VwGH 95/18/0435

VwGH95/18/043521.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des O in H, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Jänner 1995, Zl. 111.020/2-III/11/95, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z1;
VwGG §30 Abs3;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z1;
VwGG §30 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 18. Jänner 1995 wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers vom 1. März 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG ab.

Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im wesentlichen damit, daß gegen den Beschwerdeführer ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot (gestützt auf §§ 18 Abs. 1 Z. 1 19, 20, 21 FrG) erlassen worden sei, das am 16. September 1994 in Rechtskraft erwachsen sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG sei die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn gegen den Sichtvermerkswerber ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestehe. Das rechtskräftige Aufenthaltsverbot stelle für die belangte Behörde "nicht einmal eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG dar", sodaß eine "weitere Beurteilung" durch diese "unzulässig" sei; das rechtskräftige Aufenthaltsverbot sei daher als "bindendes Tatbestandselement" im Rahmen des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG heranzuziehen gewesen. Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers hielt die belangte Behörde fest, daß keinerlei nennenswerte private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestünden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt unbekämpft, daß das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot in Rechtskraft erwachsen sei. Daß im Beschwerdefall die Voraussetzungen für eine Wiedereinreisebewilligung nach § 23 FrG vorlägen und somit § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG nicht zum Tragen käme, wird in der Beschwerde ebenfalls nicht behauptet.

Der Beschwerdeführer führt gegen den angefochtenen Bescheid indes ins Treffen, daß er gegen dieses Aufenthaltsverbot Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben habe und dieser mit Beschluß vom 9. November 1994, Zl. AW 94/18/0463, seiner Beschwerde gemäß § 30 Abs. 2 VwGG aufschiebende Wirkung zuerkannt habe. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beziehe sich nicht nur auf die Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes, sondern verhindere auch, "daß der an sich formell rechtskräftige Bescheid Tatbestandswirkung in bezug auf das Verfahren nach dem Aufenthaltsgesetz, speziell was die Ausschlußgründe des § 5 AufG iVm § 10 FrG betrifft, erzeugt". Nicht nur die im Beschwerdeverfahren betreffend das Aufenthaltsverbot belangte Behörde sei "Adressat der Aufschiebungsverpflichtung", sondern auch alle anderen Behörden hätten den vorläufigen Nichteintritt der jeweils mit dem Bescheid verbundenen Rechtswirkungen zu beachten. Ausgehend von dieser "Wirksamkeitstheorie" dürfe keine Behörde Tatbestandswirkungen an den "aufgeschobenen Verwaltungsakt" knüpfen, "sodaß eine Aushöhlung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten, funktionsfähigen Rechtsschutzsystems der Höchstgerichtsbeschwerden ausgeschlossen ist".

2. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht.

Der Beschluß, mit dem der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen das ihn betreffende Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung zuerkannt hat, wurde den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens am 22. November 1994 zugestellt. Da die aufschiebende Wirkung ex nunc, d.h. mit Zustellung dieses Beschlusses, eintrat, war zu dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesministers für Inneres maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides - dem 19. Jänner 1995 - die Durchsetzbarkeit des über den Beschwerdeführer verhängten Aufenthaltsverbotes bereits aufgeschoben und eine Heranziehung dieses Aufenthaltsverbotes nach § 5 AufG nicht zulässig (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 5. April 1995, Zl. 95/18/0581, und vom 23. Mai 1996, Zl. 94/18/1091). Die belangte Behörde hat dadurch, daß sie dennoch die Verwirklichung des Versagungstatbestandes des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG annahm, den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet; dieser Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 270,-- (zwei Beschwerdeausfertigungen zu je S 120,--, einer Bescheidausfertigung S 30,--) zu entrichten waren.

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