Normen
AVG §37;
IPRG §4;
Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985 Art1 §1 Abs1;
StbG 1949 §3 Abs1;
StbG 1985 §57;
VwRallg;
AVG §37;
IPRG §4;
Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985 Art1 §1 Abs1;
StbG 1949 §3 Abs1;
StbG 1985 §57;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde am 26. Mai 1963 in Wien als eheliches Kind einer österreichischen Staatsbürgerin geboren. Sein Vater war im Jahre 1961 aus Polen nach Österreich geflüchtet und im selben Jahr als Konventionsflüchtling anerkannt worden. Die österreichische Staatsbürgerschaft wurde dem Vater des Beschwerdeführers erst mit Wirksamkeit vom 20. November 1984 verliehen.
Mit Bescheid vom 14. März 1996 hat die Wiener Landesregierung aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers vom 28. November 1994 auf Feststellung seiner österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) festgestellt, daß der Beschwerdeführer weder kraft Abstammung im Sinne des § 3 Abs. 1 zweiter Satz des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 (StbG 1949), BGBl. Nr. 276, noch auf andere Art die österreichische Staatsbürgerschaft erworben habe und somit nicht österreichischer Staatsbürger sei.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus:
Im Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers sei dessen Vater polnischer Staatsbürger gewesen. Dies ergebe sich insbesondere daraus, daß der Vater des Beschwerdeführers im Zuge des am 24. Juni 1975 eingeleiteten Verfahrens zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft selbst ausgeführt habe, die polnische Staatsbürgerschaft seit Geburt zu besitzen und nicht verloren zu haben. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer das Vorbringen, sein Vater sei im Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers staatenlos gewesen, nicht durch Urkunden dargetan, sondern dazu lediglich die zeugenschaftliche Vernehmung seines Vaters - welche von der belangten Behörde nicht durchgeführt wurde - beantragt. Aufgrund der polnischen Staatsangehörigkeit seines Vaters habe der Beschwerdeführer mit der Geburt gemäß Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes über die polnische Staatsangehörigkeit vom 15. Februar 1962 die polnische Staatsangehörigkeit erworben. Für einen Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 57 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 bleibe daher kein Raum.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 des im Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers in Geltung gestandenen Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949, BGBl. Nr. 276, erwerben nicht eigenberechtigte eheliche Kinder die Staatsbürgerschaft nach dem Vater. Ist der Vater staatenlos, so erwirbt das Kind die Staatsbürgerschaft, wenn die Mutter die Staatsbürgerschaft besitzt.
Nach § 7 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 250, erwirbt ein eheliches Kind mit der Geburt die Staatsbürgerschaft, wenn sein Vater in diesem Zeitpunkt Staatsbürger ist oder die Staatsbürgerschaft im Zeitpunkt seines vor der Geburt des Kindes erfolgten Ablebens besessen hat. Nach dem Abs. 2 dieser Bestimmung erwirbt das eheliche Kind, dessen Mutter im Zeitpunkt seiner Geburt Staatsbürgerin ist, mit seiner Geburt die Staatsbürgerschaft, wenn der Vater Fremder ist oder es im Zeitpunkt seines vor der Geburt des Kindes erfolgten Ablebens war, wenn das Kind sonst staatenlos wäre.
Nach § 57 leg. cit erwirbt ein minderjähriger Fremder mit dem Inkraftreten dieses Bundesgesetzes (am 1. Juli 1966) die Staatsbürgerschaft, wenn er seit seiner Geburt staatenlos ist und seine eheliche Mutter zumindest seit diesem Zeitpunkt ununterbrochen die Staatsbürgerschaft besitzt.
Gemäß Art. I § 1 Abs. 1 der Anlage 2 zum Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311, erwerben vor dem 1. September 1983 geborene eheliche und legitimierte Kinder unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 die Staatsbürgerschaft durch die Erklärung, der Republik als treue Staatsbürger angehören zu wollen, wenn
- 1. sie ledig sind und am 1. September 1983 das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
- 2. sie nie Staatsbürger waren oder die mit der Geburt erworbene Staatsbürgerschaft durch Legitimation verloren habe und
- 3. die Mutter Staatsbürger ist und die Staatsbürgerschaft auch am Tag der Geburt des Kindes besessen hat.
