VwGH 95/15/0130

VwGH95/15/013020.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des B in P, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. Juli 1995, Zl. GA 7 - 955/1/95, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §236;
BAO §236;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte mit Eingabe vom 19. Mai 1994 die Gewährung der Nachsicht für Einkommensteuer 1992 im Betrag von 667.072 S. Zur Begründung wird in der Eingabe ausgeführt, der Beschwerdeführer sei Gesellschafter der B-OHG gewesen. Aufgrund einer längerfristigen Phase wirtschaftlicher Schwierigkeiten hätten sich die Gesellschafter im Jahr 1991 dazu entschlossen, die Tätigkeit der Gesellschaft einzustellen, die Aktiva zu verwerten, um die Verbindlichkeiten der Gesellschaft abzudecken, und diese schließlich zu liquidieren. "Nach Begleichung aller Firmenschulden und privat aufgenommener Darlehen verblieben für (den Beschwerdeführer) rund S 380.000,--". Der Beschwerdeführer beziehe nunmehr eine Rente von 9.030 S. Darüber hinaus beziehe er keine Einkünfte; es sei ihm weder möglich, Ersparnisse anzulegen, noch könne er Zahlungsverpflichtungen eingehen. Das Vermögen des Beschwerdeführer bestehe aus Bargeld (380.000 S), einem Sparbuch (ca. 15.000 S) sowie zwei Einfamilienhäusern in P (W-Gasse mit einem Einheitswert von 396.000 S und F-Gasse mit einem Einheitswert von 163.000 S). Das Haus in der W-Gasse sei aufgrund des Scheidungsurteiles vom 1. April 1975 mit dem unentgeltlichen Nutzungsrecht auf Lebenszeit für seine geschiedene Gattin belastet. Das Haus in der F-Gasse bewohne der Beschwerdeführer; ein für die Sanierung dieses Hauses aufgenommener Kredit hafte noch mit ca. 429.000 S aus.

Mit Bescheid vom 12. Jänner 1995 wies das Finanzamt das Ansuchen ab. Der Abgabenrückstand bestehe aus der Einkommensteuer 1992, welche aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteiles des Beschwerdeführers resultiere. Die Steuerpflicht aufgrund der Betriebsveräußerung stelle keine sachliche Unbilligkeit dar. Ein Unternehmer müsse die entsprechenden Mittel für die Abschlußzahlung - gegebenenfalls aus dem Veräußerungserlös - bereitstellen. Nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers sei auch keine persönliche Unbilligkeit gegeben; es bestehe keine Gefährdung der Existenz des Beschwerdeführers oder seiner Familie. Daß die Veräußerung eines der Grundstücke einer Verschleuderung bestehenden Vermögens gleichkomme, sei nicht der Fall, zumal das Finanzamt nicht die Vollstreckung in dieser Form betreibe, sondern lediglich zur Sicherstellung ein Pfandrecht erwerben wolle.

Der Beschwerdeführer berief gegen diesen Bescheid. Er habe im Jahr 1992 ein Einkommen von 2,9 Mio. S erzielt, welches auf die Betriebsaufgabe der B-OHG zurückzuführen sei. Tatsächlich sei ihm nur ein Betrag von 380.000 S zugeflossen. Dies sei eine besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschriften, die der Gesetzgeber, hätte er sie vorausgesehen, vermieden hätte. Zu seinen persönlichen Verhältnissen führte der Beschwerdeführer aus, es mangle ihm an der entsprechenden Zahlungsfähigkeit. Er könne bei einer Nettopension von 9.500 S höchstens monatlich 2.000 S zur Begleichung der Finanzamtsschulden bereitstellen. Das vorhandene Bargeld von 350.000 S sei ein "Notgroschen" für den Fall etwaiger gesundheitlicher Probleme. Zum Liegenschaftsvermögen führte der Beschwerdeführer aus: Das Grundstück in der W-Gasse sei mit dem lebenslangen Nutzungsrecht für seine geschiedene Gattin belastet und könne daher nur zu Schleuderpreisen verwertet werden. Durch den Verkauf des Hauses in der F-Gasse würden der Beschwerdeführer und seine Kinder unterstandslos; das Haus sei überdies bereits über 100 Jahre alt und in entsprechend schlechtem Zustand. Im Falle einer Veräußerung müßten nicht nur die Steuerschulden, sondern auch der Sanierungskredit von 429.000 S aus dem Verkaufspreis finanziert werden und außerdem die Mittel für die Befriedigung der Wohnbedürfnisse für den Beschwerdeführer und seine Kinder verbleiben. Die B-OHG habe seit Jahren Verluste erwirtschaftet. Der Beschwerdeführer habe daher nicht entsprechende Mittel zur Entrichtung der Abschlußzahlung bereitstellen können. Diese Abschlußzahlung liege im übrigen über dem Betrag, der dem Beschwerdeführer aus dem Veräußerungserlös verblieben sei. Der Beschwerdeführer habe nicht andere Gläubiger bevorzugt; die Schulden der B-OHG seinen nämlich nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnen, ihre Begleichung stelle daher nicht eine Bevorzugung seiner Gläubiger dar. Im übrigen habe die OHG auch die Finanzamtsschulden zur Gänze berichtigt.

Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid ab. Es sei Sache des Beschwerdeführers, jene Umstände darzulegen, auf die eine Nachsicht gestützt werden könne. Anläßlich der Betriebsaufgabe bzw. -veräußerung würden die durch Jahre hindurch angesammelten stillen Reserven schlagartig aufgedeckt und besteuert. Diese Zusammenballung von Einkünften könne bei einem progressiven Einkommensteuertarif zu erheblichen Härten führen. Zur Milderung dieser Härten habe der Gesetzgeber für Veräußerungsgewinne den Freibetrag nach § 24 Abs. 4 EStG 1988 und eine Tarifermäßigung nach § 37 leg. cit. vorgesehen. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber diese Härten nicht vorhergesehen hätte. Nach Ansicht der belangten Behörde liege daher sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nicht vor. Gleiches gelte aber für die persönliche Unbilligkeit. Der Beschwerdeführer habe als monatliche Fixkosten angegeben: Rate für Kredit (5,833,33 S), Gebietskrankenkasse (448 S) und Licht und Gas (1500 S). Er besitze einen Pkw und führe in der Berufung aus, daß er monatlich 2.000 S zur Tilgung der Steuerschulden aufwenden könnte. Da diese Ausgaben (auch ohne Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten) seine laufenden Einnahmen überstiegen, gehe die belangte Behörde davon aus, daß er seine finanziellen Verhältnisse nicht zweifelsfrei offengelegt habe. Er behaupte in der Berufung, das Haus in der W-Gasse könne nicht verwertet werden, es sei denn zu Schleuderpreisen. Diesem Vorbringen halte die belangte Behörde entgegen, daß der Beschwerdeführer eine solche Behauptung nur aufstellen könnte, wenn er sich um einen Verkauf der Liegenschaft bemüht hätte und kein angemessenes Angebot erhalten hätte. Für ein solches Vorgehen habe der Beschwerdeführer aber keinen Nachweis erbracht.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgaben auf Antrag des Abgabenpflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Einhebung nach Lage des Falles kann eine persönliche oder sachliche sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1994, 91/14/0129, 93/14/0015, 93/14/0082).

Eine sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt.

In der Beschwerde wird vorgebracht, im gegenständlichen Fall sei durch die Veräußerung von Vermögensgegenständen der OHG ein steuerlicher Gewinn erzielt worden, der tatsächlich nicht zugeflossen sei; der Veräußerungserlös sei zur Abdeckung von Verbindlichkeiten der OHG herangezogen worden, sodaß er dem Gesellschafter nur mehr teilweise zur Abdeckung seiner Einkommensteuerschuld zur Verfügung gestanden sei.

Dies stellt sich als Ergebnis einer Besteuerungsregelung dar, welche nicht die jährlichen Entnahmen aus dem Betrieb (aus einer Personengesellschaft), sondern den im Rahmen des Betriebes (der Personengesellschaft) durch Betriebsvermögensvergleich ermittelten jährlichen Gewinn erfaßt, sodaß also - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht anführt - bereits die Aufdeckung stiller Reserven Steuerpflicht auslöst. Daß im Beschwerdefall darüber hinaus eine besondere Konstellation vorliege, die zu einem vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Besteuerungsergebnis führe, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan; so hat er beispielsweise nicht dargetan, wodurch allfällige Verlustvorträge, die mit dem Ansteigen der Gesellschaftsschulden in den Vorjahren zusammenhängen, aufgebraucht worden sind. Im Ergebnis ist es sohin nicht als rechtswidrig zu erkennen, daß die belangte Behörde im gegenständlichen Fall das Vorliegen sachlicher Unbilligkeit nicht angenommen hat.

Persönliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet oder die Abstattung mit solchen wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbunden wäre, die außergewöhnlich sind (vgl. die bei Ritz, BAO-Kommentar, § 236 Tz 10 angeführte hg. Rechtsprechung).

Hinsichtlich der persönlichen Unbilligkeit wird in der Beschwerde im wesentlichen ausgeführt: Der Sohn des Beschwerdeführers wohne in dessen Haus (F-Gasse), und zwar seit 1984 gemeinsam mit einer Lebensgefährtin. Der Beschwerdeführer habe seinerzeit mündlich dem Finanzamt mitgeteilt, daß der Sohn für alle das Haus betreffenden Zahlungen aufkomme, dafür aber keine Miete zu entrichten habe. Es sei daher unverständlich, wenn im angefochtenen Bescheid ausgeführt werde, der Beschwerdeführer trage die Kreditrate, die Kosten für Licht und Gas und ähnliches, und die belangte Behörde daraus ableite, der Beschwerdeführer habe seine finanzielle Situation nicht vollständig dargestellt. Die belangte Behörde habe Verfahrensvorschriften verletzt, wenn sie, ohne dem Beschwerdeführer die Möglichkeit der Stellungnahme einzuräumen, bestimmte Fixkosten als vom Beschwerdeführer getragen angenommen und daraus den Schluß der nicht ausreichenden Offenlegung gezogen hat.

Mit diesem Vorbringen mag der Beschwerdeführer eine Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde aufzeigen. Diese erweist sich jedoch deshalb als nicht wesentlich, weil die belangte Behörde auch bei der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren angegebenen wirtschaftlichen Situation im Ergebnis zu Recht die persönliche Unbilligkeit verneint hat. Sie hat zutreffend festgestellt, daß der Beschwerdeführer keinen Nachweis dafür erbracht hat, daß die Liegenschaft in der W-Gasse nur zu Schleuderpreisen verwertet werden könne. Zudem ist zu beachten: Wenn der Beschwerdeführer über Pensionseinkünfte, Barmittel von ca. 400.000 S und zwei Liegenschaften (deren Einheitswert beinahe den Betrag des Steuerrückstandes erreicht) verfügt, so kann bei dieser Sachlage - ungeachtet der derzeitigen Belastung einer Liegenschaft mit einem Nutzungsrecht und des eigenen Wohnbedürfnisses - eine persönliche Unbilligkeit in der Abgabeneinhebung nicht gesehen werden.

Der Beschwerdeführer wurde sohin durch den angefochtenen Bescheid nicht in subjektiven Rechten verletzt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

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