VwGH 94/09/0231

VwGH94/09/023112.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des H in M, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 1. Juli 1994, Zl. SchK. - OB. 410-451713-005, betreffend Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

HVG §1 Abs1;
HVG §1;
HVG §2 Abs1;
HVG §1 Abs1;
HVG §1;
HVG §2 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1960 geborene Beschwerdeführer erlitt während seines Wehrdienstes als Zeitsoldat in den Jahren 1986 bis 1989 verschiedene Gesundheitsschädigungen. Mit Bescheid vom 28. März 1990 erkannte das Landesinvalidenamt für Oberösterreich die geltend gemachten Gesundheitsschädigungen (Teilverrenkung der linken Schulter am 23. Mai 1986, doppelter Bänderriß des rechten Sprunggelenkes am 24. Februar 1987, Distorsion des rechten Sprunggelenkes am 16. März 1989 und eine Virusinfektion) gemäß den §§ 1 und 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG) nicht als Dienstbeschädigungen an. Zugleich wurde der Antrag auf Zuerkennung einer Beschädigtenrente gemäß § 21 Abs. 1 HVG abgelehnt.

Zur "Verletzung des Sprunggelenkes" wurde im erstinstanzlichen Bescheid ausgeführt, für diese Verletzung werde vom Beschwerdeführer einerseits ein Vorfall vom 24. Februar 1987 und andererseits ein Skiunfall vom 16. März 1989 verantwortlich gemacht. Aufgrund der umfangreichen Ermittlungen stehe fest, daß der Beschwerdeführer am 24. Februar 1987 um ca. 21.20 Uhr nach Dienstschluß in seiner Funktion als Zimmerkommandant einige leere Cola-Flaschen von der Unterkunft in die Kantine des Soldatenheimes habe tragen wollen. Auf dem Weg dorthin sei der Beschwerdeführer über einen erhöhten Kanaldeckel gestolpert und zu Sturz gekommen, wobei er sich eine Verletzung des rechten Sprunggelenkes und durch die Glassplitter einer zerbrochenen Flasche eine Rißquetschwunde am linken Knie zugezogen habe. Bei dem festgestellten Sachverhalt sei zweifellos ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit dem Präsenzdienst gegeben. Zu prüfen sei allerdings, ob auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der Gesundheitsschädigung bestehe. Im gegenständlichen Fall hätte das schädigende Ereignis, das Stolpern über einen erhöhten Kanaldeckel, ebenso im Zivilleben eintreten können. Auch die Entsorgung von geleerten Flaschen entspreche einer alltäglichen Verrichtung und stelle nicht ein für den Wehrdienst typisches Ereignis dar. Dabei spiele es keine Rolle, ob sich der Vorgang im Dienst oder während der dienstfreien Zeit ereignet habe. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer als Zimmerkommandant eingeteilt gewesen sei und in dieser Funktion für die Herstellung der Zimmerordnung zu sorgen gehabt habe, vermöge diese Beurteilung nicht zu entkräften, weil das schädigende Ereignis selbst nicht wehrdiensteigentümlich sei. (In der Folge wird im erstinstanzlichen Bescheid noch begründet, warum die - weitere - Schädigung des rechten Sprunggelenkes infolge eines Skiunfalles am 16. März 1989 ebenfalls keine Dienstbeschädigung darstelle.)

In der Berufung führte der Beschwerdeführer u.a. zur "Verletzung des rechten Sprunggelenkes" aus, daß diese Schädigung auf den Vorfall vom 24. Februar 1987 zurückzuführen und durch den Skiunfall vom 16. März 1989 entsprechend verstärkt worden sei. Seitens der Behörde erster Instanz werde betreffend den Vorfall vom 24. Februar 1987 zugestanden, daß ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit dem Präsenzdienst gegeben sei. Wie aus dem Akteninhalt hervorgehe, habe der Beschwerdeführer am 24. Februar 1987 um etwa 21.20 Uhr aufgrund des Befehles, die Zimmerordnung herzustellen, in seiner Funktion als Zimmerkommandant seinen Kameraden bei "dieser Aufgabe geholfen und leere Flaschen aus dem Zimmer über den Hof in die Kantine zurückgetragen. Dabei stürzte ich über einen erhöhten Kanaldeckel, was die Sprunggelenksverletzung zur Folge hatte". Eine Anerkennung dieser Schädigung als Dienstbeschädigung werde jedoch mit der Begründung versagt, daß das schädigende Ereignis selbst nicht wehrdiensteigentümlich sei. Der Beschwerdeführer könne dieser Ansicht nicht beipflichten, weil er den Weg über den Kasernenhof im Zuge einer befohlenen Dienstverrichtung unternommen habe und im Kasernenhof aufgrund eines dort befindlichen erhöhten Kanaldeckels zu Sturz gekommen sei. Zweifellos seien die Herstellung der Zimmerordnung, die im übrigen ausdrücklich angeordnet gewesen sei, und die damit verbundenen Wege Umstände, die sich aus der Dienstleistung beim Bundesheer ergäben. Es möge zwar zutreffen, daß die Entsorgung von Flaschen auch im Zivilleben "vorstellbar" sei, die Herstellung der Zimmerordnung und die damit verbundene Entsorgung von Flaschen und der in diesem Zusammenhang stattgefundene Unfall seien jedoch zweifellos auf Umstände zurückzuführen, die auf der Dienstleistung beim Bundesheer (hier: Herstellung der Zimmerordnung) beruhten. Würde man der unrichtigen Rechtsauffassung der Erstbehörde folgen, wäre "als Konsequenz praktisch jede Dienstbeschädigung nicht als solche anzuerkennen, zumal jedes im Rahmen der Dienstverrichtung eintretende schädigende Ereignis meist auch im Zivilleben eintreten könnte".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers insgesamt insofern Folge gegeben, als die Gesundheitsschädigung "Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes" (Unfall am 23. Mai 1986) zur Gänze und der "Zustand nach neuerlicher Distorsion bei Zustand nach Bänderriß im rechten Sprunggelenk und höhergradiger Arthrose" (Skiunfall am 16. März 1989) mit einem Kausalitätsanteil von 1/3 als Dienstbeschädigungen anerkannt wurden. Dem Beschwerdeführer wurde dafür eine Beschädigtenrente aufgrund einer Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v.H. zuerkannt.

