VwGH 93/10/0189

VwGH93/10/018917.3.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 10. April 1992, Zl. IVe-146/113, betreffend Versagung einer naturschutzbehördlichen Ausnahmebewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

StreuewiesenV Rheintal Walgau Vlbg 1990 §2 Abs1 litc;
StreuewiesenV Rheintal Walgau Vlbg 1990 §2 Abs3;
StreuewiesenV Rheintal Walgau Vlbg 1990 §3 Abs1;
StreuewiesenV Rheintal Walgau Vlbg 1990 §2 Abs1 litc;
StreuewiesenV Rheintal Walgau Vlbg 1990 §2 Abs3;
StreuewiesenV Rheintal Walgau Vlbg 1990 §3 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 24. Juli 1991 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 3 der Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über die Erhaltung von Streuewiesen im Rheintal und im Walgau, LGBl. Nr. 40/1990 (in der Folge: Verordnung). Er beabsichtige, seinen bisherigen landwirtschaftlichen Betrieb auf das Grundstück Nr. 1000/6 der KG X zu verlegen und die unmittelbar angrenzenden Liegenschaften 1000/1, 1002, 1003 und Teile des Grundstückes 1004, die nach der genannten Verordnung als geschützte Streuewiesen anzusehen seien, zu kultivieren und intensiv landwirtschaftlich zu nutzen. Es werde daher beantragt, die genannten Grundstücke vom Verbot des § 2 der Verordnung auszunehmen.

Die belangte Behörde holte zunächst eine Stellungnahme der Vorarlberger Naturschau ein. Diese verwies auf eine von ihr bereits im Jahre 1987 abgegebene Stellungnahme, wonach durch eine Entwässerung der genannten Parzellen die selten gewordenen Streuewiesen weiter reduziert und insbesondere der Lebensraum des Brachvogels zerstört werde. Da die genannten Parzellen der Verordnung unterlägen, bleibe das negative Gutachten vollinhaltlich aufrecht.

Der Landschaftsschutzanwalt sprach sich in einer Stellungnahme vom 2. August 1991 gegen die Erteilung einer Ausnahmebewilligung aus, da die genannten Flächen als sogenannte "Vorrangflächen" anzusehen seien. Die Erhaltung dieser Flächen sei unabdingbare Voraussetzung für das Weiterbestehen der heute nur noch in Resten existierenden Pflanzen- und Tierwelt von Feuchtwiesen.

Demgegenüber sprach sich die Landwirtschaftskammer für Vorarlberg für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung aus, da eine solche für den zu errichtenden Aussiedlerhof des Beschwerdeführers die entsprechende Existenzgrundlage darstelle.

Der Beschwerdeführer vertrat in einer Äußerung zu den bisherigen Ermittlungsergebnissen im wesentlichen die Auffassung, daß den landwirtschaftlichen Interessen im Sinne der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes der Vorrang vor Landschaftsschutzinteressen einzuräumen sei.

