VwGH 96/06/0200

VwGH96/06/020026.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des Paul N und der Christl N in L, Bundesrepublik Deutschland, beide vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 9. Juli 1996, Zl. Ve1/550-2231/2-1, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien:

1. XY Gesellschaft m.b.H in Wien, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, 2. Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister),zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
BauRallg;
ROG Tir 1994 §109 Abs1;
ROG Tir 1994 §109 Abs3;
ROG Tir 1994 §40 Abs2;
ROG Tir 1994 §43;
AVG §37;
BauRallg;
ROG Tir 1994 §109 Abs1;
ROG Tir 1994 §109 Abs3;
ROG Tir 1994 §40 Abs2;
ROG Tir 1994 §43;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.465,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- je zur Hälfte binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Antrag vom 12. November 1993 (eingelangt am 22. November 1993) beantragte die erstmitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Bauwerberin) die baubehördliche Bewilligung für einen "Umbau" einer bestehenden Tankstelle. Hiezu soll die auf dem Grundstück Nr. 1011/2 (in der Folge kurz: Gstk. 2) bestehende Tankstellenanlage abgetragen und eine neue Anlage auf diesem Grundstück sowie auf dem angrenzenden Grundstück Nr. 1016/3 (in der Folge kurz: Gstk. 3) errichtet werden. Beide Grundstücke grenzen ihrerseits an die D-Bundesstraße. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer eines Grundstückes, das gegenüber der Tankstelle jenseits dieser Bundesstraße liegt. Im Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde ist das Gstk. 2 als Sonderfläche im Bauland-Tankstelle, das Gstk. 3 als Mischgebiet gewidmet. Das neue Tankstellengebäude, das u.a. als Geschäft, Servicestelle, Waschanlage, Öllager, Büro und Aufenthaltsraum verwendet werden soll, in welchem aber auch Sanitärräume, ein Heizraum sowie verschiedene Nebenräume für Lagerzwecke vorgesehen sind, soll zum größten Teil auf dem Gstk. 3 errichtet werden, teilweise aber auch auf dem Gstk. 2. Die Zapfsäulen sind auf dem Gstk. 2 geplant. Darüber befindet sich ein Großflächendach, das teilweise auch über das Gstk. 3 ragt. Auf dem Gstk. 2 sind weiters auch Stellplätze sowie "Selbstbedienungspflegeplätze (Staubsaugerplätze)" vorgesehen.

Die Beschwerdeführer als Nachbarn erhoben nach Anberaumung der Bauverhandlung schriftlich Einwendungen gegen das Vorhaben. Sie bezogen gegen die Dimension der geplanten Tankstelle Stellung und vertraten die Auffassung, eine neue, größere Tankstelle sei für die Versorgung der Wohnbevölkerung nicht notwendig. Es sei augenscheinlich, "daß damit die optimalere Wertschöpfung beim Durchzugsverkehr erreicht werden soll". Vom Projekt seien gesundheitsgefährdende Immissionen zu erwarten (wurde näher ausgeführt). Im Zuge der Bauverhandlung (vom 16. Dezember 1993) trat die Bauwerberin dieser Beurteilung entgegen. Die Errichtung einer Tankstelle sei auch im Mischgebiet zulässig.

In der Folge erstattete der beigezogene bautechnische Sachverständige ein ergänzendes Gutachten (vom 13. Jänner 1994). Darin vertrat er u.a. die Auffassung, die Errichtung einer Tankstelle sowohl auf der als Sonderfläche gewidmeten Parzelle als auch im Mischgebiet erscheine gemäß den §§ 40 und 43 TROG 1994 zulässig, wenn gewährleistet sei, daß typischerweise von einem solchen Bauvorhaben keine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere durch Lärm, Luftverunreinigungen, Geruch oder Erschütterungen ausgehe. In diesem Fall werde es notwendig sein, Sachverständigengutachten im Hinblick auf die zu erwartende Lärmentwicklung und deren Auswirkung auf die Bevölkerung in medizinischer Hinsicht einzuholen. Eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung durch Luftverunreinigungen, Geruch oder Erschütterungen könne bei Tankstellen ausgeschlossen werden. Im übrigen dürfte eine Baubewilligung für das Vorhaben nur erteilt werden, wenn dieses auf einer Parzelle errichtet werde, also beide Grundstücke vereinigt würden.

