VwGH 96/01/0064

VwGH96/01/006425.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Dezember 1995, Zl. 4.344.429/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Dezember 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", der am 24. September 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 25. September 1995 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. September 1995 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 25. September 1995 angegeben, er gehöre der Volksgruppe der Albaner an, sei moslemischen Glaubens und lebe im Kosovo. Zu seinen Fluchtgründen gab er an:

"Von 1992 bis September 1995 arbeitete ich in einem Gymnasium in G. Da G eine rein albanische Bevölkerung hat, wurde die Schule nicht geschlossen. Nur in den Mischgemeinden wurden die Schulen, in denen albanisch unterrichtet wurde, geschlossen.

In den letzten vier Jahren lebte ich mit meiner Gattin und meinen beiden Kindern in einer staatlichen Wohnung in G. Am 5.9.1995 wurden wir von der Polizei aus der Wohnung verwiesen. Man zwang uns, die Wohnung zu räumen, da aus Kroatien serbische Flüchtlinge kamen. In der Gemeinde mußten insgesamt 15 albanische Familien ihre Wohnungen für serbische Flüchtlinge räumen.

Nachdem wir die Wohnung verlassen mußten wohnte ich mit meiner Familie bei meinen Eltern in D, und zwar bis zu meiner Flucht am Mittwoch Abend. Ich glaube, daß das der 20.9.1995 war.

Ich war Kassier der Zweigstelle der LDK in G seit 1993. Letztes Jahr wurde einmal meine Wohnung durch die Polizei durchsucht. Dabei wurden einige Dokumente der LDK bei mir gefunden. Man fand Bescheinigungen über Einzahlungen von Mitgliedsbeiträgen in deutschen Mark in Höhe von DM 8.800,--. Dieses Geld hatte ich jedoch nicht bei mir zu Hause. Ich wurde dann an diesem Tag - dem 28.6.1994 - verhaftet und zuerst zwei Tage lang in P und anschließend in S inhaftiert.

Sechzig Tage lang wurde ich angehalten. Ich kam bereits in P vor ein Gericht und wurde verurteilt. Man verurteilte mich, weil ich Geldbeträge für eine Regierung einhob, die von den serbischen Machthabern nicht anerkannt wird. Ich wurde eben zu sechzig Tagen Haft verurteilt.

Nach meiner Freilassung ging ich meiner Arbeit wieder nach. Nach dieser Verurteilung hatte ich keinerlei Dokumente oder Belege der LDK mehr bei mir zu Hause.

Frage: Was hat Sie nun - im September 1995 - dazu bewogen, zu flüchten?

Antwort: Die Schule in der ich tätig war wurde von den serbischen Behörden geschlossen. Am 5.9.1995 hat man uns die Wohnung weggenommen und man beschlagnahmte außerdem die Dokumente meiner Frau und meinen Reisepaß.

Man hatte mir außerdem gedroht, daß mir etwas passieren würde, weil ich Albaner bin. Es passieren täglich Morde und Mißhandlungen im Kosovo.

Ich hatte keine Arbeit mehr und hatte außerdem Angst, daß ich getötet werde.

Die Serben versuchen, alle Aktivitäten von Albanern zu unterbinden. Aus diesem Grund hatte ich Angst, getötet zu werden.

Angst hatte ich auch schon die Jahre zuvor, doch nun wurden mir alle Möglichkeiten verschlossen, indem man mir meine Wohnung wegnahm und ich auch keine Arbeit mehr hatte."

Die Behörde erster Instanz wies den Antrag des Beschwerdeführers ab und begründete nach Ausführungen über die allgemeine Lage im Kosovo den Beschwerdeführer individuell betreffend, daß der Verlust seines Arbeitsplatzes nicht als Verfolgung im Sinn des Asylgesetzes 1991 gewertet werden könne, da das Recht auf Arbeit kein geschütztes Rechtsgut im Sinn des Asylgesetzes sei. Die Schließung von albanischen Schulen sei ein Vorgang, wie er im gesamten Kosovo durchgeführt werde. Es sei nicht feststellbar, daß durch dieses behördliche Handeln beabsichtigt gewesen wäre, dem Beschwerdeführer die Existenzgrundlage zu entziehen. Im gegenständlichen Fall scheine die geforderte Intensität der behördlichen Verfolgung nicht gegeben zu sein, um eine Gewährung von Asyl zu rechtfertigen. Die Verurteilung im Juni 1994 liege lange zurück und sei zum Zeitpunkt der Ausreise nicht beachtlich. Darüber hinaus habe er danach wieder in den staatlichen Schulen unterrichten und in einer vom Staat zur Verfügung gestellten Wohnung wohnen können. Daher könne die Verurteilung keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 darstellen.