Die belangte Behörde holte ferner Befund und Gutachten des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz ein. Danach sei die naturschutzfachliche Grundlage der Verordnung das Erhaltungskonzept für Flach- und Zwischenmoore im Talraum des Rheintals und Walgaus. Ziel des Konzepts sei der Schutz von Flächen, die allen Arten und Lebensgemeinschaften der Flach- und Zwischenmoore einen gesicherten Überlebensraum geben könnten. Dabei seien alle Streuewiesen erhoben und bewertet worden. Die Einstufung sei in Vorrangflächen, in Ergänzungsflächen und in Ausgleichsflächen erfolgt. Die Grundstücksflächen, welche der Beschwerdeführer zu drainagieren beabsichtige, um sie intensiv landwirtschaftlich nutzen zu können, seien im Konzept als Vorrangflächen ausgewiesen. Deren Erhaltung sei unabdingbare Voraussetzung, um das Weiterbestehen der heute noch in Resten existierenden Pflanzen- und Tierwelt der Feuchtwiesen langfristig zu sichern. Als Vorrangflächen ausgewiesene Bereiche seien gekennzeichnet durch das Vorkommen seltener und gefährdeter Pflanzenarten, gefährdeter und vielfältiger Vegetationstypen der Flachmoore sowie gefährdeter Vogelarten der Feuchtwiesen. Die etwa zwei Hektar Riedwiesen des Beschwerdeführers beinhalteten eine Reihe von (im einzelnen aufgezählten) Pflanzengesellschaften. Eine Entwässerung der Flächen würde auch die Eignung als Bruthabitat für eine Reihe von (ebenfalls im einzelnen aufgezählten) Riedvögeln stark vermindern. Eine intensive landwirtschaftliche Nutzung würde zu relativ artenarmen Fettwiesenbeständen führen. Diese seien als Lebensraum für eine vielfältige Fauna nicht mehr geeignet. Wolle man keine weiteren Naturverluste mehr hinnehmen und den derzeitigen Riedvogelbestand erhalten, so sei der weitere Schutz der betroffenen Grundstücksparzellen unverzichtbar.

In einer Stellungnahme vom 4. Dezember 1991 zum Gutachten des Amtssachverständigen vertrat der Beschwerdeführer im wesentlichen die Auffassung, daß durch den Betrieb der geplanten Landwirtschaft den Riedvögeln zusätzliches Nahrungsvorkommen zukommen würde. Den Schlußfolgerungen des Amtssachverständigen könne nicht gefolgt werden, da diese zur Folge hätten, daß jeder landwirtschaftliche Betrieb unverzüglich eingestellt werden müßte. Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung führe zu keinem Naturverlust, da trotz Bewilligung der derzeitige Riedvogelbestand sowie die vielfältige Fauna erhalten bliebe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 3 iVm § 2 Abs. 1 lit. c und Abs. 3 der Verordnung die beantragte Ausnahmebewilligung für die Drainage, Kultivierung und intensive landwirtschaftliche Nutzung der Grundstücke Nr. 1000/1, 1002, 1003 und der betroffenen Teile des Grundstückes Nr. 1004, je KG X, versagt. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens und der angewendeten Bestimmungen der Verordnung verwies die belangte Behörde zunächst auf den Umstand, daß mit rechtskräftigem Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 27. März 1987 dem damaligen Pächter der antragsgegenständlichen Liegenschaften die Bewilligung zur Drainage dieser Liegenschaften versagt worden sei. Die antragsgegenständlichen Grundstücke seien nunmehr von der Verordnung erfaßt. Durch die vom Beschwerdeführer beantragte Drainage, Kultivierung und intensive landwirtschaftliche Nutzung würden die Gründstücke Tätigkeiten zugeführt, die durch § 2 Abs. 1 lit. c und Abs. 3 der Verordnung untersagt seien. Eine Ausnahmebewilligung davon nach § 3 der Verordnung könne nur dann erteilt werden, wenn das Vorhaben Interessen des Naturschutzes nicht auf Dauer wesentlich beeinträchtige und andere öffentliche Interessen, insbesondere landwirtschaftliche Interessen, überwiegen würden. Es sei daher primär zu prüfen, ob durch das geplante Vorhaben Interessen des Naturschutzes auf Dauer wesentlich beeinträchtigt würden. Würde dies bejaht, so sei auf die Frage, ob andere überwiegende öffentliche Interessen vorliegen, nicht mehr einzugehen. Im Interesse des Naturschutzes liege es, wertvolle, seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten (im Beschwerdefall die typische Riedlebewelt) zu erhalten, Artenvielfalt zu gewährleisten und Sorge für den Erhalt des ökologischen Gleichgewichtes zu tragen. Dementsprechend sei Zweck der genannten Verordnung, Vorsorge für den Erhalt der nur noch in geringem Ausmaß vorhandenen, ökologisch doch äußerst wertvollen Riedflächen und der auf diesen Flächen anzutreffenden seltenen, gefährdeten und wertvollen Riedlebewelt zu treffen. Werde eine von der Verordnung erfaßte Fläche in einen anderen Bewirtschaftungszustand übergeführt, so seien Interessen des Naturschutzes beeinträchtigt. Als wesentlich sei eine solche Beeinträchtigung dann zu qualifizieren, wenn eine geplante Nutzungsveränderung erhebliche, ins Gewicht fallende nachteilige ökologische Wirkungen erwarten lasse. Dem Gutachten des Amtssachverständigen könne schlüssig entnommen werden, daß durch das beantragte Projekt des Beschwerdeführers eine Umwandlung der Flächen in Fettwiesen eintreten würde, was dem Schutzzweck der Verordnung entgegenwirke. Interessen des Naturschutzes würden dadurch wesentlich beeinträchtigt, zumal ein Verlust von zwei Hektar an Streuewiesen erhebliche negative ökologische Wirkungen erwarten lasse. Wie im Gutachten dargestellt, handle es sich bei dem streitgegenständlichen Gebiet um eines der wertvollsten Flachmoorgebiete Vorarlbergs. Dem Gutachten des Amtssachverständigen lasse sich nachvollziehbar entnehmen, daß durch die beantragten Maßnahmen der für die erwähnten wertvollen, äußerst seltenen Riedpflanzenarten erforderliche Lebensraum beseitigt würde. Den Interessen des Naturschutzes würde aber auch insofern massiv entgegengewirkt, als die beantragte Entwässerung der Flächen den Verlust des Gebietes als Bruthabitat der erwähnten Riedvögel zur Folge hätte. Die antragsgegenständlichen Flächen seien als Vorrangflächen für den Naturschutz bzw. für die Erhaltung von Streuewiesen einzustufen. Das bedeute, daß der Erhalt jeder einzelnen dieser Vorrangflächen Voraussetzung für das Weiterbestehen der heute nur noch in Resten existierenden Pflanzen- und Tierwelt der Feuchtwiesen sei. Die Vorrangflächen bildeten das Gerüst der erwähnten Verordnung.

