Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Eingabe vom 18. September 1994, bei der mitbeteiligten Partei eingelangt am 22. September 1994, beantragten mehrere "Anrainer" die Feststellung der Öffentlichkeit der rund 30 m langen Verkehrsverbindung zwischen dem bestehenden Weg Grundstück Nr. N4353 der KG D, öffentliches Gut, und dem Ortschaftsweg "H-Straße". Teile dieser Verkehrsverbindung verlaufen auf dem Grundeigentum der Beschwerdeführerin.
Mit schriftlichem Antrag vom 16. Mai 1995 beantragten die in der Eingabe vom 18. September 1994 als Antragsteller aufgetretenen Personen gemäß § 73 Abs. 2 AVG den Übergang der Entscheidungspflicht an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Partei.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 1995 stellte der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Partei "über Parteiantrag vom 18. 9. 1994 bzw. 16. 5. 1995" der im Bescheid näher aufgezählten antragstellenden Liegenschaftseigentümer die "Öffentlichkeit des Weges von der Liegenschaft vlg. G in M 7 bis zu den Anwesen der Antragsteller" gemäß § 58 Abs. 1 des Kärntner Straßengesetzes 1991 in der geltenden Fassung (mit näherer örtlicher Umschreibung) fest. Im gegenständlichen Fall sei vom Bürgermeister innerhalb der angegebenen Frist keine Entscheidung getroffen worden, weshalb der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Partei im Hinblick auf den Devolutionsantrag der antragstellenden Liegenschaftseigentümer vom 16. Mai 1995 zur Entscheidung in der Angelegenheit berufen gewesen sei.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Februar 1996 wurde der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben.
In der dagegen erhobenen Vorstellung trug die Beschwerdeführerin vor, der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei sei mit Nichtigkeit behaftet, weil der Bürgermeister der mitbeteiligten Partei sowohl bei der Entscheidung erster als auch zweiter Instanz mitgewirkt habe. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei sei daher nicht richtig zusammengesetzt gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid ihrem gesamten Vorbringen zufolge in dem Recht auf Abstandnahme von der Feststellung der Öffentlichkeit ihr gehöriger Grundstücksanteile verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Kärntner Straßengesetzes 1991, LGBl. Nr. 72, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 70/1995, gilt dieses Gesetz für alle öffentlichen Straßen mit Ausnahme der Bundesstraßen.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b leg. cit. sind öffentliche Straßen im Sinne des § 1 Abs. 1 alle dem Verkehr von Menschen und Fahrzeugen gewidmeten Grundflächen, die in langjähriger Übung seit mindestens 30 Jahren allgemein ohne Einschränkung auf einen bestimmten Kreis von Benützungsberechtigten und unabhängig von einer ausdrücklichen Bewilligung des über die Straßengrundfläche Verfügungsberechtigten zum Verkehr benützt werden, wenn sie einem allgemeinen dringenden Verkehrsbedürfnis dienen (stillschweigende Widmung).
Gemäß § 58 Abs. 1 leg. cit. entscheidet über die Feststellung der Öffentlichkeit der im § 2 Abs. 1 lit. b angeführten Straßen der Bürgermeister. Der Entscheidung hat eine mündliche, mit einem Augenschein verbundene Verhandlung vorauszugehen. Über den Antrag eines Beteiligten auf Feststellung der Öffentlichkeit einer Straße hat der Bürgermeister ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden und den Bescheid über die Öffentlichkeit der Straße längstens binnen sechs Monaten nach Einlangen des Antrages beim Gemeindeamte zu erlassen.
Ein Antrag auf Feststellung der Öffentlichkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b Kärntner Straßengesetz 1991 begründet kein rechtliches Interesse und sohin keine Parteistellung im Verfahren eines bloß am Gemeingebrauch interessierten Antragstellers, und zwar auch dann nicht, wenn über sein Begehren ein Verfahren eingeleitet worden ist. Der Gesetzgeber hat bewußt der Behörde die Möglichkeit eingeräumt, schon aufgrund des Begehrens eines bloß Beteiligten ein Feststellungsverfahren durchzuführen, ohne daß diesem Beteiligten aus diesem Grunde Parteistellung zukommt (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom 23. Jänner 1996, Zl. 96/05/0011, mwN).