Zu diesem Gutachten nahmen sowohl die Bauwerberin als auch die Beschwerdeführer Stellung. Letztere traten der Beurteilung des Sachverständigen, wonach eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung durch Luftverunreinigungen, Geruch oder Erschütterungen bei Tankstellen ausgeschlossen werden könne, unter Hinweis auf die Ausführungen eines Amtssachverständigen vom 13. Juli 1989 in einem näher bezeichneten Verfahren (offensichtlich handelt es sich dabei um das korrespondierende gewerberechtliche Verfahren) entgegen.

Mit Bescheid vom 20. April 1994 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die angestrebte Baubewilligung unter verschiedenen Vorschreibungen, darunter, daß der Bauwerberin aufgetragen werde, die Grundstücke Nr. 2 und 3 zu vereinen und hierüber "von einem Zivilgeometer den Nachweis vorzulegen". Dieser 53seitige Bescheid besteht im wesentlichen aus einer Wiedergabe von Vorbringen bzw. Stellungnahmen, aber auch von Gutachten im gegenständlichen Bauverfahren sowie im gewerberechtlichen Verfahren. Zur Begründung heißt es (lediglich): "Bei Einhaltung der Bestimmungen der TBO, der technischen Bauvorschriften und der obigen Vorschreibungen ist das Bauvorhaben in öffentlich-rechtlicher Hinsicht zulässig. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstellen. Aufgrund der gegebenen Sach- und Rechtslage war daher spruchgemäß zu entscheiden".

Der Bescheid enthält u.a. eine Ablichtung einer Verhandlungsschrift vom 23. Februar 1994 im gewerbebehördlichen Verfahren, die eine Stellungnahme eines gewerbetechnischen Amtssachverständigen vor allem zur voraussichtlichen Lärmbelastung durch die projektierte Anlage enthält, weiters die Ablichtung eines sichtlich darauf aufbauenden, ebenfalls im gewerberechtlichen Verfahren erstatteten amtsärztlichen Gutachtens vom 14. März 1994. Darin kam der Sachverständige zur Beurteilung, aufgrund der bestehenden Öffnungszeiten von 6.00 Uhr bis 24.00 Uhr und unter Berücksichtigung einer in den folgenden Jahren zunehmenden Frequentierung der Tankstelle durch PKWs und LKWs sei insbesondere die Lärmimmission für die Anrainer vor allem in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 24.00 Uhr im Sinne einer unzumutbaren Belästigung und Gesundheitsbeeinträchtigung anzusehen. In diesem Zeitraum würden längere Ruhepausen, die durch das Verkehrsaufkommen bedingt seien und deren energieäquivalente Dauerschallpegel ca. 25 dB betragen, durch Spitzenpegel während des Tankvorganges sowie Motorengeräusche, Türenschließen, Startvorgänge, Zischen von Druckluftbremsen, Abfahren der KFZ, lautes Sprechen, Rufen von Personen und Betrieb von Autoradios unterbrochen. Auch werde der energieäquivalente Dauerschallpegel am Sonntag von 56 dB und an durchschnittlichen Werktagen um 58 dB durch diese Spitzenpegel deutlich überschritten. Derartige Geräuschimmissionen seien durchaus im Sinne einer unzumutbaren Belästigung und einer Gesundheitsbeeinträchtigung einzustufen, weil sie bei einem gesunden, normal empfindenden Menschen, ohne Ansehung des Lebensalters, zu Pulsfrequenzsteigerungen, Blutdruckerhöhungen, "Verminderung des Einschlafens" führten und eine Weckwirkung, sowie eine verminderte Schlaftiefe hervorriefen. Ferner sei mit Nervosität, Konzentrationsmangel, Überreizung, psychischer Beeinträchtigung bis hin zu Agressivität zu rechnen. Auch sei eine Beeinflussung des vegetativen Nervensystems im Magen-Darm-Traktbereich gegeben, die zu einer verminderten Sekretion der Magen- und Darmsäfte mit den daraus resultierenden Krankheitsbeschwerden führen könne. Es wäre deshalb eine Betriebszeiteneinschränkung in der Zeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr aus diesen Gründen zu fordern. Durch die Beleuchtung in den Abendstunden sei aufgrund der vorliegenden Unterlagen keine Blendwirkung zu erwarten. Jedoch sei eine vermehrte Helligkeit in den Nachstunden vorhanden, was zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung führe. Bei vermehrter Helligkeit in Räumen sei auch der Einschlafvorgang deutlich gestört.

