Beschwerdeführer nachgekommen, er hat gleichzeitig bekanntgegeben, daß die Arbeitsräume als Planungsbüro dienen. Es seien darin 8 Ingenieure mit der Konstruktion und Planung von industriellen Umweltschutzanlagen beschäftigt. Die Auftraggeber seien Industriebetriebe aus dem EU-Raum, Kundenverkehr finde keiner statt, da der Erfüllungsort bei den Kunden sei. Schall- und sonstige Immissionen entstünden dabei keine, insbesondere in der Freizeit und Nachtzeit sei das Gebäude praktisch ungenutzt.

Der Amtssachverständige des Stadtplanungsamtes stellte in seinem Gutachten vom 3. April 1996 fest, daß der Bauplatz an einem Privatweg liege, sodaß der Zufahrtsweg von der S-Straße, der auch künftig im Privateigentum liegen solle, gegeben sei. In einem weiteren Gutachten vom 28. Mai 1996 führte der Vertreter des Stadtplanungsamtes aus, für die Liegenschaft sei ursprünglich eine Baubewilligung für Wohnnutzung erteilt worden. Laut Stadtentwicklungskonzept 1990 liege das Gebiet im Grüngürtel. Nach dem Flächenwidmungsplan 1992 sei die Baulandkategorie "Reines Wohngebiet" mit einer Bebauungsdichte von 0,1 bis 0,3 festgesetzt. Die beantragte Nutzungsänderung zu einem "Zeichenbüro" in einem "Reinen Wohngebiet" sei nach Auffassung des Stadtplanungsamtes nicht zulässig. Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Graz vom 23. Juli 1996 wurde die Baubewilligung hinsichtlich der beantragten Nutzungsänderung des bestehenden bewilligten Einfamilienwohnhauses in ein Zeichenbüro versagt. Zur Begründung wurde ausgeführt, es handle sich dabei um eine raumordnungswidrige, unzulässige Nutzung. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, im "Reinen Wohngebiet" sei die Errichtung eines Bürohauses nicht zulässig. Bürohäuser, die vom Raumordnungsgesetzgeber gemäß § 23 Abs. 5 lit. c ROG nicht einmal unter der einem "Reinen Wohngebiet" benachbarten Nutzungskategorie des "Allgemeinen Wohngebietes", sondern ausdrücklich dem Kern-, Büro- oder Geschäftsgebiet zugeordnet seien, müßten unter Beachtung der normativen Voraussetzungen, wonach sich die Nutzung auf die Befriedigung täglicher Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes zu beschränken habe, im "Reinen Wohngebiet" unzulässig seien. Mangels Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner komme es daher entgegen dem Berufungsvorbringen auf Widerspruchsfreiheit zum Gebietscharakter im Hinblick auf verwendungszweckbedingte Immissionen nicht mehr an.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beanragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 5 lit. a ROG 1974 in der Fassung LGBl. Nr. 41/1991 sind im Bauland entsprechend den örtlichen Erfordernissen Baugebiete festzulegen. Als Baugebiete kommen hiebei in Betracht:

a) reine Wohngebiete, das sind Flächen, die ausschließlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Nutzungen, die zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes dienen (Kindergärten, Schulen, Kirchen u.dgl.) oder die dem Gebietscharakter nicht widersprechen, zulässig sind.

Daß von der gegenständlichen beantragten Änderung des Verwendungszweckes des Wohnhauses in einem baulich unveränderten Gebäude, in dem Zeichen-, Planungs- und Konstruktionsarbeiten durchgeführt werden sollen, Immissionen ausgingen, wurde in dem von der Behörde vorgelegten Verwaltungsakt nicht festgestellt. Den Ausführungen in der Gegenschrift, wonach eine im Ansuchen vom 21. Februar 1996 erwähnte Abstellfläche für 8 PKW ersichtlich mache, daß mit einer wohnfremden Nutzung im gegenständlichen Ausmaß naturgemäß auch entsprechende betriebstypische Immissionen verbunden seien, ist entgegenzuhalten, daß das im Akt einliegende Bauansuchen nicht auf die Bewilligung von 8 PKW-Abstellplätzen gerichtet ist, vielmehr verweist der Beschwerdeführer auf eine ihm zugestellte baubehördliche Vorschreibung einer befestigten Abstellfläche. Inwiefern eine derartige baubehördliche Vorschreibung tatsächlich erfolgt sein sollte, ist hier nicht entscheidungswesentlich, da - wie bereits ausgeführt - das gegenständliche Bauansuchen nicht auf die Bewilligung von PKW-Abstellplätzen gerichtet ist, sondern lediglich auf die Bewilligung der Nutzungsänderung.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das beantragte Bauvorhaben weder für eine Wohnnutzung noch für eine Nutzung bestimmt ist, die zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes dient. Allerdings hat der Landesgesetzgeber gemäß § 23 Abs. 5 lit. a ROG in der Wortfolge "oder die dem Gebietscharakter nicht widersprechen" noch eine weitere Nutzung als zulässig eingeräumt. Diese Nutzung ist daher auch dann zulässig, wenn es sich nicht um Wohnbauten handelt und wenn es sich um keine Nutzung handelt, die zur Deckung des täglichen Bedürfnisses der Bewohner des Gebietes dient. Dadurch, daß der Gesetzgeber diese Wortfolge in den Gesetzeswortlaut aufgenommen hat, ist davon auszugehen, daß er eben eine weitere Nutzung in diesem Gebiet für zulässig erachtete. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid ist aber bei der gemäß § 23 Abs. 5 lit. a letzter Halbsatz erforderlichen Überprüfung nicht von vorneherein zu prüfen, ob sich das Vorhaben in das Gebiet "einfügt", sondern eben ob es dem Gebietscharakter nicht widerspricht. Dies ist auch keine Divergenz zu den hg. Erkenntnissen vom 28. November 1991, Slg. Nr. 13536/A, und vom 7. November 1996, Zl. 95/06/0256, weil in diesen der Verwaltungsgerichtshof Sachverhalte zu beurteilen hatte, bei denen die in Aussicht genommene Nutzung (Erweiterung eines Heurigenlokales) nicht von vorneherein als mit dem Gebietscharakter schlechthin vereinbar qualifiziert werden konnte, sodaß ergänzend auf die bereits konkret vorhandenen (konsentierten) Nutzungen abgestellt wurde. Die genannten Erkenntnisse sind aber nicht dahingehend zu verstehen, daß bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Vorhabens unter dem Gesichtspunkt des dritten Tatbestandes des § 23 Abs. 5 lit. a ROG es JEDENFALLS darauf ankäme, daß schon vergleichbare Betriebe im betreffenden Gebiet existieren. Inwiefern durch die Nutzung eines bisher als Einfamilienhaus bewilligten Gebäudes als Planungs- und Zeichenbüro ein Widerspruch zum Gebietscharakter gegeben ist, läßt sich aufgrund des derzeitigen Ermittlungsergebnisses nicht feststellen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren für die Vergebührung einer nicht erforderlichen Ausfertigung der Beschwerde war abzuweisen.

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