Der Beschwerdeführer hätte gemäß § 3 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1949 im Zeitpunkt seiner Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft nach seiner Mutter nur erworben, wenn sein Vater in diesem Zeitpunkt staatenlos gewesen wäre.
Hätte der Vater des Beschwerdeführers in diesem Zeitpunkt hingegen die polnische Staatsbürgerschaft besessen, so hätte der Beschwerdeführer aufgrund der österreichischen Staatsbürgerschaft seiner Mutter gemäß § 57 Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 die österreichische Staatsbürgerschaft nur dann am 1. Juli 1966 erworben, wenn er seit seiner Geburt staatenlos gewesen wäre. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er nicht bei der Geburt (bzw. danach bis zum 1. Juli 1966) nach seinem Vater die polnische Staatsbürgerschaft erworben hätte. Die Festlegung, wer als Angehöriger eines bestimmten Staates zu gelten hat, ist ausschließlich Angelegenheit dieses Staates selbst (Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft, Band I, S. 102, mwH). Die Frage, ob der Beschwerdeführer - für den Fall, daß sein Vater im Zeitpunkt seiner Geburt polnischer Staatsbürger war - mit der Geburt die polnische Staatsbürgerschaft erworben hat, ist daher nach polnischem Recht zu beurteilen. Da der Grundsatz "jura novit curia" auf fremdes Recht nicht anzuwenden ist, ist dieses in einem - amtswegigen (§ 4 IPR-G) - Ermittlungsverfahren festzustellen (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz. 316). Nach dem Art. 6 Abs. 1 des - von der belangten Behörde amtswegig ermittelten - Gesetzes über die polnische Staatsangehörigkeit vom 15. Februar 1962 (abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Lose-Blatt-Ausgabe, Band IX, Abschnitt "Polen", S. 6 ff) erwirbt ein Kind von Eltern, von denen einer polnischer Staatsangehöriger ist, während der andere Angehöriger eines anderen Staates ist, durch Geburt die polnische Staatsangehörigkeit. Jedoch können Eltern durch übereinstimmend abzugebende Erklärung vor der zuständigen Behörde innerhalb von drei Monaten ab dem Tag der Geburt des Kindes für dieses die Staatsangehörigkeit des fremden Staates, dem der andere Elternteil angehört, wählen, sofern das Kind nach dem Recht dieses Staates dessen Staatsangehörigkeit erwirbt.
Nach dieser Bestimmung hätte der Beschwerdeführer für den Fall, daß sein Vater bei seiner Geburt die polnische Staatsbürgerschaft besessen hätte, in diesem Zeitpunkt die polnische Staatsangehörigkeit erworben. Die Abgabe einer Erklärung gemäß dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle wäre schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil der Beschwerdeführer nach dem damals in Österreich geltenden Staatsbürgerschaftsgesetz 1949 die österreichische Staatsbürgerschaft nach seiner Mutter nicht erworben hätte.
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, wonach der Beschwerdeführer nach der dargestellten Rechtslage in Polen mit der Geburt die polnische Staatsangehörigkeit nach seinem Vater erworben habe, Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer hat zur hier maßgeblichen Frage des Inhalts des polnischen Rechts jedoch kein Vorbringen erstattet. Da der Verwaltungsgerichtshof - außer zur Klärung der Prozeßvoraussetzungen und der Relevanz von Verfahrensmängeln (vgl. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 135, und Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 52, Anm. 2 zu § 41 VwGG) - kein eigenes Ermittlungsverfahren und somit auch keine amtswegige Ermittlung fremden Rechts durchzuführen hat, ist das Beschwerdevorbringen, wonach der Beschwerdeführer nach - nicht näher konkretisiertem - polnischem Recht die polnische Staatsangehörigkeit nach seinem Vater nur dann mit der Geburt erworben hätte, wenn der Vater einen entsprechenden Antrag gestellt hätte, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtlich.
Der Beschwerdeführer wäre somit nur dann österreichischer Staatsbürger, wenn sein Vater im Zeitpunkt seiner Geburt staatenlos gewesen wäre.