Dagegen erhoben (u.a.) die Beschwerdeführer Berufung, die mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. Juli 1994 als unbegründet abgewiesen wurde. Begründet wurde dies damit, die bestehende Gesetzeslage schließe nicht aus, daß die Bauwerberin mit ihrer Tankstelle auch Fahrzeuge "aus dem Durchzugs- und Schwerverkehr" mit Treibstoff versorge. "Aus den Beurkundungen des Bauverfahrens sei weiters zu schließen, daß durch die erteilte Baubewilligung die Belastungen der Anrainer in erträglichen Grenzen gehalten werden und bei Anhörung der fachgutachtlichen Aussagen Gesetzesverletzungen nicht stattfinden".

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung.

Mit Bescheid vom 12. September 1994 gab die belangte Behörde dieser Vorstellung Folge, behob den bekämpften Berufungsbescheid und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurück. Nach zusammengefaßter Darstellung des Verfahrensganges führte die belangte Behörde aus, daß vorliegendenfalls das Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 zur Anwendung gelange. Gemäß den Übergangsbestimmungen dieses Gesetzes (§ 109 Abs. 3 TROG 1994) gelte Mischgebiet nach § 14 Abs. 1 TROG 1984 als allgemeines Mischgebiet nach § 40 Abs. 2 TROG 1994. Nach Darstellung der diesbezüglichen Rechtslage und der Rechtstellung des Nachbarn (§ 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung) führte die belangte Behörde aus, der Nachbar besitze zwar nicht schlechthin ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes, doch sei ein solches anzunehmen, wenn die bestimmte Widmungskategorie auch einen Immissionsschutz gewährleiste.

Maßstab für die Lösung der Frage nach der Zulässigkeit eines Betriebes unter dem Blickwinkel der Flächenwidmung sei für die Baubehörde, anders als für die Gewerbebehörde, nicht ein in seinen Betriebsmitteln und Anlagen bis ins Einzelne fest umrissener Betrieb. Als Maßstab habe vielmehr eine nach Art der dort üblicherweise und nach dem jeweiligen Stand der Technik verwendeten Anlagen und Einrichtungen einschließlich der zum Schutz vor Belästigungen typisch getroffenen Maßnahmen sowie nach Art der entsprechend diesen Merkmalen herkömmlicherweise entfalteten Tätigkeit auf das Ausmaß und der Intensität der dadurch verursachten Immissionen zu beurteilende Betriebstype zu dienen. Dies schließe es von vornherein aus, durch Auflagen einen vom Typus her in einem bestimmten Gebiet unzulässigen Betrieb so gestalten zu wollen, daß er im Falle der Erfüllung der Auflagen als unter der angenommenen Immissionsgrenze liegend qualifiziert werden könnte (Hinweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Da der gegenständliche Tankstellenneubau auch im allgemeinen Mischgebiet errichtet werden solle und diese Widmungskategorie einen Immissionsschutz gewährleiste, komme den Beschwerdeführern ein subjektiv-öffentliches Recht zu, daß das gegenständliche Grundstück widmungsgemäß verwendet werde. Ob dies der Fall sei, habe die Behörde im Ermittlungsverfahren festzustellen (wurde näher ausgeführt). Den Akten sei nicht zu entnehmen, daß sich die Gemeindebehörden mit den entsprechenden medizinischen Gutachten auseinandergesetzt hätten. Darin liege aber eine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, wodurch die Beschwerdeführer in Rechten verletzt worden seien. Es sei darauf hinzuweisen, daß die für das Gewerbeverfahren maßgebende Beurteilung "für das Bauverfahren nicht heranzuziehen ist", weil die Aufgabenstellung für die Baubehörde eine andere sei. Wie bereits ausgeführt, komme es bei der Beurteilung der Widmungsgemäßheit eines Bauvorhabens, anders als im gewerbebehördlichen Verfahren, nicht auf die spezielle Anlage, sondern auf die Betriebstype an, wobei ein widmungswidriger Betrieb nicht durch Auflagen zulässig gemacht werden könne (die weiteren Ausführungen sind für das Beschwerdeverfahren nicht mehr unmittelbar relevant).

Im fortgesetzten Verfahren vor der Berufungsbehörde erstatteten die Bauwerberin und die Beschwerdeführer Stellungnahmen.