Zur auch im angefochtenen Bescheid nicht erfolgten Anerkennung des doppelten Bänderrisses am rechten Sprunggelenk aufgrund des Vorfalles am 24. Februar 1987 als Dienstbeschädigung führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, diese Verletzung habe sich der Beschwerdeführer auf dem Weg von der militärischen Unterkunft zum Soldatenheim zugezogen, als er in seiner Funktion als Zimmerkommandant und damit als Verantwortlicher für die Herstellung der Zimmerordnung leere Getränkeflaschen habe zurücktragen wollen und durch einen erhöhten Kanaldeckel zu Sturz gekommen sei. Dazu vertrat die belangte Behörde nach Zitierung des § 2 Abs. 1 HVG den Standpunkt, daß nicht jede während des Präsenzdienstes entstandene Gesundheitsschädigung als solche zu werten sei, die der Wehrpflichtige "infolge des Präsenzdienstes" erlitten habe. Beim vorliegenden Sachverhalt fehle nicht nur ein für den Wehrdienst typisches Ereignis, es kämen auch nicht der Dienstleistung eigentümliche Verhältnisse als Ursache für die vom Beschwerdeführer erlittene Gesundheitsschädigung in Betracht. Ein Sturz beim Tragen leerer Flaschen infolge Stolperns über einen erhöhten Kanaldeckel sei ein Vorgang, der sich "genau so gut außerhalb der Ableistung des Präsenzdienstes hätte zutragen können". An dieser Beurteilung könne auch der Umstand nichts ändern, daß die Entsorgung der Flaschen in Erfüllung dienstlicher Aufgaben erfolgt sei.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, daß die am 24. Februar 1987 eingetretene Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne der §§ 1 und 2 HVG anerkannt und dementsprechend eine erhöhte Beschädigtenrente zuerkannt werde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 HVG ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 HVG anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.

Das HVG macht die Gewährung von Versorgungsleistungen für Gesundheitsschädigungen davon abhängig, daß das schädigende Ereignis mit dem (durch das HVG) geschützten Bereich in unmittelbarem ursächlichen Zusammenhang steht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1976, Slg. Nr. 8.972/A). Die Zurechnung eines schädigenden Ereignisses hat (auch im Bereich der Heeresversorgung) nach der sogenannten Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung zu erfolgen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1967, Slg. Nr. 7.140/A, und - zuletzt - beispielsweise vom 10. April 1997, 95/09/0133).

Es ist zwar zutreffend, daß nicht jede während des Präsenzdienstes entstandene Gesundheitsschädigung als eine solche zu werten ist, die der Wehrpflichtige bzw. nach dem HVG geschützte Personenkreis "infolge des Präsenzdienstes" erlitten hat (vgl. neuerlich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. April 1997, 95/09/0133, m.w.N.). Das von der belangten Behörde herangezogene Abgrenzungskriterium, ob sich der "Vorgang genau so gut außerhalb des Präsenzdienstes hätte zutragen können", ist allerdings jedenfalls dann nicht von wesentlicher Bedeutung, wenn sich dieser "Vorgang" konkret in Befolgung seiner Dienstpflichten ereignet (vgl. in diesem Sinne das einen Schwimmbadunfall eines Präsenzdieners betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1994, 93/09/0403, in dem auch auf die diesbezüglichen Unterschiede zu dem in der nunmehrigen Gegenschrift herangezogenen Erkenntnis vom 1. Dezember 1988, 88/09/0112 - betreffend den Sturz über eine unbeleuchtete Kellerstiege am Heimweg in die Kaserne - eingegangen wird, oder auch das den Versorgungsanspruch bejahende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1989, Slg. Nr. 13.048/A, betreffend die Verletzung eines Zeitsoldaten beim im Dienst angeordneten Rasenmähen). In diesem Fall liegen der "Dienstleistung eigentümliche Verhältnisse" nach § 2 Abs. 1 HVG vor und ist auch der unmittelbare ursächliche Zusammenhang mit dem durch das HVG geschützten Bereich gegeben.

Da dies die belangte Behörde im Beschwerdefall verkannt hat (davon, daß der Beschwerdeführer den Weg zur Flaschenentsorgung in Erfüllung seiner dienstlichen Funktion als Zimmerkommandant unternommen hat, geht auch der angefochtene Bescheid aus), war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Bei diesem Ergebnis konnte die weiters in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte insbesondere eine allfällige Beeinträchtigung des Beschwerdeführers durch eine kurz vor dem Unfall abgeschlossene militärische Übung feststellen müssen, dahingestellt bleiben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 59 Abs. 1) VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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