Ein Staatsbürgerschaftserwerb durch Erklärung gemäß Art. I § 1 Abs. 1 der Anlage 2 zum Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 kam für den Beschwerdeführer schon deshalb nicht in Betracht, weil er am 1. September 1983 das 19. Lebensjahr bereits vollendet hatte.
Der Beschwerdeführer, der in seinem verfahrenseinleitenden Antrag noch angegeben hatte, sein Vater sei bei seiner Geburt polnischer Staatsbürger gewesen, hat in seiner Stellungnahme vom 11. März 1996 vorgebracht, sein Vater sei im Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers bereits aus dem polnischen Staatsverband entlassen worden. Zum Beweis dafür hat er sich auf die Vernehmung seines mit Namen und Adresse genannten Vaters berufen.
Die belangte Behörde hat ohne Durchführung dieser Beweisaufnahme festgestellt, daß der Vater des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers polnischer Staatsangehöriger gewesen sei. Sie hat sich dabei auf die - dem Beschwerdeführer vorgehaltene und von diesem im Verwaltungsverfahren nicht bestrittene - Tatsache gestützt, daß der Vater des Beschwerdeführers nach dem 24. Juni 1975 gegenüber der Wiener Landesregierung erklärt habe, die polnische Staatsangehörigkeit zu besitzen und nicht verloren zu haben. Zum Beweisantrag des Beschwerdeführers führte sie aus, daß der Beschwerdeführer seine Ansicht über die Staatsangehörigkeit seines Vaters nicht durch Urkunden erhärtet habe.
Ob ein bestimmtes Beweismittel auch subjektiv tauglich, d. h. geeignet ist, den Wahrheitsgehalt einer konkreten, im Verfahren strittigen Tatsache darzutun, kann erst nach Aufnahme des Beweises im Rahmen der freien Beweiswürdigung beurteilt werden. Die Behörde darf daher ein objektiv taugliches Beweismittel nicht mit Gründen ablehnen, die die Beweiskraft vorwegnehmen.
Zur Verifizierung der Behauptung, daß der Vater des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers infolge Verlustes des polnischen Staatsangehörigkeit staatenlos gewesen sei, stellt zweifellos die Vernehmung des Vaters des Beschwerdeführers ein objektiv taugliches Beweismittel dar. Der Umstand, daß sich der Vater des Beschwerdeführers im Verfahren betreffen die Verleihung der Staatsbürgerschaft an ihn selbst als polnischer Staatsbürger bezeichnet hat, ändert daran nichts, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß dieser Zeuge erst nachträglich davon erfahren hat, daß ihm die polnische Staatsbürgerschaft - etwa nach Art. 15 des Gesetzes über die polnische Staatsangehörigkeit vom 15. Februar 1962, wonach einem polnischen Staatsangehörigen, der sich im Ausland aufhält, die Staatsangehörigkeit unter anderem dann entzogen werden kann, wenn er seine Treuepflicht gegenüber der Volksrepublik Polen verletzt hat (Z. 1), zum Nachteil lebenswichtiger Interessen der Volksrepublik Polen gehandelt hat (Z. 2), das Gebiet der Volksrepublik Polen nach dem 9. Mai 1945 illegal verlassen hat (Z. 3) oder sich der Erfüllung der durch das polnische Recht vorgeschriebenen Militärdienstpflicht entzieht - aberkannt worden sei. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer sein Vorbringen nicht (auch) durch Urkunden untermauert hat, ändert an der objektiven Tauglichkeit des beantragten Zeugenbeweises nichts, wäre aber im Rahmen der nach Aufnahme des Beweises durchzuführenden Würdigung von Bedeutung. Die belangte Behörde hätte daher erst nach Durchführung des beantragten Zeugenbeweises beurteilen dürfen, ob dieses Beweismittel zur Feststellung der Staatenlosigkeit des Vaters des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers geeignet ist. Da somit die im vorliegenden Fall entscheidungswesentliche Feststellung der belangten Behörde, daß der Vater des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers polnischer Staatsbürger war, auf einer vorweggenommenen Beweiswürdigung beruht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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