Die genannten Naturschutzinteressen würden aber auch auf Dauer wesentlich beeinträchtigt: Dem Antrag des Beschwerdeführers sei nämlich nicht zu entnehmen, daß die intensive landwirtschaftliche Nutzung der Liegenschaften zeitlich beschränkt werden solle. Zudem würden die durch eine Drainage, Kultivierung und intensive landwirtschaftliche Nutzung hervorgerufenen Folgewirkungen auch lange Zeit nach Beendigung dieser Nutzungsart anhalten. Das Ermittlungsverfahren habe daher ergeben, daß durch das geplante Projekt des Beschwerdeführers Interessen des Naturschutzes auf Dauer wesentlich beeinträchtigt würden. Auf die Frage des Vorliegens anderer öffentlicher Interessen sei daher nicht mehr einzugehen.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung abgelehnt und mit Beschluß vom 20. September 1993, B 677/92-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In seiner antragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, daß die streitgegenständlichen Liegenschaften der genannten Verordnung unterliegen.

Auf diesen Grundflächen dürfen gemäß § 2 Abs. 1 lit. c keine Veränderungen oder sonstigen Einwirkungen vorgenommen werden, die geeignet sind, Interessen des Naturschutzes zu beeinträchtigen. Danach ist es insbesondere verboten, Maßnahmen durchzuführen, welche die Bodenbeschaffenheit, den Wasserhaushalt oder die Wassergüte beeinflussen können.

Die genannten Grundflächen sind nach § 2 Abs. 3 der Verordnung in herkömmlicher Weise zu pflegen und als Streuewiesen zu nutzen. Sie dürfen nicht entwässert, umgebrochen, beweidet, gedüngt oder mit Chemikalien behandelt und nur einmal jährlich in der Zeit vom 1. September bis 15. März gemäht werden.

