VwGH 95/18/0977

VwGH95/18/09776.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. März 1995, Zl. SD 1142/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §15 Abs3;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §15 Abs3;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. März 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei erstmalig im August 1976 in das Bundesgebiet eingereist und habe bis zum Mai 1985 Sichtvermerke erhalten. Im Oktober 1985 sei er in sein Heimatland zurückgekehrt, um seinen kranken Vater zu pflegen. Seine neuerliche Einreise nach Österreich sei im September 1990 erfolgt. Auch in weiterer Folge habe der Beschwerdeführer Sichtvermerke, zuletzt bis zum 10. Juni 1992, erhalten. Danach habe er Österreich neuerlich verlassen und erst wieder am 28. Juni 1993 einen Sichtvermerksantrag gestellt. In diesem Zusammenhang habe der Beschwerdeführer anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 4. August 1993 vor der Erstbehörde angegeben, er wäre im Jahre 1993 mit einem von der österreichischen Botschaft Belgrad ausgestellten Sichtvermerk nach Österreich eingereist, hätte aber den Reisepaß, in dem sich dieser Sichtvermerk befunden habe, verloren.

Erhebungen durch die Erstbehörde hätten ergeben, daß dem Beschwerdeführer von der österreichischen Botschaft Belgrad im Jahr 1993 kein Sichtvermerk ausgestellt worden sei. Demnach habe der Beschwerdeführer gegenüber einer österreichischen Behörde bzw. ihren Organen unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse gemacht, um sich die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und Abs. 3 FrG zu verschaffen, sodaß die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gegeben seien. Dieses Fehlverhalten des Beschwerdeführers, das auch in der Berufung unbestritten bleibe, sowie die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiete des Fremdenwesens rechtfertigten auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden.

Aufgrund des langjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich und im Hinblick darauf, daß auch seine beiden Kinder - wenn auch nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer - hier lebten, sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dessenungeachtet sei aber die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten. Immerhin habe der Beschwerdeführer gegenüber einer österreichischen Behörde völlig bewußt falsche Angaben gemacht, um sich eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen. Hinzu komme, daß sich der Beschwerdeführer seit seiner zuletzt erfolgten Einreise im Jahr 1993 unberechtigt in Österreich aufhalte. Dieses Fehlverhalten wiege insofern "schwerer", als es sehr augenfällig zum Ausdruck bringe, daß der Beschwerdeführer keinerlei Bedenken habe, sich über die für ihn maßgebenden fremdenrechtlichen Bestimmungen hinwegzusetzen. Da aber gerade einem geordneten Fremdenwesen ein besonders hoher Stellenwert zukomme, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer zum Schutz der öffentlichen Ordnung sowie zur Verhinderung strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) als dringend geboten und somit zulässig im Grunde des § 19 FrG zu erachten.

Im Lichte dieser Beurteilungen habe aber auch die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmende Interessenabwägung zuungunsten des Beschwerdeführers ausschlagen müssen, zumal dieser geschieden sei und einer allfälligen Unterhaltspflicht gegenüber seinen beiden Kindern auch aus dem Ausland nachkommen könne. Darüber hinaus sei zu bedenken gewesen, daß sich der Beschwerdeführer in jüngster Vergangenheit immer wieder in seinem Heimatland aufgehalten habe und daher nach wie vor Bindungen zu diesem Staat aufweise. Die belangte Behörde sei jedenfalls zu der Auffassung gelangt, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 18 Abs. 1 ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt (Z. 1) die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder (Z. 2) anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach § 18 Abs. 2 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 6) gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seiner Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und 3 FrG zu verschaffen.

2.1. Der Beschwerdeführer tritt dem Vorwurf der belangten Behörde, er habe im Verwaltungsverfahren zur Erlangung eines Sichtvermerkes völlig bewußt falsche Angaben gemacht, damit entgegen, daß es sich im vorliegenden Zusammenhang um einen "einmaligen Formalfehler und eine mißverstandene Protokollierung" gehandelt habe und diesem "formale Fehler" durch "Ausreise und Einreichung eines Antrages auf Aufenthaltsbewilligung in Belgrad leicht abgeholfen werden" könne.

2.2. Dieses in keiner Weise konkretisierte Vorbringen ist nicht geeignet, die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Erstbehörde im Jahr 1993 bewußt eine falsche Aussage gemacht, zu entkräften.