Gemäß § 57 Abs. 1 Kärntner Straßengesetz 1991 sind die der Gemeinde nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - solche des eigenen Wirkungsbereiches.
Gemäß § 94 Abs. 1 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1993, LGBl. für Kärnten Nr. 77, entscheidet über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeindevorstand endgültig. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle übt dieser - soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist - auch die in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse aus.
Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb der - auch im gegenständlichen Verfahren - maßgeblichen Frist von sechs Monaten zugestellt, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf schriftlichen Antrag einer Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über.
Der im § 73 Abs. 2 AVG vorgesehene Kompetenzübergang auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde erfordert jedoch einen Antrag einer Partei des Verfahrens im Sinne des § 8 AVG (siehe hiezu den Klammerausdruck im § 73 Abs. 1 AVG). Wie oben ausgeführt, kommt den bloß am Gemeingebrauch im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b Kärntner Straßengesetz 1991 interessierten Antragstellern eine solche Parteistellung nicht zu. Daß den im hier zu beurteilenden Devolutionsantrag vom 16. Mai 1995 als Antragsteller aufscheinenden Personen eine andere Stellung als den am Gemeingebrauch Interessierten zukäme, wurde weder behauptet, noch ist solches aus dem Akteninhalt ersichtlich. Mangels Parteistellung in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren konnte deren Antrag einen Übergang der Entscheidungspflicht auf den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Partei nicht bewirken. Demnach hat entgegen § 58 Abs. 1 Kärntner Straßengesetz 1991 über die Feststellung der Öffentlichkeit der im § 2 Abs. 1 lit. b leg. cit. angeführten Straßen eine unzuständige Behörde entschieden.
Diese Rechtswidrigkeit konnte jedoch der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei deshalb nicht aufgreifen, weil der Gemeindevorstand gemäß § 94 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1993 nicht nur über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches endgültig entscheidet, sondern auch - da im vorliegenden Fall gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die oberbehördlichen Befugnisse, insbesondere solche im Rahmen des Kompetenzüberganges nach § 73 Abs. 2 AVG ausübt. Aufgrund der bestehenden Gesetzeslage kommt daher der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde nicht als Berufungsbehörde in Betracht. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde war sohin keinesfalls zur Sachentscheidung im gegenständlichen Beschwerdefall befugt, weshalb die belangte Behörde aus folgenden Gründen den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat:
Gemäß § 95 Abs. 1 der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung 1993 kann, wer durch einen Bescheid eines Gemeindeorganes in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides dagegen Vorstellung an die Landesregierung erheben.
Gemäß Abs. 4 dieser Gesetzesstelle hat die Landesregierung den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt wurden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückzuverweisen.
Die belangte Behörde hätte die Frage der Zuständigkeit des Gemeinderates zur materiell-rechtlichen Erledigung der Berufung der Beschwerdeführerin daher jedenfalls prüfen müssen. Die Vorstellungsbehörde ist nämlich bei der Prüfung der Frage, ob durch den gemeindebehördlichen Bescheid Rechte des Vorstellungswerbers verletzt werden, nicht an die von diesem geltend gemachten Gründe gebunden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1971, Slg. Nr. 7.963/A). Gemäß Art. 119a Abs. 5 B-VG im Zusammenhang mit § 95 Abs. 1 der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung 1993 hat die Vorstellungsbehörde den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden. Eine solche Rechtsverletzung liegt vor, wenn die Gemeinde durch den Inhalt des Bescheides in ein - allenfalls auch nicht geltend gemachtes - subjektives Recht des Vorstellungswerbers eingegriffen hat. Dies ist im vorliegenden Fall durch die Entscheidung des insoweit unzuständigen Gemeinderates gegeben. Der Bescheid ist aufzuheben, wenn das Gemeindeorgan unzuständig war (vgl. hiezu Walter-Mayer, a.a.O., Rz 563 f, Seite 245 f).
Da die belangte Behörde dies nicht erkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nichterforderlichen Stempelgebührenaufwand.
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