VwGH 96/01/0455

VwGH96/01/045511.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Fadil Muhadri in Baden, geboren am 25. Dezember 1973, vertreten durch Dr. Gernot Gruböck, Rechtsanwalt in Baden, Beethovengasse 4-6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Dezember 1995, Zl. 4.329.840/18-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "früheren SFRJ", der am 2. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 22. Jänner 1992, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft.

Nach der mit hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1995, Zl. 94/01/0600, infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94 ausgesprochenen Aufhebung ihres über diese Berufung ergangenen Bescheides vom 12. Oktober 1993 wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 11. Dezember 1995 die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG neuerlich ab.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 13. März 1996, B 326/96, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat diese gleichzeitig dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigebrachten Beschwerdeergänzung macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner Ersteinvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 30. Dezember 1991 angegeben, er gehöre der albanischen Minderheit im Kosovo an, die in Jugoslawien rechtlos und besonders von den Serben schon immer unterdrückt worden sei. Da ein Bürgerkrieg ausgebrochen sei, habe er gewußt, daß er auf Grund seines Alters hätte zum Militär müssen. Er sei daher, noch bevor er einen Einberufungsbefehl erhalten habe, mit Willen seiner Eltern nach Österreich ausgereist.

In seiner Berufung machte der Beschwerdeführer über seine erstinstanzlichen Angaben hinaus geltend, es sei am 10. August 1991 versucht worden, ihm einen Einberufungsbefehl zuzustellen. Er sei aber nicht zu Hause gewesen und habe sich, als er davon von seinem Vater erfahren habe, mit dessen Zustimmung zur Flucht entschlossen. Als Angehöriger der von den Serben unterdrückten Minderheit sei es für ihn unvorstellbar, für deren Interessen zu kämpfen. Er lehne aus innerster Überzeugung den Militärdienst und das Töten von Menschen ab; dies umsomehr als er beim Militär unter Befehlsgewalt stehe und nicht seiner Gewissensentscheidung folgen könne.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren lediglich auf eine allgemeine Unterdrückungssituation der albanischen Minderheit im Kosovo hingewiesen, ohne konkret gegen ihn selbst gerichtete Verfolgungshandlungen anzuführen. Die belangte Behörde ist insoweit daher zu Recht in Übereinstimmung mit der hg. Rechtsprechung (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1992, Zl. 92/01/0140) davon ausgegangen, daß die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe allein die Anerkennung als Konventionsflüchtling nicht zu rechtfertigen vermöge.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers im wesentlichen damit begründet, daß die Einberufung zum Militärdienst bzw. die Verweigerung, diesen abzuleisten, aber auch die Furcht vor einer aus diesen Gründen drohenden Strafe nicht als asylbegründende Tatsachen angesehen werden könnten. Im Zusammenhang damit stellte die belangte Behörde die Praxis der jugoslawischen Militärbehörden bei der Einberufung dar und verwies darauf, daß weder bei der Einberufung noch bei der Strafverfolgung an ethnischen Kriterien anknüpfende Unterscheidungen getroffen würden.

Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - sei es durch Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls, sei es durch Desertion - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling rechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof geht allerdings von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen erfolgt, in denen damit gerechnet werden müßte, daß ein Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Gruppierungen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde, oder in denen davon auszugehen ist, daß dem Asylwerber aus diesen Gründen eine - im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen - härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A). Wohl hat der Beschwerdeführer ähnlich wie in dem Fall, der dem angeführten Erkenntnis des verstärkten Senates zugrunde lag, die Verweigerung des Militärdienstes damit begründet, er wolle nicht als Angehöriger der von den Serben unterdrückten albanischen Minderheit mit diesen gegen andere jugoslawische Volksgruppen kämpfen. Anders als in diesem angeführten Fall wurde aber dem Beschwerdeführer ein Einberufungsbefehl noch gar nicht zugestellt und hatten sich - wie dies die belangte Behörde zum Ausdruck gebracht hat - in dem für die Beurteilung des Beschwerdefalles maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Truppen der "ehemaligen SFRJ" aus Bosnien-Herzegowina bereits (seit Mitte 1992) zurückgezogen, sodaß der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr einen Fronteinsatz, in dessen Verlauf er gegen andere Volksgruppen hätte kämpfen müssen, nicht zu befürchten hätte. Daß er wegen seiner Volkszugehörigkeit Verfolgung während der Ableistung des Militärdienstes oder deswegen eine härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung befürchten müsse, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht. Soweit er in der Beschwerde in diesem Zusammenhang allgemein die Höhe der Strafdrohung für Desertion als Grund für Furcht vor Verfolgung ins Treffen führt, ist ihm entgegenzuhalten, daß er damit keinerlei asylrechtlich relevanten Gründe geltend macht. Hinsichtlich einer an ethnischen Kriterien anknüpfenden unterschiedlicher Behandlung während des Militärdienstes bringt er in der Beschwerde lediglich vor, daß derartige Ungleichbehandlungen nur durch "unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt von willkürlich handelnden (Militär)behörden" realisiert würden. Daß der Beschwerdeführer auf Grund von ihm etwa zur Kenntnis gelangten Erlebnissen anderer Militärdienstpflichtiger mit einer solche Behandlung habe rechnen müssen, hat er weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren und auch sonst ein für die Entscheidung wesentlicher Mangel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen ist bzw. vom Beschwerdeführer insoweit in seiner Berufung auch nicht geltend gemacht wurde, liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Die belangte Behörde war daher nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.

Wenn der Beschwerdeführer in weiterer Ausführung der Verfahrensrüge vorbringt, die belangte Behörde habe die ihr obliegende Manuduktionspflicht verletzt, so ist ihm entgegenzuhalten, daß aus § 13 a AVG eine Verpflichtung der Behörden, einen Asylwerber, der - wie der Beschwerdeführer - nur Angaben macht, denen im Ergebnis kein Hinweis auf eine asylrechtlich relevante Verfolgung zu entnehmen ist, anzuleiten, wie er seine Angaben konkret gestalten sollte, nicht abgeleitet werden kann (vgl. abermals das o.a. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0800-0803). Die belangte Behörde war daher - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - auch nicht verpflichtet, ihm vorzuhalten, daß eine Intervention serbischer Truppen im Kosovo nicht nachweisbar sei. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, daß entgegen den Beschwerdeausführungen der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht die Furcht geäußert hat, gegen eigene Landsleute eingesetzt zu werden, sondern ausdrücklich den Einsatz gegen "andere jugoslawische Volksgruppen" aus Gewissensgründen abgelehnt hat.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte