Normen
AlVG 1977 §27 Abs2;
AlVG 1977 §27 Abs4;
MeldeG 1972 §2 Abs1 Z2 impl;
MeldeG 1972 §2 Abs1 Z2;
MeldeG 1991 §2 Abs2 Z1;
AlVG 1977 §27 Abs2;
AlVG 1977 §27 Abs4;
MeldeG 1972 §2 Abs1 Z2 impl;
MeldeG 1972 §2 Abs1 Z2;
MeldeG 1991 §2 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der Geburt ihres zweiten Kindes am 29. Dezember 1992 beantragte die Beschwerdeführerin am 23. Februar 1993 beim Arbeitsamt Feldbach Karenzurlaubsgeld. Im Zuge dieses Verfahrens gab sie an, daß K. Vater ihrer beiden Kinder sei.
In einer auf Grund dieses vorliegenden Sachverhalts sowie auf Grund einer anonymen Anzeige (wonach der Kindesvater auch der Lebensgefährte sei) aufgenommenen Niederschrift beim Arbeitsamt am 13. Juli 1993 gab die Beschwerdeführerin ferner an, daß der Kindesvater sie an den Abenden bzw. Sonntag nachmittags besuchen würde. Dieser würde auch hin und wieder bei ihr übernachten, eine Lebensgemeinschaft mit ihm bestünde jedoch nicht.
Am 18. Februar 1994 neuerlich dazu befragt, erklärte die Beschwerdeführerin, daß der Kindesvater die Landwirtschaft seiner Eltern in L übernehmen werde und nicht beabsichtige, von dort wegzuziehen. Sie selbst habe in S das Haus ihrer Großmutter geerbt und würde von dort nicht weggehen wollen. Der Kindesvater würde, wenn es seine Tätigkeit in der Landwirtschaft und an seinem Arbeitsplatz in Feldbach zeitlich erlaube, zu ihr auf Besuch kommen. Die Leiterin dieser Amtshandlung hielt darüber hinaus im Anschluß an diese Befragung schriftlich fest, daß sich die Beschwerdeführerin einmal versprochen und gemeint habe, "sie" müßten das geerbte Haus herrichten und das koste Geld.
Mit Bescheid vom 3. März 1994 sprach das Arbeitsamt aus, daß der Beschwerdeführerin gemäß § 27 Abs. 1 iVm § 27 Abs. 4 AlVG 1977 Karenzurlaubsgeld in Höhe von S 203,40 täglich zustehe. Die Erfahrungen des Lebens zeigten, daß dann, wenn zwei Kinder vom selben Kindesvater stammten, gemeinsame Lebensinteressen vorliegen müßten, z.B. daß sich die Partner in schwierigen Lebensverhältnissen beistünden. Diese Tatsachen würden eine Lebensgemeinschaft begründen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in welcher sie im wesentlichen ausführte, es sei richtig, daß ihre beiden Kinder vom selben Kindesvater, nämlich K., stammten; es sei jedoch unrichtig, daß eine Lebensgemeinschaft begründet worden sei. Der Kindesvater bezahle zwar pünktlich die Unterhaltskosten, es bestünden aber keine gemeinsamen Lebensinteressen oder gegenseitige Unterstützungen. Sie lebe vom Kindesvater getrennt und habe keinen gemeinsamen Haushalt mit ihm.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und begründete dies im wesentlichen damit, daß die Beschwerdeführerin der Tatsache niemals widersprochen und sogar zweimal niederschriftlich angegeben habe, daß der Vater ihrer beiden Kinder wiederholt bei ihr nächtige. Daher seien nach den Erfahrungen des täglichen Lebens gemeinsame Lebensinteressen des Kindesvaters und der Kindesmutter vorauszusetzen. Wenn die Beschwerdeführerin einwende, daß sie vom Kindesvater getrennt lebe, so sei dies zu bezweifeln, zumal der Vater ihres zweiten Kindes ebenfalls Herr K. sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die im gegenständlichen Verfahren strittige Frage, ob der Beschwerdeführerin das Karenzurlaubsgeldes im Sinne des § 27 Abs. 1 AlVG oder das erhöhte Karenzurlaubsgeld als alleinstehende Mutter im Sinne des § 27 Abs. 2 AlVG zusteht, hängt davon ab, ob die Beschwerdeführerin als "alleinstehend" im Sinne des § 27 Abs. 4 AlVG anzusehen ist.
Gemäß § 27 Abs. 4 AlVG idF vor der Novelle BGBl. Nr. 297/1995 gilt als nicht alleinstehend eine Mutter, die ledig, geschieden oder verwitwet ist und mit dem Vater des Kindes nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1972, BGBl. Nr. 30/1973, an der gleichen Adresse angemeldet ist oder anzumelden wäre oder vom Vater des unehelichen Kindes für sich Unterhalt in einem Ausmaß erhält, das den Freibetrag nach § 6 Abs. 3 erster Satz der Notstandshilfeverordnung zuzüglich des Unterschiedsbetrages zwischen § 27 Abs. 1 und 2 AlVG übersteigt.
Dieser Bestimmung liegt - wie der Verwaltungsgerichtshof unter anderem in seinem Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0286 - ausgesprochen hat, die Vermutung zu Grunde, daß die dem Meldegesetz 1972 entsprechende Meldung der Mutter an derselben Adresse wie der Kindesvater nach der Lebenserfahrung einen gewissen Grad einer Hausgemeinschaft indiziert, wobei die Wirtschaftskraft eines solchen Haushaltes über jener einer gänzlich alleinstehenden Mutter steht (so auch das Erkenntnis vom 15. Oktober 1984, Zl. 84/08/0202, zur gleichlautenden Bestimmung des § 39 Abs. 2 AlVG im Zusammenhang mit der Sondernotstandshilfe).
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hängt somit davon ab, ob der Kindesvater nach den "Vorschriften des Meldegesetzes 1972" an der Adresse der Beschwerdeführerin gemeldet war bzw. anzumelden gewesen wäre.
Es kann auf sich beruhen, ob sich seit Inkrafttreten des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992 (gemäß dessen § 23 Abs. 2 das Meldegesetz 1972 gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des Meldegesetzes 1991 am 1. März 1992 außer Kraft getreten ist), die Verweisung im § 27 Abs. 4 AlVG nunmehr auf die Bestimmungen des Meldegesetzes 1991 bezieht, weil die wesentliche Voraussetzung für eine "Meldung nach den Bestimmungen des Meldegesetzes" (von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) in beiden Fällen gleich ist: Danach ist zu melden, wer in einer Wohnung oder in einem Beherbergungsbetrieb Unterkunft nimmt oder eine solche Unterkunft aufgibt (§ 1 Abs. 1 Meldegesetz 1972, § 2 Abs. 1 Meldegesetz 1991).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist der Ansatz der belangten Behörde verfehlt, den Anspruch der Beschwerdeführerin auf erhöhtes Karenzurlaubsgeld auf Grund einer zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kindesvater bestehenden "Lebensgemeinschaft" zu verneinen, weil es auf diesen Umstand nach der klaren Gesetzeslage nicht ankommt. Feststellungen in der Richtung, ob der Kindesvater an der Adresse der Beschwerdeführerin gemeldet war bzw. dort Unterkunft genommen hat, hat die belangte Behörde nicht getroffen.
Wenn im angefochtenen Bescheid lediglich festgestellt wird, daß der Kindesvater wiederholt bei der Beschwerdeführerin genächtigt habe (die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren vom "hin und wieder" gesprochen), so ist dazu zu bemerken, daß im Sinne des Erkenntnisses vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0188, bei Fehlen der Inanspruchnahme aller sonstigen Wohnfunktionen in der bloß regelmäßigen Nächtigung allein, noch keine Unterkunftnahme im Sinne der Meldevorschriften zu erblicken ist (vgl. dazu das Erkenntnis vom 30. September 1991, Zl. 91/19/0195, VwSlg. 13500/A und das Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0557, 0779). In einer regelmäßigen Übernachtung und dem gemeinsamen Verbringen der Wochenenden (dh bei einem in Arbeit stehenden Kindesvater im gemeinsamen Verbringen der Freizeit, einschließlich der Nächtigung) könnte jedoch - wenn überdies gemeinsame Kinder und keine anderweitigen Bindungen privater Natur vorhanden sind - ein starkes Indiz für das Vorliegen einer Unterkunftnahme liegen. In einem solchen Fall läge es dann bei der Beschwerdeführerin über Aufforderung der Behörde die besonderen Umstände nachvollziebar darzulegen, aus denen sich eine Entkräftung dieser Indizwirkung ergibt, widrigenfalls der Behörde nicht entgegengetreten werden könnte, wenn sie in einem solchen Fall davon ausgeht, daß eine Unterkunftnahme iS des Meldegesetzes vorliegt.
Ob ein solches Zusammenleben der Beschwerdeführerin mit dem Vater ihrer Kinder in diesem Sinne vorliegt, steht allerdings im Beschwerdefall mangels geeigneter Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde (die dazu bisher aufgrund ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung keine zweckdienliche Ermittlungen angestellt hat) nicht fest.
Die belangte Behörde hat im übrigen auch - im Sinne des zweiten Tatbestandes des § 27 Abs. 4 AlVG - nicht festgestellt, daß der Kindesvater an die Beschwerdeführerin Unterhalt in einem Ausmaß bezahlt, welches den Freibetrag nach § 6 Abs. 3 erster Satz NHV zuzüglich des Unterschiedsbetrages zwischen § 27 Abs. 1 und 2 AlVG übersteigt.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, jedoch begrenzt durch das hinter den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung zurückbleibende Kostenbegehren im Beschwerdeschriftsatz.
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