Die dagegen erhobene Berufung lautete:

"Bei meinem Ansuchen um Asyl erklärte ich, daß ich in meinem Heimatland politisch und polizeilich verfolgt werde. Darum kam ich am 24.9.1995 mit meiner Frau und meinen 2 Töchtern nach Österreich.

Falls sie noch schriftliche Beweise über meine Verfolgung benötigen, wäre es für mich möglich, diese durch meine Verwandten aus meiner Heimat zu erhalten."

Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie erhob die Wiedergabe der bei der niederschriftlichen Vernehmung vom Beschwerdeführer getätigten Aussagen im Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. September 1995 zum Inhalt des gegenständlichen angefochtenen Bescheides. Es treffe im konkreten Fall keine der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens zu, weshalb davon Abstand genommen werde und auf das über das erstinstanzliche Vorbringen hinausgehende Berufungsvorbringen nicht näher einzugehen sei. Das Bundesasylamt habe in der Begründung des Bescheides vom 29. September 1995 die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefaßt. Die belangte Behörde schließe sich diesen Ausführungen vollinhaltlich an und erhebe sie zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Da der Beschwerdeführer weder in der Berufung noch in der Beschwerde Mängel des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens rügt noch sonstige Umstände vorbringt, die gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eine Ergänzung bzw. Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz erforderten, ist die Rechtsansicht der belangten Behörde, sie habe gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 von den Ergebnissen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens auszugehen, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Der belangten Behörde ist zuzustimmen, daß die im Asylverfahren glaubhaft zu machende Gefahr einer Verfolgung aus einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründe bis zur Ausreise andauern muß und Vorgänge, die bereits längere Zeit zurückliegen, in der Regel keine ausreichende Asylrelevanz mehr aufweisen; solche Umstände können bloß zur Abrundung des Gesamtbildes bei Prüfung der Frage einer nach wie vor gegebenen begründeten Furcht vor Verfolgung herangezogen werden bzw. werden dann asylrelevant, wenn zwischen der längere Zeit zurückliegenden Verfolgungshandlung und der nunmehrigen Verfolgungshandlung ein inhaltlicher Zusammenhang besteht. Der Beschwerdeführer hat die Verurteilung des Jahres 1994 aufgrund politischer Tätigkeit (Kassier für die LDK) verbüßt. Der Beschwerdeführer ging danach seiner Tätigkeit an einer staatlichen Schule wieder nach und wohnte in einer staatlichen Wohnung. Er gab an, daß die Schule, in der er tätig gewesen sei, von den serbischen Behörden im September 1995 geschlossen worden sei. Aus der Wohnung sei er verwiesen worden, da aus Kroatien serbische Flüchtlinge gekommen seien, in der Gemeinde hätten insgesamt 15 albanische Familien ihre Wohnungen für serbische Flüchtlinge räumen müssen. Damit zeigt der Beschwerdeführer keinen Zusammenhang der Repressionen im September 1995 mit der aufgrund seiner politischen Tätigkeit erfolgten Verurteilung anläßlich seiner Inhaftierung 28. Juni 1994 auf. Da der Beschwerdeführer auch andere aufgrund seiner politischen Tätigkeit ihm nunmehr drohende Verfolgungshandlungen nicht vorgebracht hat (auch unter Einbeziehung seiner Angaben, er habe - wie schon die Jahre zuvor - Furcht gehabt, daß die von nicht näher bezeichneten Personen geäußerten Drohungen, ihm würde etwas passieren, weil er Albaner sei, wahrgemacht würden, und habe deshalb Angst, er könne getötet werden), kann die Ansicht der belangten Behörde, der Verurteilung des Beschwerdeführers im Juni 1994 mangle es am zeitlichen Konnex zur Flucht, sohin nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Den Angaben des Beschwerdeführers zum Verlust des Arbeitsplatzes wegen Schließung der Schule und Verlust der staatlichen Wohnung läßt sich nicht entnehmen, daß ihm durch den Verlust seines Arbeitsplatzes und seiner Wohnung jegliche Lebensgrundlage entzogen worden wäre (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 1994,

Zlen. 93/01/0982, 0997). Zum Verlust der staatlichen Wohnung hat der Beschwerdeführer nicht angegeben, daß die von ihm (und seiner Familie) zwischendurch in Anspruch genommene Wohnmöglichkeit bei seinen Eltern in D nicht weiter zur Verfügung gestanden wäre.

Auch die schon länger andauernde Furcht des Beschwerdeführers vor der allgemein behaupteten, nicht näher konkretisierten Drohung, ihm würde etwas passieren, weil er Albaner sei, kann eine drohende Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht darlegen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides (Annahme des Ausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991) sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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