Mit Berufungsbescheid vom 30. Jänner 1995 änderte die Berufungsbehörde den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, daß die erteilte Bewilligung "unter folgenden zwei zusätzlichen Auflagen erteilt" werde, nämlich, daß der Betrieb der Tankstellenanlage sowie das Waschen und der Betrieb des Selbstbedienungs-Staubsaugers täglich (zu ergänzen: nur) von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr zulässig sei und die Tankstellendachbeleuchtung nachts von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr abzuschalten sei. Dies wurde - stark zusammengefaßt - im wesentlichen unter Hinweis auf die im gewerbebehördlichen Verfahren eingeholten Gutachten begründet. Dazu komme, daß durch den EU-Beitritt Österreich der Schwerverkehr ab 1. Jänner 1995 am Grenzzollamt Sillian-Arnbach um ca. 40 % abgenommen habe (nach dem Zusammenhang zu ergänzen: Was auch für die Inanspruchnahme der fraglichen Tankstelle von Bedeutung sei).

Dagegen erhoben sowohl die Bauwerberin als auch die Beschwerdeführer Vorstellung.

Mit Bescheid vom 4. Mai 1995 gab die belangte Behörde beiden Vorstellungen Folge, behob den bekämpften Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit abermals zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurück. Nach zusammengefaßter Darstellung des Verfahrensganges führte die belangte Behörde aus, wie bereits in ihrem Bescheid vom 12. September 1994 dargelegt, sei es unzulässig, durch Auflagen einen vom Typus her in einem bestimmten Gebiet unzulässigen Betrieb so gestalten zu wollen, daß er bei Erfüllung der Auflagen als unter der angenommenen Emissionsgrenze liegend qualifiziert werden könnte (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 1977, Slg. Nr. 9.387/A). Im Hinblick darauf, daß sich das gegenständliche Vorhaben auch in das allgemeine Mischgebiet (Gstk. Nr. 3) erstrecke, komme den Beschwerdeführern gemäß § 30 Abs. 4 TBO ein subjektiv-öffentliches Recht auf widmungsgemäße Verwendung dieses Grundstückes zu. Werde nun, wie vorliegendenfalls, der Betrieb, den Ausführungen des medizinischen Amtssachverständigen folgend, durch Vorschreibung einer nach den Bestimmungen der Raumordnung unzulässigen Auflage hinsichtlich der Beschränkung der Betriebszeit "zulässig gemacht", werde dadurch das Recht der Beschwerdeführer auf widmungsgemäße Verwendung des Grundstückes verletzt. Diesbezüglich sei auch die Bauwerberin in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt (im Recht auf Erteilung der Baubewilligung), weil die Vorschreibung der Beschränkung der Betriebszeit im Bauverfahren unzulässig sei. In der Folge befaßte sich die belangte Behörde mit weiteren Argumenten der Beschwerdeführer, die sie als unberechtigt ansah (der weiteren Beurteilung vorgreifend, handelt es sich hiebei - demnach - nicht um Gründe, die die Aufhebung tragen).

Hierauf gab die Berufungsbehörde mit Bescheid vom 20. Dezember 1995 der Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid Folge und änderte diesen Bescheid dahingehend ab, daß das Baugesuch abgewiesen werde. Begründend wurde ausgeführt, aus den eingeholten Gutachten, die den Parteien bereits bekannt sein, ergebe sich, daß bei einer Bewilligung des beantragten Vorhabens ohne einschränkende Auflagen eine Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn zu erwarten sei. In Bindung an die Rechtsansicht der belangten Behörde in der Vorstellungsentscheidung vom 4. Mai 1995 sei davon auszugehen, daß diese Gefährdung durch Auflagen, wie beispielsweise durch Einschränken der Betriebszeit, nicht ausgeschlossen werden könne. "Wegen dieses nachgewiesenen Widerspruches zum Flächenwidmungsplan war daher in Bindung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde die beantragte Baubewilligung zu versagen".

Dagegen erhob die Bauwerberin Vorstellung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung Folge, behob den bekämpften Berufungsbescheid und verwies die Sache abermals zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurück. Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges führte die belangte Behörde aus, vorliegendenfalls seien die im gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren eingeholten Gutachten der Entscheidung der Gemeindebehörden zugrundegelegt worden. Ein unter Umständen "widmungswidriger Betrieb" könne im Bauverfahren nicht durch Auflagen zulässig gemacht werden. Dabei sei das Betriebsanlagengenehmigungsverfahren vom Bauverfahren getrennt zu betrachten, was bedeute, "daß das Vorliegen von Erfordernissen nach den gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nicht von vornherein bedeutet, daß auch die Kriterien des Baubewilligungsverfahrens" vorlägen. So müsse insbesondere im Baubewilligungsverfahren, so auch vorliegendenfalls, die Übereinstimmung eines Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan zum Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung abschließend beurteilt werden. Dies könne unter Umständen dazu führen, daß die im Zuge des gewerbebehördlichen Verfahrens eingeholten Gutachten nicht ausreichten, um über die Zulässigkeit des Bauvorhabens, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob Nachbarrechte verletzt worden seien, abschließend zu entscheiden, obwohl grundsätzlich keine Bedenken dagegen bestünden, Beweisergebnisse des gewerbebehördlichen Verfahrens in einem Baubewilligungsverfahren zu verwerten. Es wäre Aufgabe der Gemeindebehörden gewesen, im Baubewiligungsverfahren zu prüfen, ob es sich vorliegendenfalls um eine bauliche Anlage handle, von der typischerweise keine Gefahr für die Gesundheit der Wohnbevölkerung ausgehe bzw. ob durch diese bauliche Anlage eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit oder eine wesentliche Belästigung von Menschen eintreten würde. Diese Beurteilung könne lediglich von der Baubehörde im Baubewilligungsverfahren vorgenommen werden. Aus diesem Blickwinkel sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben. Damit sei die Bauwerberin in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, der Sache nach wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die Bauwerberin, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt:

Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, u. v.a.).

Gemäß dem § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung gemäß LGBl. Nr. 10/1995, sind derartige subjektiv-öffentliche Rechte als Rechte definiert, die in einer Bestimmung der Tiroler Bauordnung oder auf Grund der Tiroler Bauordnung ergangenen Verordnung begründet sind, die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dienen. Danach können subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken gestützt werden.

Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt (und im übrigen auch schon mangels Bekämpfung der diesbezüglichen Vorstellungentscheidung für das weitere Verfahren bindend ausgesprochen) hat, ist Maßstab für die Lösung der Frage nach der Zulässigkeit eines Betriebes unter dem Blickwinkel der Flächenwidmung für die Baubehörde - anders als für die Gewerbebehörde - nicht ein in seinen Betriebsmitteln und Anlagen bis ins einzelne fest umrissener Betrieb, sondern die Baulichkeit IHRER TYPE NACH. Als dieser Maßstab ist vielmehr nach Art der dort üblicherweise und nach dem jeweiligen Stand der Technik verwendeten Anlagen und Einrichtungen einschließlich der zum Schutz vor Belästigungen typisch getroffenen Maßnahmen sowie nach Art der dort entsprechend diesen Merkmalen herkömmlicherweise entfalteten Tätigkeit das Ausmaß und die Intensität der dadurch verursachten Emissionen maßgebend. Zwar bestehen keine Bedenken, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens eines gewerbebehördlichen Verfahrens im Baubewilligungsverfahren berücksichtigt werden (sofern dazu ausreichend Parteiengehör gewährt wird), jedoch müssen dabei die unterschiedlichen Aufgabenstellungen für Baubehörde und Gewerbebehörde beachtet werden (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 91/06/0143, unter Hinweis auf Vorjudikatur, darunter u.a. auf das hg. Erkenntnis vom 13. September 1977, Slg. Nr. 9.387/A).

Die Beschwerdeführer ziehen dies nicht in Zweifel, bringen aber vor, die belangte Behörde habe diese Grundsätze verkannt:

Entgegen der von ihr im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung reichten die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere die vorliegenden Gutachten, aus, die hier maßgebliche Frage der Widmungsverträglichkeit des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan abschließend (im Sinne einer Verneinung dieser Frage) zu beantworten. Eine Verfahrensergänzung sei demnach nicht erforderlich, weshalb es rechtswidrig gewesen sei, den abändernden Berufungsbescheid vom 15. Jänner 1996 zwecks Durchführung einer derartigen Verfahrensergänzung aufzuheben.

