VwGH 96/18/0086

VwGH96/18/008623.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. August 1995, Zl. SD 773/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;
StGB §223;
StGB §224;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;
StGB §223;
StGB §224;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. August 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 6. Jänner 1990 in das Bundesgebiet eingereist; sein Asylantrag sei abgewiesen worden. In der Folge habe er Sichtvermerke erhalten, zuletzt einen bis 23. Juli 1994 gültigen. Wegen Verfälschung der Gültigkeitsdauer dieses Sichtvermerkes sei der Beschwerdeführer am 22. Juni 1994 vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten rechtskräftig verurteilt worden.

Angesichts dieses Sachverhaltes habe die Erstbehörde zu Recht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 FrG als erfüllt angesehen. Entgegen der Rechtsansicht des Beschwerdeführers könne ein Aufenthaltsverbot rechtens ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf die §§ 19 und 20 leg. cit.) gestützt werden, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigten. Bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers i. S. der genannten Gesetzesstelle falle entscheidend ins Gewicht, daß die Verfälschung eines Sichtvermerkes einen Rechtsmißbrauch darstelle, der die öffentliche Ordnung (konkret: das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen) gefährde. Dazu komme noch der unerlaubte Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 23. Juli 1994.

Aufgrund des relativ langen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich und im Hinblick auf seine familiären Bindungen (Gattin und drei Brüder) liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in sein Privat- und Familienleben vor. Dessen ungeachtet sei aber diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten. Wer, wie der Beschwerdeführer, grob rechtsmißbräuchlich vorgehe, um sich (durch Fälschung) eine aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigung zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen ließen, eine Beurteilung, die umsomehr zutreffe, als sich der Beschwerdeführer bereits mehr als ein Jahr unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und insoweit das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen zusätzlich beeinträchtige.

Auch nach § 20 Abs. 1 FrG sei die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes zu bejahen, zumal an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein besonders großes öffentliches Interesse bestehe. Darüber hinaus lasse die Berufung jegliche Aussage darüber vermissen, welche Auswirkungen das Aufenthaltsverbot auf die Lebenssituation der Brüder des Beschwerdeführers habe. Gleiches gelte für die Ehegattin des Beschwerdeführers, die sich erst seit relativ kurzer Zeit in Österreich aufhalte und hier einen Asylantrag gestellt habe.

Die belangte Behörde gelange jedenfalls zur Auffassung, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

2. Die dagegen zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde von diesem nach Ablehnung von deren Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten (Beschluß vom 27. November 1995, B 3210/95).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde hält den bekämpften Bescheid für rechtswidrig, weil die belangte Behörde die - unbestrittene - rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden zur Grundlage der Annahme gemäß § 18 Abs. 1 FrG gemacht habe. Angesichts der "eindeutig definierten Voraussetzungen gemäß § 18 Abs. 2 leg. cit. ist es unzulässig, meine strafgerichtliche Verurteilung, die nach dem eindeutigen Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers nicht als Grund für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes angesehen wird, gerade für eine solche Verfügung heranzuziehen".

1.2. Demgegenüber wies die belangte Behörde - in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - zutreffend darauf hin, daß ein Aufenthaltsverbot rechtens direkt auf § 18 Abs. 1 FrG gestützt werden könne, wenn zwar keiner der Tatbestände des § 18 Abs. 2 leg. cit. erfüllt sei, wohl aber triftige Gründe vorlägen, die in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigten (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/18/1139, mwN). Daß die belangte Behörde letzteres bejahte, begegnet im Hinblick auf die der Verurteilung des Beschwerdeführers zugrunde liegende Tathandlung der Fälschung einer inländischen öffentlichen Urkunde, noch dazu einer fremdenrechtlich so bedeutsamen wie eines Sichtvermerkes, einerseits und angesichts des - was die Beschwerde bei ihrer Argumentation gänzlich außer acht läßt - bereits mehr als einjährigen unerlaubten Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich andererseits keinen Bedenken.

2.1. Der Beschwerdeführer meint überdies, daß das Aufenthaltsverbot gegen § 19 und § 20 Abs. 1 FrG verstoße. Neben seinem Aufenthalt im Bundesgebiet seit Jänner 1990 und seiner aufrechten Beschäftigung sei zu berücksichtigen gewesen, daß auch seine Ehegattin in Österreich lebe und auf die Erledigung ihres Asylantrages warte, daß weiters seine drei Brüder hier lebten, und daß durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes eine Trennung der Familie bewirkt würde, "die neben den massiv persönlichen negativen Auswirkungen letztlich auch zur Zerstörung der wirtschaftlichen Existenz meiner Ehegattin sowie von mir persönlich führen müßte".

2.2.1. Was die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gemäß § 19 FrG anlangt, so nahm die belangte Behörde zutreffend einen i. S. dieser Bestimmung relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers an, hielt aber unbeschadet dessen die Verhängung dieser Maßnahme für dringend geboten. Dieser Auffassung ist beizupflichten. Die Fälschung (der Gültigkeitsdauer) eines Sichtvermerkes stellt eine aus der Sicht der Wahrung der Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens in hohem Maß verpönte Straftat dar, die iVm dem bereits geraume Zeit dauernden unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig macht.

2.2.2. Der Gerichtshof vermag aber auch das Ergebnis der Abwägung nach § 20 Abs. 1 FrG nicht als rechtswidrig zu erkennen. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet kommt nicht das Gewicht zu, das ihnen die Beschwerde beimißt. Dies im Hinblick darauf, daß nach den - unwidersprochen gebliebenen - Feststellungen der belangten Behörde sich die Ehegattin des Beschwerdeführers erst relativ kurze Zeit in Österreich aufhält, also insoweit von einem relevanten Ausmaß an Integration nicht gesprochen werden kann, und die drei hier lebenden Brüder des Beschwerdeführers - auch unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens - nicht mit ihm zusammenleben, folglich seine Beziehung zu ihnen nicht vom Schutzbereich des § 20 Abs. 1 FrG umfaßt ist (vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 95/18/1139, mwN). Die aus dem mehrjährigen Aufenthalt und der Beschäftigung im Bundesgebiet resultierende Integration des Beschwerdeführers wiegt aber keinesfalls schwerer als die durch sein Gesamtfehlverhalten herbeigeführte gravierende Beeinträchtigung des maßgeblichen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen.

3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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