Von den Verboten des § 2 können nach § 3 Abs. 1 der Verordnung auf Antrag oder von Amts wegen nach Anhörung der Landwirtschaftskammer und des Landschaftsschutzanwaltes Ausnahmen bewilligt werden, wenn das Vorhaben Interessen des Naturschutzes nicht auf Dauer wesentlich beeinträchtigt und andere öffentliche Interessen, insbesondere landwirtschaftliche Interessen, überwiegen.

Werden somit durch ein Vorhaben Interessen des Naturschutzes auf Dauer wesentlich beeinträchtigt, ist auf die Prüfung der Frage, ob andere öffentliche Interessen, insbesondere landwirtschaftliche Interessen, überwiegen, nicht mehr einzugehen.

In der Beschwerde wird zunächst unter Hinweis auf die an den Verfassungsgerichtshof herangetragenen Argumente die Gesetzwidrigkeit der Verordnung behauptet und angeregt, diese Verordnung beim Verfassungsgerichtshof anzufechten. Im Hinblick auf den Ablehnungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes und den Umstand, daß der Beschwerdeführer für die behauptete Gesetzwidrigkeit der Verordnung keine neuen Argumente ins Treffen führt, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof allerdings nicht veranlaßt, seiner Anregung zu folgen.

Der Beschwerdeführer behauptet ferner, daß der angefochtene Bescheid keine ordnungsgemäße Beweiswürdigung enthalte, sondern den Sachverhaltsfeststellungen unmittelbar die rechtliche Beurteilung folge.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Nach dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ihrer Entscheidung im wesentlichen das Gutachten des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz zugrundegelegt. Diesem Gutachten ist der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren im Rahmen des Parteiengehörs mit fachlich nicht fundierten, bloß gegenteiligen Behauptungen entgegengetreten. Dem Gutachten des Amtssachverständigen ist - im Gegensatz zum Beschwerdevorbringen - zu entnehmen, welche Elemente der Tier- und Pflanzenwelt durch die beantragten Maßnahmen des Beschwerdeführers gefährdet würden. Ob das Aussterben mancher Tier- und Pflanzenarten auch noch auf andere Ursachen zurückzuführen ist, braucht im Beschwerdefall somit nicht weiter erörtert werden. Die aufgrund eines ausreichend erhobenen Sachverhaltes vorgenommene Beweiswürdigung der belangten Behörde kann daher weder als unschlüssig noch als in einem mangelhaften Verfahren zustandegekommen angesehen werden.

Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang behauptet, das Verwaltungsverfahren habe den Anforderungen des Art. 6 EMRK nicht entsprochen, so genügt es, ihn auf die vom Verfassungsgerichtshof im Ablehnungsbeschluß zitierte ständige Rechtsprechung dieses Gerichtshofes zu Art. 6 EMRK

(VfSlg. 11.500/1987) zu verweisen.

Schließlich behauptet der Beschwerdeführer, der angefochtene Bescheid würdige die "verhältnismäßigen Interessen" unsachlich. Auf einem Nachbargrundstück des Beschwerdeführers sei nämlich die Umwandlung einer Fläche in einen Reitstall grundverkehrsbehördlich genehmigt worden. Es könne daher "auch keinen naturschutzrechtlichen Weltuntergang bedeuten, die vom Beschwerdeführer unbedingt für seine Landwirtschaft benötigten Flächen ordnungsgemäß bewirtschaften zu lassen".

Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolgung zu verhelfen: Nach der oben wiedergegebenen Rechtslage hat eine Interessenabwägung nur dann zu erfolgen, wenn Interessen des Naturschutzes nicht auf Dauer wesentlich beeinträchtigt werden. Da eine solche Beeinträchtigung im Beschwerdefall gegeben ist, war der belangten Behörde eine Interessenabwägung verwehrt. Die Behauptung einer unsachlichen Würdigung von Interessen des Beschwerdeführers geht daher ins Leere.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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