Nach Ausweis des Verwaltungsaktes hat der Beschwerdeführer vor der Erstbehörde (Niederschrift vom 4. August 1993) angegeben, einen Einreisesichtvermerk von der österreichischen Botschaft Belgrad erhalten zu haben; dem Verwaltungsakt ist aber gleichfalls zu entnehmen, daß diese Botschaft einen solchen Sichtvermerk nicht erteilt hat. Für den festgestellten Sachverhalt spricht auch, daß der Sichtvermerksantrag des Beschwerdeführers aus dem Jahr 1993 die Angabe enthält, daß dieser mit einem österreichischen Sichtvermerk in einem alten Reisepaß, der verloren wurde, eingereist sei. Weiters hat der Beschwerdeführer nach Ausweis des Verwaltungsaktes in einer an die Erstbehörde gerichteten Stellungnahme vom 10. August 1994 (im Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes) angegeben, daß ihm im Jahr 1993 von der österreichischen Botschaft Belgrad wegen eines damals noch anhängigen Gerichtsverfahrens "kein Einreisesichtvermerk erteilt" worden sei. Im Hinblick darauf ist die Annahme der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer unrichtige Angaben gemacht hat, um sich die Aufenthaltsberechtigung in Österreich zu verschaffen, unbedenklich. Gleichfalls rechtlich einwandfrei unterstellte die Behörde diesen Sachverhalt dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG. Daß sie aufgrund dieser bestimmten Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. die dort umschriebene Annahme für gerechtfertigt hielt, ist angesichts der Gefährdung der öffentlichen Ordnung (konkret: eines geordneten Fremdenwesens) durch den (weiteren) Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht als rechtsirrig zu erkennen.

3.1. Die Beschwerde bekämpft weiters die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung im Lichte der §§ 19 und 20 FrG.

Das Aufenthaltsverbot stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar, "welcher in Österreich seit Jahren voll integriert und für zwei minderjährige Kinder sorgepflichtig" sei; "der persönliche Kontakt würde jedenfalls verlorengehen". Der belangten Behörde seien bei der Abwägung der "maßgeblichen Interessen des Beschwerdeführers entscheidende Ermessensfehler unterlaufen, weil die Intention des Art. 8 MRK der Schutz der demokratischen Gesellschaft und nicht die Beeinträchtigung durch einen einmaligen Formalfehler und eine mißverstandene Protokollierung" sei.

3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat im Hinblick auf die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers zutreffend einen mit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes verbundenen Eingriff in die von § 19 FrG geschützten Interessen des Beschwerdeführers angenommen. Wenn die belangte Behörde dennoch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes für dringend geboten und daher für zulässig nach § 19 FrG erachtete, kann dies nicht als rechswidrig erkannt werden. Die Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1996, Zl. 96/18/0435). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch die besagten unrichtigen Angaben im Jahr 1993 gravierend beeinträchtigt; dazu kommt, daß, worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist, der Beschwerdeführer seit seiner Einreise im Jahr 1993 über keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich verfügt. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers werden hingegen nicht unwesentlich dadurch relativiert, daß er - ohne im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung zu sein - rechtens nicht mit einer Aufrechterhaltung seiner Familiengemeinschaft in Österreich rechnen durfte. An der Unbedenklichkeit der behördlichen Beurteilung, daß die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Interesse der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten sei, ändern weder der Hinweis des Beschwerdeführers, daß er für zwei minderjährige Kinder sorgepflichtig sei, noch das Vorbringen etwas, daß infolge des Aufenthaltsverbotes der persönliche Kontakt mit seiner Familie verlorengehen würde. Zum einen kann der Beschwerdeführer Unterhaltsleistungen auch vom Ausland aus erbringen, zum anderen kann der persönliche Kontakt auch durch Besuche seiner Familie im Ausland - wenn auch eingeschränkt - aufrechterhalten werden.

Im Lichte der vorstehenden Ausführungen stößt auch die Auffassung der belangten Behörde, daß § 20 Abs. 1 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe, auf keinen Einwand. Der langjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich konnte die Interessenabwägung nach der genannten Bestimmung nicht zu seinen Gunsten ausgehen lassen, weil der im gegebenen Zusammenhang aus der maßgeblichen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers seit seiner letzten Einreise im Jahr 1993 allenfalls resultierende Integration kein so großes Gewicht zukommt, daß dies ein Überwiegen seiner privaten Interessen zur Folge hätte.

3. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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