VwGH 95/21/1161

VwGH95/21/11615.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ungersböck, über die Beschwerde des SB (geboren am 24. Oktober 1968), vertreten durch

Mag. Wolfgang Krempl, Rechtsanwalt in St. Pölten, Kremsergasse 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 14. Juli 1995, Zl. Fr 2343/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen eine Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 14. Juli 1995 gerichtet, mit welchem eine gegen einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten gegen den Beschwerdeführer verfügte Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes (FrG) erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen wurde.

Der angefochtene Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Berufung des Beschwerdeführers wie folgt begründet worden sei:

"Gegen den Bescheid vom 12.5.95, wonach ich das Bundesgebiet verlassen solle, lege ich Berufung ein.

Ich habe unter obiger Adresse Aufnahme gefunden und bin da auch seit 17.5.95 gemeldet.

Ich bin liberianischer Staatsangehöriger. Ich bin von dort weg nach Sierra Leone geflohen. Vor zwei Monaten ist auch dort Bürgerkrieg ausgebrochen und ich mußte fliehen.

Weiters teile ich mit, daß ich auch gegen die Abweisung meines Asylantrages in erster Instanz Berufung eingebracht habe."

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG habe die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richte und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Letztere Voraussetzung erfülle die Berufung des Beschwerdeführer nicht. Dieser Mangel sei nicht gemäß § 13 Abs. 3 AVG verbesserbar, deshalb sei die Berufung zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil sein Berufungsvorbringen zwar teilweise deckungsgleich mit jenem im Verfahren vor der Behörde erster Instanz sei, dies jedoch nicht schade, weil es durchaus der Logik entspreche, wenn ein eingeschlagenes Vorbringen aufrechterhalten werde. Die in der Berufung enthaltenen Hinweise, daß er an einer bestimmten Adresse Aufnahme gefunden habe, sowie daß er auch im Asylverfahren den Rechtsmittelweg bestritten habe, stellten im Berufungsverfahren durchaus zulässige Neuerungen dar. Zwar könne dahingestellt bleiben, ob dieses Vorbringen inhaltlich geeignet gewesen wäre, eine für den Beschwerdeführer günstige Sacherledigung herbeizuführen. Die Berufungsbehörde hätte jedoch zu diesen Ausführungen inhaltlich Stellung nehmen müssen, weil Begehren und Begründung der Berufung durchaus erkennbar seien.

Die Beschwerde ist berechtigt. § 63 Abs. 3 AVG verlangt eine Darstellung der Partei, ob und aus welchen Gründen sie den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des von der Behörde angenommenen Sachverhaltes oder hinsichtlich der Beurteilung der Rechtsfrage bekämpft (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 9. Juli 1985, Zl. 85/07/0089, und vom 20. Februar 1987, Zl. 85/17/0096). Zwar ist bei der Beurteilung der für ein zur meritorischen Behandlung geeignetes Rechtsmittel im Gesetz aufgestellten Voraussetzungen eine streng formalistische Auslegung nicht vorzunehmen. Gleichwohl muß aus der Berufung zumindest erkennbar sein, aus welchen - wenn auch vielleicht nicht stichhältigen - Gründen der angefochtene Bescheid bekämpft wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1990, Zl. 88/18/0361). Im vorliegenden Fall führte der Beschwerdeführer gegen seine Ausweisung doch eine Reihe von sachverhaltsmäßigen Umständen ins Treffen, mit denen er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubte. Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift meint, diesem Vorbringen sei nicht zu entnehmen, worin die Unrichtigkeit des bekämpften Bescheides gelegen sein solle, so kann dies nichts daran ändern, daß der Berufung doch eine Begründung zu entnehmen ist, weil ersichtlich ist, womit der Beschwerdeführer seinen Standpunkt vertreten zu können glaubte. Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift aber meint, der Berufung des Beschwerdeführers habe auch ein Berufungsbegehren gefehlt, ist dies nicht berechtigt. Aus der Formulierung der Berufung ist nämlich auch mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Flucht aus Liberia und Sierra Leone, sowie im Hinblick auf seine Aufnahme unter einer bestimmten Adresse und sein noch nicht abgeschlossenes Asylverfahren in Österreich verbleiben und somit nicht ausgewiesen werden wolle.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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