Diese Auffassung ist schon deshalb unzutreffend, weil die belangte Behörde bereits mit der im ersten Rechtsgang ergangenen Vorstellungsentscheidung vom 12. September 1994 ua. bindend ausgesprochen hat, daß die im gewerbebehördlichen Verfahren eingeholten Gutachten zur Beurteilung der im Bauverfahren relevanten Aspekte unzureichend seien. Schon deshalb war eine entsprechende Verfahrensergänzung erforderlich. Die Gutachten sind, wie die belangte Behörde ausgeführt hat, nicht unverwertbar, aber ergänzungsbedürftig. Hiebei ist auch zu beachten, daß der Typus einer Tankstelle auch durch deren Betriebszeiten bestimmt ist. Bei der weiteren Beurteilung ist der Inhalt des Baugesuches maßgeblich, denn es wäre unzulässig, durch Vorschreibung von Auflagen die Zulässigkeit des Projektes herbeiführen zu wollen. Hiebei ist weiters folgendes zu beachten:

Wie dargestellt, weisen die beiden zu bebauenden Grundstücke unterschiedliche Widmungen auf (wobei die Widmungen vor dem Inkrafttreten des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 erfolgten). Das Gstk. Nr. 2 ist als Sonderfläche im Bauland-Tankstelle, das Gstk. Nr. 3 als Mischgebiet (offensichtlich gemäß § 14 Abs. 1 TROG 1984) gewidmet. Wie ebenfalls zutreffend erkannt wurde, gilt letztere Widmung gemäß § 109 Abs. 3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 (TROG 1994), LGBl. Nr. 81/1994, als allgemeines Mischgebiet nach § 40 Abs. 2 letzteren Gesetzes (das vom Verwaltungsgerichtshof ungeachtet der zwischenzeitigen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof anzuwenden ist, weil es sich hier um keinen "Anlaßfall" handelt); die Widmung Baufläche-Sonderfläche Tankstelle gilt gemäß § 109 Abs. 1 TROG 1994 als Sonderfläche gemäß § 43 leg. cit. (siehe dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. März 1996, Zl. 95/06/0134). Dem Gesetz ist aber nicht zu entnehmen, daß Tankstellen nur auf entsprechend gewidmeten Sonderflächen errichtet werden dürften, weil es an einer diesbezüglichen Anordnung mangelt (anders etwa bei den Sonderflächen gemäß § 48 oder § 49 TROG 1994). Daraus folgt weiters, daß die Errichtung einer Tankstelle im allgemeinen Mischgebiet gemäß § 40 Abs. 2 TROG 1994 nicht jedenfalls unzulässig ist; vielmehr ist zu prüfen, ob das Vorhaben - von der Betriebstype her - den im § 40 TROG 1994 umschriebenen Kriterien entspricht.

Dem Vorbringen der Bauwerberin in der Gegenschrift (wie auch schon im Verwaltungsverfahren), dabei sei zu berücksichtigen, daß sich "die Tankstelle im eigentlichen Sinn", nämlich die Tankplätze mit Zapfsäulen, das Tankstellendach und die Pflegeplätze, ausschließlich auf dem Gstk. 2 befänden, womit aufgrund der entsprechenden Flächenwidmung von einer widmungswidrigen Verwendung der Liegenschaft keine Rede sein könne, wohingegen auf dem Gstk. 3 lediglich der Verkaufsraum und die Service- und Waschhalle errichtet werden sollten, sodaß nur diesbezüglich die Übereinstimmung mit der Flächenwidmung "Mischgebiet" zu prüfen sei, ist vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles nicht zu folgen: Davon abgesehen und unabhängig davon, daß das Tankstellendach auch über das Gstk. 3 ragt, und andererseits das Gebäude vor allem, aber nicht ausschließlich auf dem Gstk. 3 errichtet ist, ist davon auszugehen, daß es sich hier um ein einheitliches, unteilbares Projekt handelt. Nach den Umständen des Falles hat dies zur Folge, daß das gesamte Vorhaben der Flächenwidmung "allgemeines Mischgebiet" gemäß § 40 Abs. 2 TROG 1994 zu entsprechen hat, wobei, wie gesagt, insbesondere auf die Betriebstype abzustellen ist. Dies gilt es im fortgesetzten Verfahren durch geeignete Beweisaufnahme zu ermitteln.

Zusammenfassend war daher die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Aufhebung des Berufungsbescheides vom 20. Dezember 1995 rechtmäßig, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da Gegenschriften gemäß § 36 Abs. 4 VwGG (nur) in zweifacher Ausfertigung zu überreichen sind, kann der Bauwerberin auch nur in diesem Umfang Ersatz an Stempelgebühren zuerkannt werden; das Mehrbegehren mußte abgewiesen werden.

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